Passau/Regen/Freyung-Grafenau. Laut einer Prognose der Techniker Krankenkasse werden im Jahr 2030 rund 3,4 Millionen Menschen in Deutschland pflegebedürftig sein – 2013 waren es noch 2,6 Millionen Pflegebedürftige. Angesichts dieser Entwicklungen fordert der SPD-Landtagsabgeordnete Bernhard Roos im Rahmen einer Pressemitteilung: „Es ist zwingend erforderlich, mehr qualifiziertes Pflegepersonal einzustellen und auszubilden, um den Bedarf nachhaltig zu decken.“
Bereits jetzt sei die Deckung von Soll und Ist kaum erfüllt. „5,6 Millionen Überstunden zählen die in bayerischen Krankenhäusern beschäftigten Pflegekräfte im ersten Quartal des Jahres 2015. Das sind unhaltbare Zustände“, kritisiert Roos die aktuelle Situation und greift dabei zurück auf Zahlen aus einer aktuellen Befragung der Gewerkschaft ver.di. „Arbeitgeber rechnen bereits mit diesen Überstunden, denn dadurch kann Personal gespart werden.“ 2.800 Vollzeitstellen würden aus der Zahl der Überstunden resultieren, heißt es von Seiten der Gewerkschaft.
„Die Bedürfnisse und Krankheitsbilder ändern sich stetig“
Außerdem verweist Roos auf die zunehmende Bürokratisierung des Berufs. „Büro und Pflege müssen getrennt werden. Nur so können die Pflegebedürftigen menschennah und liebevoll betreut und dadurch die Angehörigen entlastet werden.“ In Bayern werden rund 67,8 Prozent der Pflegebedürftigen zu Hause versorgt, davon 148.179 Personen allein von den Angehörigen ohne professionelle Unterstützung. Generell sollte auch das Weiterbildungsangebot für in der Pflege beschäftigte Arbeitnehmer ausgebaut werden. Roos: „Die Bedürfnisse und Krankheitsbilder ändern sich stetig. Wie in jedem Beruf sollten auch die Pflegekräfte immer auf dem aktuellen Stand sein.“
Alarmierende Zahlen und Worte des Landtagsabgeordneten. Zwar seien Helmut Denk die vom Passauer SPD-Politiker beschriebenen Prognosen und Befragungen nicht bekannt, dennoch bestätigt der Geschäftsführer der Kliniken Am Goldenen Steig, dass „im Rahmen der demographischen Entwicklung mit einem deutlichen Anstieg der Pflegebedürftigen zu rechnen ist“. Die Einschätzung, dass durch Überstunden Personal gespart werden könne, ist seinen Ausführungen zufolge eher kurzfristig gedacht und nicht wirklich wirtschaftlich. „Eine Überbelastung des Pflegepersonals produziert erhöhte Krankheitszeiten und führt zur Demotivation“, erklärt Denk auf Hog’n-Nachfrage.
„Der Kostendruck wird auf das Personal umgelegt“
Eine wichtige Rolle hinsichtlich der Besetzung von vakanten Stellen spiele im Landkreis Freyung-Grafenau die Krankenpflegeschule der Kliniken gGmbH, die Denk zufolge jährlich rund 20 Pflegekräfte ausbildet. „Dadurch bestehen aktuell keine Probleme mit der Besetzung der Stellen im Pflegebereich. In der Kliniken gGmbH werden derzeit Überstunden deutlich abgebaut.“ Etwas gesondert betrachten müsse man hingegen die Situation der Pflegebedürftigen, die durch ihre Angehörigen versorgt werden. „Hier ist eine Unterstützung in vielen Bereichen erforderlich.“
Etwas drastischere Worte findet Christian Schmitz, Vorstand der Arberlandkliniken im Landkreis Regen. Die Sache mit dem Personal sei schon ein „sehr, sehr altes Thema, das sich immer weiter verschärft“. Teilzeit-Mitarbeiter würden inzwischen Vollzeit arbeiten. Vollzeitkräfte seien überfordert, würden oftmals Überstunden schieben und deshalb auch öfter krank werden. „Das ist ein systembedingter Teufelskreis. Der Kostendruck wird auf das Personal umgelegt.“
Die Ursache für diese Situation sei Schmitz zufolge die Tatsache, dass Mehr-Leistung nicht finanziell von Seiten der Krankenkassen gewürdigt werde. So bleibe keine Zeit, um Patienten über die Grundversorgung hinaus zu pflegen. Der einzige Ausweg: „Es muss mehr Geld für den Gesundheitsbereich zur Verfügung gestellt werden, was aber wohl alles andere als leicht sein wird, weil dann gleichzeitig die Beiträge für die Krankenkassen steigen würden.“
da Hog’n