Viechtach-Schnitzmühle. „Wir wollen die Vergangenheit über die Gegenwart mit der Zukunft verbinden“ – eine Aussage, die so viel Pathos in sich trägt, dass man sie auf den ersten Blick als hirnspinstig abtun möchte. Für Sebastian (43) und Kristian Nielsen (40), die Schöpfer dieses Satzes, fasst die Aussage aber in beeindruckender Kürze ein ganzes Gastronomie-Konzept zusammen. Mit einem unvergleichlichen Gespür für Trends und gleichzeitiger Liebe zur Tradition führen die Nielsen-Brüder das „AdventureCamp“ Schnitzmühle bei Viechtach – oder wie die beiden sagen: „Am Ende der Welt.“
Wären die „Nielsen-Brothers“, wie sie sich selbst nennen, nicht Gastronomen geworden, hätten sie auch gute Philosophen abgegeben. Sie sinnieren über den Menschen als Teil der Natur und die Umstände einer globalisierten Welt. Kristian und Sebastian Nielsen holen in ihren Antworten bewusst weit aus. In ein paar Sätzen lässt sich ihr außergewöhnliches Konzept, mit dem sie die Schnitzmühle führen, auch nicht beschreiben.
„Wollen wir ein Wellnesshotel – oder etwas komplett Neues?“
Dass das abgelegene Hotel samt Campingplatz in einem abgelegenen Tal bei Viechtach einmal über die Grenzen des (abgelegenen) Bayerischen Waldes hinaus als „AdventureCamp“ bekannt sein würde, zeichnete sich zur Jahrtausendwende noch nicht wirklich ab. Damals, vor gut 15 Jahren, war die Schnitzmühle noch ein gewöhnlicher Gasthof mit Restaurant und einigen Zimmern. Die „Nielsen-Brothers“ übernahmen das Hotel in dritter Generation – und gestalteten es nach ihren Vorstellungen (um).
„Auch die Welt befand sich damals im Umbruch, das digitale Zeitalter brach gerade an“, erinnert sich Kristian. Die gesellschaftliche Lust auf Neuerungen, die damit einherging, erfasste auch die Gastronomie: „Touristen wollten plötzlich mehr als nur Zimmer mit Betten und Duschen – Wellnesshotels schossen wie Pilze aus dem Boden“, erinnert sich der 43-jährige Sebastian. Für die beiden Jung-Gastronomen stellte sich zwangsläufig die Frage: „Wollen wir aus der Schnitzmühle auch ein Wellnesshotel machen, ähnlich wie es sie in der Umgebung mehrfach gibt, oder wollen wir etwas komplett Neues und Einzigartiges schaffen?“ Die Brüder entschieden sich für die letzte Variante. Sie entwickelten die Idee des „AdventureCamps“, das den Gästen „Naturerlebnisse am Ende der Welt“ bescheren sollte.
In den folgenden Jahren entstand so in der Schnitzmühle ein wahrer Abenteuerspielplatz für Naturfreunde. Die Nielsens investierten in den bereits bestehenden Campingplatz, schufen einen Naturbadesee und verpassten dem Haupthotel einen neuen Anstrich. Ideen dafür holten sie sich bei ihren Rucksacktouren durch Thailand. Das Weltenbürgertum wurde Kristian und Sebastian praktisch in die Wiege gelegt: „Unsere Eltern waren jahrelang auf einem Frachtschiff zur See unterwegs, die Mutter als Hostess, unser Vater als Maschinenführer“, erzählen die beiden stolz. Die Eltern waren es auch, die von Dänemark, dem Heimatland des Vaters, in den Bayerischen Wald kamen und den damals noch ursprünglichen Gasthof Schnitzmühle übernahmen.
Schweinsbraten im Wok nach „Thai-Bay“-Art
Rund 40 Jahre später ist davon nicht mehr viel zu erkennen. Auch die Speisekarte des Restaurants hat sich grundlegend geändert. Sie führt nun eine ungewöhnliche Kombination von Gerichten, für die die Schnitzmühle mittlerweile bekannt ist: „Thai-Bay“ (kurz für: thailändisch-bayerisch) nennt Küchenchef Markus Fischer die eigenwillige Zusammensetzung der Speisekarte. Vom roten Thai-Curry bis hin zum Riesenschnitzel ist für jeden Geschmack etwas dabei. Seit 2006 perfektioniert Fischer nun schon seine Rezeptkreationen.
Auf die Idee für den ungewöhnlichen Mix aus traditionell bayerischer und exotisch asiatischer Küche hatte ihn damals ein weiblicher Hotel-Gast aus Thailand gebracht. Fischer erinnert sich heute noch genau an die Begegnung: „Es war Sommer und wir haben im Freien gekocht. Dann kam sie zu mir und fragte, ob ich nicht einmal thailändisch Kochen lernen möchte.“ Der Küchenchef zeigte Interesse und fand sich wenige Tage später in Nürnberg wieder, wo er in der Küche jener Thailänderin die ostasiatische Kochkunst erlernte.
Seither hat er immer wieder neue Kreationen ausprobiert – ab und zu versucht er auch bayerische Gerichte auf asiatische Art und Weise zuzubereiten, Schweinsbraten im Wok zum Beispiel. Man merkt Markus Fischer an, dass er seinen Job mit Herzblut macht. „Als Koch muss man Gerüche und Geschmäcker lieben und mit Leib und Seele kochen. Wer das nicht tut, der wird seinen Job nie gut machen“, sagt er. Seine Aussagen sind ähnlich philosophisch wie die der „Nielsen-Brothers“. In einem sind sich die drei einig: „Wer Respekt und Demut vor der Natur hat, bekommt diese doppelt und dreifach zurück.“
„Viel wichtiger ist: Unser Konzept funktioniert“
Und so nutzen Kristian und Sebastian Nielsen mit ihrem Küchenchef Markus Fischer fast ausschließlich Zutaten, die ökologisch erzeugt wurden und deren Herkunft nachzuvollziehen ist. „Transparenz und Ehrlichkeit sind unser oberstes Gebot“, betont Fischer. Und diese Maxime zahlt sich aus. Rund die Hälfte aller anti-alkoholischen Getränke, die im Restaurant angeboten werden, produziert die Schnitzmühle selbst. Die hausgemachten „Grachal“ werden mittlerweile auch bei auswärtigen Veranstaltungen verkauft. Die Tomaten-Chili-Marmelade, die Fischer kreiert hat, wird inzwischen sogar verschickt. Kristian und Sebastian Nielsen spielen daher mit dem Gedanken, einen kleinen Online-Shop aufzubauen, um hausgemachte Produkte einfacher anbieten zu können.
Um das reine Geldverdienen ist es den Nielsens aber nie gegangen. „Man kann Erfolg nicht nur am Umsatz festmachen. Viel wichtiger ist: Unser Konzept funktioniert“, sagt Kristian. Dass das Projekt AdventureCamp funktionieren wird, sei ihnen klar gewesen, ergänzt Sebastian: „Um die Jahrtausendwende hat man einfach gemerkt, dass der Drang zur Natürlichkeit und das Interesse für Neues stark steigen.“ Vor 15 Jahren war das Aufkommen dieses Trends noch eine vage Vermutung. Heute zeigt sich: Die „Nielsen-Brothers“ lagen damit goldrichtig.
Alexander Augustin