Zwölfhäuser. Wenn Tanja Blöchl von ihren „Ladys“ erzählt, kommt sie schnell ins Schwärmen. Ihr Lächeln wächst zu einem breiten Grinsen an. Sie strahlt regelrecht. Ihre „Ladys“, das sind Jacky, Snoopy, Uschi, Suleika, Gandi, Alma – sowie 23 weitere Milchkühe, die auf dem Bauernhof in Zwölfhäuser (Gde. Mauth-Finsterau) untergebracht sind. Seit sie denken kann ist sie von den treuherzig-dreinblickenden Tieren mit den großen Kulleraugen und dem gefleckten Fell umgeben. Schon immer gehörten Bulldog, Mistgabel und Futtertrog zu den alltäglichen Gegenständen, mit denen sie auf dem landwirtschaftlichen Anwesen der Großeltern hantierte. „Ich mag die Viecher allesamt furchtbar gerne“, berichtet die leidenschaftliche Hobby-Bäuerin bei einem Glas frisch-gemolkener Kuhmilch gegenüber dem Hog’n. „Ich werde den Hof einmal übernehmen“, sagt die 29-Jährige entschlossen, und fügt sogleich hinzu: „Freilich im Nebenerwerb – anders würd’s nicht gehen.“
„Ich hätt‘ immer a Bursch werd’n sollen – und bin dann auch so erzogen worden“, erzählt Tanja Blöchl mit einem Lächeln auf den Lippen, während sie durch den Stall schlendert und sich jeder Kuh mit einem sanften – und so gar nicht burschikos wirkenden – Streicheln über die Stirn widmet. Ihr Vater Franz (55), der den Hof federführend bewirtschaftet, habe ihr von klein auf beigebracht, möglichst schnell selbständig zu werden und auf eigenen Beinen zu stehen. Reifenwechseln etwa ist kein Problem für sie. Die Melkmaschine zu bedienen schon gar nicht. Und der Umgang mit dem ein oder anderen landwirtschaftliche Gerät kostet die 29-Jährige nicht mehr als ein müdes Lächeln. Dankbar sei sie ihrem Vater heute dafür.
Mit viel „learning by doing“ zur „Landwirtin aus Leidenschaft“
Gemeinsam mit ihm, ihrem Sohn Tristan (5), Opa Franz sen. (75) und Oma Reserl (71) lebt sie auf dem zu Beginn des 20. Jahrhunderts errichten Bauernhof nahe der bayerisch-böhmischen Grenze. „Die Großeltern passen schon mal auf Tristan auf, wenn ich im Stall arbeite. Ich bin froh über diese Entlastung.“ Liiert ist sie mit Andreas, einem Forstarbeiter aus dem Nachbardorf, der glücklicherweise ihre Begeisterung für Tiere und Landwirtschaft teilt. Das Zusammenleben auf dem Hof beschreibt sie als „sehr unterhaltsam, aber hin und wieder auch schwierig, weil eben unterschiedliche Meinungen verschiedener Generationen aufeinandertreffen“. Sie als Frau habe es in dem männer-dominierten Haushalt, in dem noch die klassische Arbeitsteilung herrscht, manchmal nicht ganz so einfach…
Eigentlich ist Tanja Blöchl, die sich nach der Mittleren Reife für eine Lehre entschieden hatte, gelernte Einzelhandelskauffrau – und keine ausgebildete Bäuerin. In Teilzeit arbeitet sie in einem Passauer Möbelgeschäft. Was die Landwirtschaft angeht, erlangte sie ihr Wissen vor allem durch „learning by doing“ – und den ein oder anderen Kurs beim „Bildungsprogamm Landwirt“ (BiLa). Weshalb sie sich selbst eher als „Landwirtin aus Leidenschaft“ bezeichnen würde, denn als „g’schdand’ne Bairin“.
Hebamme Tanja: „Ich mag meine Kühe nicht alleine lassen“
Neben den knapp 30 Milchkühen kümmert sich die Zwölfhäuslerin insbesondere um den Nachwuchs: 28 Jungtiere hat sie derzeit unter ihren Fittichen. Streicheln, putzen, füttern sowie die von ihr eingeführte „Kuhwäsche“ im Sommer stehen dabei auf dem Programm. Insbesondere Jungstier „Nero“ hat es ihr angetan. Vier Monate ist dieser nun alt – und braucht viel Zuwendung und Aufmerksamkeit. „Mein Vater schimpft ab und zu a bisserl mit mir, weil ich in seinen Augen die Tiere zu sehr verwöhne“, berichtet Tanja und lacht. Denn auch gegenüber Hof-Katze „Puschel“ und Sau „Bärbel“ – letztere ist ein Geburtstagsgeschenk von Vater Franz an seinen Schwiegersohn in spe – ist die Jungbäuerin oftmals sehr freigiebig, wenn’s etwa ums Futter oder sonstige Streicheleinheiten zwischendurch geht.
Auch als „Hebamme“ hat sie ihren bäuerlichen Erfahrungsschatz bereits häufig unter Beweis gestellt. Bei einigen hundert Geburten war sie mit dabei, half tatkräftig mit, wenn es darum ging, das Neugeborene sicher zu entbinden. „Normalerweise schafft’s die Mutterkuh von allein“, weiß Tanja Blöchl. Immer dann, wenn’s a bisserl stockt, muss sie mit dem sogenannten Geburtshelfer jedoch mitanpacken. Etwa 30 Kälber erblicken auf dem Hof in Zwölfhäuser pro Jahr das Licht der Welt. „Ich mag meine Kühe nicht alleine lassen, wenn sie kurz vorm Kalben stehen“, sagt sie – weshalb sie auch schon mal die ein oder andere „Nachtschicht“ im Stall einlegen muss. „Die Kühe sind froh, wenn jemand da ist.“
Die Unkenrufe, dass der Beruf des Landwirts mehr und mehr vom Aussterben bedroht sei, schätzt die 29-Jährige als realistisch ein: „In unserer Region bestimmt. Viele Bauern sagen, dass sie aufhören.“ Sie glaubt: „In unserer Gemeinde haben wir in zehn Jahren noch vier oder fünf Bauernhöfe“ – denn der wirtschaftliche Druck werde immer größer. Und außerdem: „Die meisten jungen Leute sagen: Ich bin doch nicht blöd und tu mir das hier an. Ich will in den Urlaub fahren, mag am Wochenende frei haben – und nicht ständig an den Hof und die Arbeit angekettet sein.“
„Du kommst eh nie runter von Deinem Misthaufen“
Gedanken, die in Tanja Blöchls Kopf heute keinen Platz mehr finden. Zu sehr liebt sie das, was sie macht. Ihre „wilde Zeit“, in der sie eine eigene Wohnung hatte und in der Stadt Vollzeit zur Arbeit ging, hat sie längst hinter sich gelassen. Sie hat sich „ausgelebt“, ist damals von zu Hause weg, nachdem ihr Ex-Freund sie mit den Worten „Du kommst eh nie runter von Deinem Misthaufen“ zu diesem Schritt „provoziert“ hatte. Doch irgendwann hat sie festgestellt, dass sie ihre alte Heimat, den Bauernhof, die Tiere und das Umfeld dahoam im Woid vermisst. Eine aus ihrer Sicht wichtige Erkenntnis, ein Lernprozess. „Außerdem: Wenn ich nicht zurückgekommen wäre, hätte mein Vater den Betrieb aufgegeben.“
„28 Cent pro Liter Milch ist nicht viel – ich hoffe, dass der Milchpreis wieder ansteigt“, spricht Tanja Blöchl schließlich diejenige Sorge offen an, die derzeit (wieder einmal) viele Landwirte teilen. Als Vollerwerbsbauer, so wie ihr Vater, könne man ihrer Meinung nach heute ohne Subventionen ohnehin nicht mehr überleben. Und auch im Nebenerwerb müsse man sich immer mehr Gedanken machen und genau abwägen, ob man weiter in den Hof und die Landwirtschaft investieren solle, weiß die Waidlerin. Ihr Traum: Den derzeitigen Anbindestall in einen richtigen Laufstall für Kühe umwandlen. Darauf will sie künftig ihren Fokus richten, dafür will sie Geld sparen – und deshalb mit ihren Männern noch die ein oder andere Diskussion führen. In zehn Jahren soll dieser Wunsch dann realisiert werden, wenn’s nach den Vorstellungen von Tanja Blöchl geht. Ein Traum, den sie für sich und ihre „Ladys“ verwirklichen möchte.
Stephan Hörhammer