Spiegelau. Hans Döringer senior ist (trotz seines fortgeschrittenen Alters) täglich rund um den eigenen Hof im kleinen Weiler Berghof bei Spiegelau zugange. Der 87-Jährige ist eine wertvolle Arbeitskraft, auf die Sohn Hans (57) nicht verzichten will – und kann. Rund 130 „Schdiggl Vieh“, darunter 65 Milchkühe, müssen täglich versorgt werden. Wie in so vielen landwirtschaftlichen Betrieben im Bayerischen Wald ist auch hier die komplette Familie Döringer „selbst“ und „ständig“ im Einsatz. Der eigene Hof: das Lebenswerk vieler Generationen. Obwohl Enkel bzw. Sohn Raphael (18) diese mehr als 100-jährige Tradition gerne weiterführen möchte und derzeit seine Ausbildung zum Landwirt absolviert, hatte ihn Hans Döringer nicht gerade dazu gedrängt, Bauer zu werden. „Dieser Beruf hat längst seine Romantik verloren. Wir wohnen in einer Gegend, in der schwierigste Bedingungen herrschen – gleichzeitig aber die höchsten Standards der Welt gelten. Und dennoch sollen wir so produzieren, dass wir mit dem Weltmarkt-Dumping-Preisen mithalten können.“

Landwirtschaftlicher Familienbetrieb: Rund 130 „Schdiggl Vieh“ versorgen Hans Döringer senior und junior auf ihrem Hof in Berghof in der Gemeinde Spiegelau.
Seit 1987 betreibt Hans Döringer junior den Hof in der Gemeinde Spiegelau. Knapp 30 Jahre, in denen sich in der Landwirtschaft so einiges verändert hat. Einerseits hätten Maschinen und Computer dazu beigetragen, dass die früher körperlich harte Arbeit inzwischen leichter gestaltet werden kann. Andererseits hätten sich aber die politischen Rahmenbedienungen dahingehend verändert, dass der mentale Stress deutlich zugenommen hat, wie Döringer erklärt. „Wir sollen, um mithalten zu können, in der gleichen Zeit die doppelte Arbeit machen, um mehr zu produzieren – das geht doch nicht“, macht der 57-Jährige deutlich und spielt dabei auf die derzeit niedrigen Milch- und Fleischpreise sowie die aufwendigen bürokratischen Auflagen an.
„Schnell, billig und viel – das neue Motto beim Essen“
„Schnell, billig und viel – so lautet mittlerweile das Motto beim Essen. Nahrung soll möglichst kostengünstig produziert werden, damit eine hohe Finanzspanne für weit unwichtigere Anschaffungen bleibt. Der Staat will es so. Doch diese amerikanische Mentalität macht uns fertig.“ Ein Problem, mit dem nicht nur er, sondern auch viele seiner Berufskollegen zu kämpfen haben. Als Obmann des Bauernverbandes im Kreis Freyung-Grafenau kommt er viel rum, spricht mit vielen Landwriten in der Umgebung.

Besorgter Blick: Hans Döringer sieht schwierige Zeiten auf die Landwirte zukommen.
Überall hört er dasselbe: Ein Liter Milch sei inzwischen billiger als ein Liter Mineralwasser. Das Verbrennen einer Tonne Müll teurer als eine Tonne Getreide. Hundert Gramm Katzenfutter kosten mehr als hundert Gramm Schweineschnitzel. „Und“, fragt sich Hans Döringer, „soll ich nun meinen Katzen Schweinefleisch füttern?“ Mit diesen durchaus sarkastisch-gemeinten Worten wird die ganze Hilflosigkeit des Landwirts deutlich. Denn: Ändern an dieser Situation könne er auch als offizieller Angehöriger des Bauernverbandes nichts. Vielmehr müsse ein Umdenken innerhalb der hiesigen Gesellschaft stattfinden, wovon der 57-Jährige jedoch nicht ausgeht. „Bestes Beispiel ist Frankreich. Dort legt die Bevölkerung Wert auf qualitativ hochwertige Nahrungsmittel. Davon sind wir in Deutschland leider weit entfernt.“
„In vielen Dörfern wird es keine Bauern mehr geben“
Das alles, so Döringer, hat zu einem Strukturwandel in der ländlichen Landwirtschaft geführt. „Grund und Boden sind wegen der niedrigen Zinsen derzeit eine beliebte Geldanlage. Deshalb sind die Preise für Wiesen und Wälder deutlich gestiegen. Verschwinden nun einige Bauern von der Bildfläche, gibt es in diesem Bereich wieder Potenzial. Das ist politisch so gewollt.“ Immer mehr Landwirte müssten Döringer zufolge aufgeben. Bald wird es soweit sein, „dass in vielen Dörfern kein einziger Bauer mehr zu finden sein wird“.

„Ich beute nicht die Tiere aus, um einen guten Preis zu haben“
Die derzeit in den Medien kursierenden finanziellen Hilfen seien dabei lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein. „Das sind nur Liquiditätshilfen. Diese Gelder landen nicht auf den Konten der Bauern, sondern finanzieren deren Darlehen. Die staatlichen Hilfen sind nur eine verlängerte Sterbehilfe.“
Angesichts der Überflutung des Marktes mit Billigware – vor allem von industriellen Agrarbetrieben aus osteuropäischen Ländern und aus den USA -, seien die fallenden Milch- und Fleischpreise die logische Konsequenz. Deshalb ist Hans Döringer auch ein „krasser Gegner“ des Freihandelsabkommens TTIP, weil bereits jetzt der Weltmarkt zu großen Einfluss auf die regionalen Bauern nimmt. Masse sei inzwischen schlichtweg wichtiger als Qualität, wie Döringer deutlich macht. Man setze von politischer Seite eher auf die Agrarindustrie als auf den kleinen Bauern von nebenan.
„Wären es reine Geschenke, würde doch kein Bauer aufhören
Die Folge: Viele Landwirte kämpfen um ihre Existenz. Der „große Vorteil“ der Bauern im Bayerischen Wald ist dem Spiegelauer zufolge (noch) ihre Vielfältigkeit. Es gäbe eine gesunde Mischung aus Rinderzüchtern, Milchproduzenten, Waldbauern und vielen anderen. Eine nicht unerhebliche Einnahmequelle seien auch weiterhin EU-Fördermittel. Doch diese sieht Hans Döringer – neben dem im Volksmund bekannten „Bergbauernprogramm“ – nicht als „finanzielles Leckerli“, sondern vielmehr als Ausgleich für die schwierigen Verhältnisse im Woid. „Wenn das reine Geschenke wären, würde doch kein Bauer aufhören. Außerdem sind diese Gelder, was Wasser oder Umwelt betrifft, an viele Auflagen gekoppelt.“

Im Gegensatz zu früher verbringt ein Landwirt inzwischen viel Zeit im Büro. Hans Döringer nutzt deshalb sämtliche technischen Neuerungen.
Hans Döringer kann seinen Hof noch halten. Noch. Er spricht davon, dass sein Betrieb „elastisch“ sei – und meint damit, dass die Maschinen bisher noch gut in Schuss sind und die Gebäude keine Mängel vorweisen. Investitionen in diesen Bereich sind daher vorerst nicht nötig. Geht es jedoch weiter nach dem Prinzip „wachsen oder weichen“, könnte es auch für ihn finanziell bald sehr eng werden.
Helmut Weigerstorfer
Eine Lösung wäre der mittelfristige Abbau der Subventionen für die Landwirtschaft. Das Ergebnis wäre, dass die von den Landwirten hergestellten Produkte sich wesentlich verteuern würden und damit viele Verbraucher mehr Respekt vor den Lebensmitteln und der Arbeit der Bauern hätten. Wir sind in einer Wegwerfgesellschaft. An dem Tag des Ablaufdatum eines Joghurt wird dieser weggeworfen, wird die Tomate weich oder der Apfel braun, ereilt diesen das gleiche Schickdal wie dem Joghurt. Kostet ja nix.
Herr Stegbauer,
ihnen ist aber schon klar, dass sich das Angebot nur noch weiter erhöht, wenn wir uns von der „Wegwerfgesellschaft“ entfernen. Wenn die Milch bei Aldi noch länger im Regal steht, sinkt die Nachfrage Richtung Erzeuger noch weiter. „Wir haben ja noch welche“. Kontraproduktiv.
Das Angebot muss runter, und das geht nur, wenn sich der Markt natürlich bereinigt. So leidvoll es klingt, solange es zu viele Bauern gibt, wird es zu viele Kühe geben, wird es zu viel Milch geben, wird diese Milch zu billig sein.
Lieber Josef,
dass das Angebot „runter muss“, da haben Sie schon recht, dass es aber zu viele Bauern gibt, da liegen Sie gewaltig daneben! Wir haben nicht zu viele Bauern, den seit 40 Jahren haben wir ein staatlich verordnetes Bauernsterben. Welches auch auf unsere schöne bayerische Landschaft negativen Einfluss haben wird, wenn es so weiter geht!
Wir haben aber zu viele subventionierte Großbetriebe, welche immer mehr Fleisch und Milch auf den Markt bringen und das zu Dumpingpreise, bei welchen bäuerliche Familienbetriebe nicht mithalten können.
Die Aufforderungen an die Bauern immer größer zu werden, damit sie überleben können, war ein falscher Weg, der gewissenlos durch politischen Entscheidungsträger und auch den Bayerische Bauernverband jahrzehntelang beschritten wurde. Mega-Mastbetriebe mit Überbelegung sind die Folgen. Mit all ihren negativen Begleiterscheinungen: von Fleisch, welches durch zuviel Medikamenteneinsatz verseucht ist, bis hin zu steigenden Nitratwerten im Trinkwasser durch die Ausbringung der Ausscheidungen auf die Felder.
Was wären Lösungen? Zum einen brauchen wir Milchquoten. Zum anderen bieten viele Nischen noch Möglichkeiten. Für Biomilch wurden heuer neue Importverträge mit Schweden geschlossen. Hier scheint es Bedarf zu geben. Ich bemühe mich gerade, als Kreisrat der Bayernpartei, im Landkreis Kelheim eine „Freie Milch“ durchzusetzen. Abernehmer könnten dabei Krankenhäuser, Altenheime, Schulen sein. Aber auch Bürger , welche bereit sind für eine gute Sache (und bessere Qualität) etwas mehr zu bezahlen. Ähnliche Zusammenschlüsse von Milchbauern funktionieren in Berchtesgaden, warum sollte dies nicht bei uns auch möglich sein? Die Milchpreise würden ein Überleben der beteiligten Bauern sichern und gestaffelt sein nach „normalen“ Milchbauern und etwas höheren Preisen für Freilaufställe bzw. Freilandhaltung.
Weiterhin gibt es inzwischen viele Hofläden, welche beliebt sind und auch gewinnbringend arbeiten. Der Weg muss sein: weg vom Preisdiktat der Discounter!
Wahre Worte, Herr Zimgibl. Aber da müßten Entscheidungsträger eingestehen, dass eine Fehlentwicklung vorliegt (was meiner Meinung nach Stärke und nicht Schwäche wäre) und dann eine Korrektur einleiten. Wäre halt Rückgrat und gesunder Menschenverstand nötig. Dem „gemeinem Volk“ ist das alles klar und vermittelbar.
Ich glaube die meisten Politiker/Entscheidungsträger haben den Kontakt zum Volk verloren, fürchten ihn sogar.
Eigentlich wäre alles, nicht nur in der Landwirtschaft, relativ einfach zu lösen. Man müßte nur wahrnehmen, was eh im Raum steht.
Zu viele Lobbyisten werfen zuviele Nebelbomben.