Berlin/ Freyung. Angesichts der von der bayerischen Staatsregierung vorgegebenen Sparmaßnahmen für den Landkreis Freyung-Grafenau übt die SPD-Bundestagsabgeordnete und Kreisrätin Rita Hagl-Kehl scharfe Kritik. „Wenn wir freiwillige Leistungen des Landkreises einsparen müssen und dann als Landkreis für Familien nicht mehr attraktiv sind, brauchen wir uns über die Abwanderung nicht zu wundern“, äußert sich die Bundestagsabgeordnete per Pressemittelung. „Genau durch diese Sparmaßnahmen wird der ländliche Raum noch mehr kaputt gemacht. Herr Gibis könnte sich als CSU-Landtagsabgeordneter auch mal für unseren Landkreis einsetzen – wenn wir uns ansehen, dass unserem Landkreis schlechte Zukunftschancen prognostiziert werden, dann müssen wir handeln und das Handeln darf nicht nur im Kaputtsparen liegen“, betont Rita Hagl-Kehl.
Rita Hagl-Kehl: „Ein Schelm, der Böses dabei denkt“

Zudem kritisiert sie die Terminansetzung (Montagnachmittag, 6. Juni, da Hog’n berichtete) seitens des Landrats für die aus ihrer Sicht bedeutsame Kreistagssitzung. „Herr Landrat Gruber weiß ganz genau, dass ich nicht an den Kreistagssitzungen teilnehmen kann, wenn Sitzungswoche des Deutschen Bundestages in Berlin ist. Ursprünglich war die Kreistagssitzung in einer Nicht-Sitzungswoche geplant und wurde dann wieder verschoben. Herr Gruber hat mir persönlich versichert, dass er bei der Terminfestsetzung die Sitzungswochen des Deutschen Bundestages berücksichtigen wird, so dass ich an den Kreistagssitzungen teilnehmen kann. Daran hat er sich nicht gehalten – ein Schelm, der Böses dabei denkt“, beanstandet die Bundestagsabgeordnete.
„Generell wird versucht, auf die Belange der Abgeordneten Rücksicht zu nehmen“, nimmt Landrat Gruber zu den Vorwürfen Hagl-Kehls auf Hog’n-Nachfrage Stellung – und fügt hinzu: „Gerade bei der Kreistagssitzung zur Haushaltskonsolidierung waren aber auch Verwaltungsabläufe zu berücksichtigen, allen voran verbindliche Fristsetzungen der Rechtsaufsichtsbehörde. Im Übrigen tritt der Deutsche Bundestag erst am kommenden Mittwoch, den 8. Juni zusammen.“
„Konstruktive Vorschläge von Hagl-Kehl sind leider Mangelware“
Des weiteren zeigt sich Gruber verwundert über die aus seiner Sicht negative Reaktion von MdB Hagl-Kehl. „Ihre Fraktion, die SPD, war an der interfraktionellen Projektgruppe beteiligt, die die Beschlüsse mit vorbereitet hat.“ Der Vertreter der SPD hat dem Landrat zufolge dort sehr intensiv mitgearbeitet. „Die vor Ort in den Kommunen verantwortlichen Fraktionsmitglieder schätzen die Notwendigkeit zur Konsolidierung der Landkreisfinanzen offenbar grundlegend anders ein als die Abgeordnete in Berlin“, so Gruber. „Sowohl allen Mitgliedern der interfraktionellen Projektgruppe als auch allen Fraktionssprechern wie auch mir als Landrat gehe es gerade darum, die Infrastruktur zu erhalten und zukunftsfähig fortzuentwickeln.“

Die Errichtung von Hallenbädern etwa sei ein Projekt der 1960er und 1970er Jahre gewesen. Heute geht es laut Gruber zum einen darum, wie solche Infrastruktur finanziell vertretbar erhalten werden kann – „und zum anderen geht es um die drängende Frage: Wie können wir uns finanzielle Spielräume schaffen, damit wir auch wieder zukunftsorientiert investieren können?“ So werden dem Landrat zufolge massive Investitionen in die Berufsschulstruktur notwendig sein, damit der Landkreis der Entwicklung standhalten könne. Verbessert und gestärkt werden müsse auch der Öffentliche Personennahverkehr, um die Basis für Lebensqualität zu schaffen. „Das sind nur zwei Beispiele aus unserer täglichen Arbeit, die Aufzählung ließe sich ohne weiteres noch fortsetzen“, so Gruber gegenüber dem Hog’n.
Der Landratsamts-Chef ist sich sicher: „Wir werden die drängenden Zukunftsfragen nur beantworten können, wenn wir uns die Spielräume dafür verschaffen. Dazu – und zwar ausschließlich dazu – haben wir Konsolidierungsmaßnahmen erarbeitet.“ Er ist davon überzeugt, „dass wir den Spagat zwischen der Schaffung von finanziellen Spielräumen einerseits für Zukunftsinvestitionen und dem Erhalt von Infrastruktur andererseits gut bewältigt haben.“ Dies alles sei in gutem, sachlichen Konsens passiert. „Auch Frau Hagl-Kehl hätte sich hier zu jeder Zeit gerne einbringen können. Bis dato waren und sind konstruktive Vorschläge von Frau Hagl-Kehl aber leider Mangelware. Stattdessen wird populistisch und parteipolitisch reagiert.“
Max Gibis: „Nichts anderes als populistisches Schaulaufen“
CSU-Landtagsabgeordneter Max Gibis reagiert in ähnlicher Weise empört über die Aussagen von MdB Hagl-Kehl. Er stellt sich die Frage: „Hat Frau Hagl-Kehl nicht mitbekommen, dass die Diskussionen zur Haushaltskonsolidierung im Landkreis schon seit Monaten laufen?“ Und weiter: „Jetzt, da alle Punkte zur finalen Entscheidung im Kreistag auf der Tagesordnung stehen, eine solche Pressemeldung abzugeben, ist nichts anderes als populistisches Schaulaufen.“

Seiner Meinung nach hatte sich die SPD-Bundestagsabgeordnete in der Vergangenheit „in keinster Weise“ in die Diskussionen zur Haushaltskonsolidierung miteingebracht. „Auch konnte man in den bisherigen Kreistagssitzungen keinerlei Aktivitäten von ihr vernehmen“, schlägt Gibis mit dem gleichen Verbal-Schwert auf Hagl-Kehl ein, das auch sie in ihrer Pressemitteilung gegenüber dem ehemaligen Mauther Bürgermeister führt.
„Weiß Frau Hagl-Kehl nicht, dass es einen einstimmigen Kreistagsbeschluss gab, in dem sich der Kreistag für ein Konsolidierungsgutachten ausgesprochen hat? Die bayerische Staatsregierung hat nie Sparmaßnahmen vorgegeben“, hält Gibis seiner Kreistagskollegin weiter entgegen – und ergänzt: „Der Kreistag will aus eigenem Willen den Landkreishaushalt konsolidieren.“
Weg ist kein leichter, aber alternativlos
„Anscheinend“, äzt der Landtagsabgeordnete weiter, „hat Frau Hagl-Kehl auch nicht mitbekommen, dass es eine fraktionsübergreifende Arbeitsgruppe gab, die sich intensiv und sehr konstruktiv mit allen Punkten beschäftigt hat.“ Auch der Vertreter der SPD-Fraktion habe dort sehr konstruktiv mitgearbeitet, wie auch Gibis bekräftigt. „Vielleicht hätte sie mit ihm mal sprechen sollen. Denn die Vorschläge der Arbeitsgruppe wurden auch vom SPD-Vertreter mitgetragen.“

Dem CSU-Politiker zufolge habe es einen sehr breiten und fraktionsübergreifenden Konsens gegeben – „mit dem Ziel, unseren Landkreis finanziell und strukturell fit für die Zukunft zu machen“. Dieser Weg sei kein leichter, jedoch Gibis zufolge alternativlos. „Ich hoffe, dass sich Frau Hagl-Kehl vielleicht in Zukunft auch konstruktiv mit einbringt und sich nicht nur darauf beschränkt, zur absolut unpassenden Zeit, irgendwelche 08/15-Pressemeldungen abzusetzen.“
Ergänzung von MdB Rita Hagl-Kehl (per E-Mail zugesandt am Mittwoch, 8. Juni):
„Die Bundestagsabgeordnete Rita Hagl-Kehl erklärt, dass sich ihre Kritik nicht gegen die Einzelbeschlüsse und auch nicht gegen die Vorschläge der intrafraktionellen Arbeitsgruppe richte, sondern gegen die Bayerische Staatsregierung. ‚Ich finde – wir in Freyung-Grafenau – dürfen nicht immer nur den Mund halten, sondern wir haben auch das Recht von München einzufordern. Aber wer mich falsch verstehen will, dem ist nicht zu helfen. Und wenn Herr Landrat Gruber meint, dass die Sitzungswoche des Deutschen Bundestages erst am 8. Juni beginnt, so irrt er. Natürlich sind die Bundestagsabgeordneten schon am Montag, wenn nicht sogar Sonntagabend in Berlin, um ihre Arbeit zu machen.'“
da Hog’n
–> Hausörterlift, Kreisbibliothek, Volkshochschule: So will der Landkreis FRG sparen