Steinerleinbach. Dieser Mann steht unter Dauerstrom. Das wird nicht nur im Gespräch mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ schnell deutlich, sondern auch bei der sich anschließenden Führung durch die Betriebshallen in Steinerleinbach (Marktgemeinde Röhrnbach). Mit schier unbegrenzter Energie fegt Max Haidl an seinen Mitarbeitern vorbei, grüßt sie, erkundigt sich nach ihrem Wohlbefinden – und erzählt gleichzeitig schmissige Anekdoten aus der mehr als 40-jährigen Firmenhistorie. Seine Worte „Wichtig ist eine gewisse Bodenständigkeit, aber auch Dynamik“ werden dadurch auf eine unaufdringliche Art und Weise bestätigt.
Der 60-jährige Geschäftsführer der Firma Haidl hat aus einer Vier-Mann-Zimmerei innerhalb von 41 Jahren ein Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern gemacht. Ein Fulltime-Job, wie er selbst immer wieder deutlich macht. Inzwischen sind auch seine Söhne Philipp (28) und Florian (34) in den Betrieb integriert. Dass das nicht immer reibungslos vonstatten geht und es ab und an zu Konflikten zwischen den Generationen kommt, sprechen Philipp und Max Haidl offen an. Genauso blicken die beiden Röhrnbacher auf die Firmengeschichte, die aktuelle Entwicklung und das Los der Industrie im Bayerischen Wald.
„Interessante, aber auch schwierige Zeiten liegen hinter uns“
Herr Haidl: Blicken Sie für unsere Leser doch einmal kurz auf die Geschichte Ihrer Firma zurück.
Max Haidl: Der Betrieb ist aus einer kleinen Zimmerei heraus entstanden, die mein Vater 1954 in Oberndorf bei Röhrnbach gegründet hat. Ich habe Zimmerer gelernt und nach meiner Meisterprüfung die Firma ausgebaut und auf 21 Mitarbeiter erweitert. In mir ist nach und nach der Gedanke gereift, etwas Neues zu entwickeln. Mir hat die handwerkliche Arbeit zwar Spaß gemacht – sie füllte mich aber nicht mehr aus wie zu Beginn. Deshalb habe ich nach Neuem gesucht und beschlossen, Fenster und Haustüren in hoher Qualität, aber in industrieller Fertigung und kostengünstig herzustellen. Am 1. März 1993 wurd diese Produktion mit sechs Mitarbeitern begonnen.
Der Startschuss für eine Erfolgsgeschichte.
Max Haidl: Die Entwicklung ist stetig aufwärts gegangen – verbunden mit viel Einsatz und Engagement. Natürlich gehören auch Glück und tüchtige Mitarbeiter dazu, um erfolgreich zu sein. Interessante und spannende, aber teils auch schwierige Zeiten liegen hinter uns. Denn unser größtes Anliegen war es, stets auf dem aktuellsten Stand zu sein – sowohl in der Qualität als auch in der Fertigung. Alle Erträge wurden deshalb sofort reinvestiert…
„2009 ist das Werk in Reichersberg eröffnet worden“
…nicht nur in Röhrnbach, sondern auch in Österreich.
Max Haidl: Richtig. Hier in Röhrnbach haben wir ausschließlich Kunststofffenster und Aluminium-Haustüren hergestellt. 2006 haben wir dann die insolvente Firma Lederbauer, heimisch in Eberschwang in Oberösterreich, übernommen. (überlegt) Das werde ich nie vergessen: Beim ersten Besichtigungstermin hatten wir den Betrieb wegen extremen Schneefalls gar nicht erreicht (lacht). Nichtdestotrotz war dieser Kauf sehr wichtig. Die Qualität der Lederbauer-Produkte war hervorragend. Den betriebswirtschaftlichen Bereich haben die Geschäftsführer jedoch vollkommen vernachlässigt. Nachdem wir das in den Griff bekommen hatten, haben wir uns auch in Österreich einen Namen gemacht. Wir sind damit zum Vollsortimenter geworden und konnten alle Rahmenmaterialien, also Holz, Kunststoff und Aluminium, aus einer HAnd anbieten.
Und durch das nagelneue Werk im grenznahen Reichersberg konnten wir 2009 nochmals nachlegen. Seitdem sind wir ständig am Entwickeln, Planen und Forschen. Wir wollen gerüstet sein für die Zukunft.
Klingt alles durchwegs positiv und sehr weitsichtig.
Max Haidl: Das war es aber nicht immer. Im Laufe der Jahre hat es sehr viele Probleme gegeben, die erst einmal gelöst werden mussten. Aber Gott sei Dank vergisst man vieles wieder.
Gehört dazu auch der Generationswechsel? Inzwischen sind ja Ihre Söhne Philipp und Florian mit im Betrieb tätig?
Max Haidl: Der Generationswechsel verläuft ab und zu nicht ganz so einfach, das stimmt schon (lacht). Dass es hin und wieder zu Differenzen kommt, war abzusehen. Ich bin nicht ganz pflegeleicht – und meine Söhne auch nicht. Jeder hat seinen eigenen Kopf. Aber Reibung erzeugt bekanntlich Wärme – und Wärme ist Energie. Inzwischen haben wir uns zusammengerauft. Meine Frau nimmt dabei eine Art Vermittlerrolle ein (lacht). Es wird einem klar: Auch innerhalb einer Firma gibt es eine Evolution.
„Wichtig ist: arbeiten, jeden Tag arbeiten“
Die gesamte Familie Haidl beschäftigt sich also rund um die Uhr mit Fenster, Türen, Aluminium und Holz?
Philipp Haidl: Ja, das kann man so sagen (lacht).
Max Haidl: Wir haben eine 7-Tage-Woche mit jeweils 24 Stunden. Natürlich hat jeder auch mal Urlaub. Und mein Enkel Benedikt beansprucht ebenfalls Zeit (lacht zufrieden). Vergangenes Jahr habe ich außerdem fünf Wochen auf dem Jakobsweg verbracht. Es war seit Jahren mein großer Wunsch, an meinem 60. Geburtstag in der Kathedrale in Santiago de Compostela anzukommen. Solche Auszeiten sind wichtig.
Vom Vier-Mann-Betrieb zum Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern. Was ist das Rezept dieser Erfolgsgeschichte?
Max Haidl: Da gibt’s kein Geheimnis. Wichtig ist: arbeiten, jeden Tag arbeiten – und normal bleiben, nicht abheben. Es gibt Rückschläge – und manchmal auch riesengroße Probleme. Trotzdem darf man nicht aufgeben. Man muss eine gewisse Beständigkeit entwickeln und darf die Ziele, die man sich gesteckt hat, nie aus den Augen verlieren.
Hinzu kommt: Man muss ein Menschenfreund sein, seine Mitarbeiter, Kunden und Geschäftspartner mögen. Schnell geschwungene Schaufenster-Reden mit Aussagen wie „Mitarbeiter sind das wertvollste Kapital“ sind doch ohne jede Grundlage. Sie müssen auch gelebt werden. Bereits meine Oma hat zur mir gesagt: Behandle jeden so, wie Du behandelt werden möchtest. Wichtig ist, den Mitarbeitern Gehör zu schenken. Nur so baut man einen Bezug zu ihnen auf. Nur so erkennt man deren Wünsche und Sorgen – und kann darauf reagieren.
„Die Stimmungslage hat mit der Arbeit zu tun“
Man hört raus: Die Firma Haidl ist durch und durch ein Familienbetrieb. Philipp Haidl: War es ein logischer Schritt, in die Fußstapfen des Vaters zu treten?
Philipp Haidl: Es war von Anfang an klar, wohin mein Weg führen wird. Meinen ersten Ferienjob hier im Betrieb habe ich mit neun Jahren absolviert. Ein kleines Entgegenkommen meines Vaters war damals: Ich durfte um 9 Uhr anfangen – und nicht, wie alle anderen, um 7 Uhr (lacht). So habe ich meinen Vater relativ bald als Firmenchef kennengelernt und erlebt. Mal war er gut drauf, mal weniger gut. Aber man wusste immer: Der Grund seiner jeweiligen Stimmungslage hat mit der Arbeit zu tun. Ich habe mich freilich schon früh für die Abläufe innerhalb des Unternehmens interessiert – wobei ich sie zunächst nie so richtig verstanden habe (lacht).
Später, bei entsprechenden Fortbildungen, habe ich dann schnell realisiert, welch betriebswirtschaftliche Vorbildung ich bereits hatte. Was dort erklärt worden ist, erschien mir plötzlich völlig schlüssig.
Max Haidl: Ich wollte immer, dass keines meiner Kinder von Beruf „Sohn“ wird. Ich habe beide nicht dazu gezwungen, in die Firma einzutreten. Sowohl Florian als auch Philipp haben sich freiwillig dazu entschlossen, ein Teil des Betriebs zu werden.
Der jüngste Meilenstein der Firmengeschichte war der Bau des Haidl-Atriums. Warum haben Sie sich für ein solches Prestigeobjekt entschieden?
Max Haidl: Das Atrium ist schlicht und einfach aus dem frühzeitigen Erkennen des demographischen Wandels heraus entstanden. Als mittelständisches Unternehmen ist unser größtes Kapital der Mitarbeiter. Doch wie schaffe ich es, in der heutigen Zeit ausreichend Personal zu bekommen? Mit gewöhnlicher Werbung ist das nicht mehr möglich. Deshalb haben wir versucht, anderweitig ins Gespräch zu kommen. Gleichzeitig sind wir immer wieder vor dem Problem gestanden, wo wir Veranstaltungen abhalten oder uns mit Lieferanten treffen können. Die Lösung für beide Probleme: das Atrium. Dort finden auch kulturelle Veranstaltungen statt wie zum Beispiel Kabarettabende, Abschluss- und Tanzbälle oder die Arbeits- und Ausbildungsbörse des Landkreises Freyung-Grafenau.
„Ein massiver Preiskampf – billiger geht’s fast nicht mehr“
Themawechsel: Philipp Haidl, Sie sind Geschäftsführer im Holzbaubereich. Warum hat Ihrer Meinung nach die Wertschätzung gegenüber diesem Material in den vergangenen Jahren wieder zugenommen?
Philipp Haidl: Diese Entwicklung ist sehr interessant. Mittlerweile wird jedes dritte Haus aus Holz gebaut. Das liegt vor allem daran, dass viele Leute nicht mehr die Zeit, sich ihr Eigenheim auf klassische Weise, also aus Ziegelstein und Beton, fertigen zu lassen. Im Holzbau gibt es einen sehr hohen Vorfertigungsgrad, das heißt: Wir produzieren vorab viele Teile in der Firma – und können diese dann relativ schnell vor Ort zusammensetzen. Nicht zu unterschätzen ist zudem der inzwischen hohe energetische Standard von Holzhäusern.
Steigt durch die vermehrte Nutzung von Holz auch der Preis für dieses Material?
Philipp Haidl: Ja, ich denke schon, dass die Produkte somit teurer werden. Derzeit herrscht in der Branche ein massiver Preiskampf – billiger geht’s fast nicht mehr. Deshalb ist die logische Konsequenz, dass die Preise für dieses Material auch künftig steigen werden.
Somit ist im Wettbewerb um den Kunden am Ende vor allem die Qualität ausschlaggebend?
Philipp Haidl: Absolut. Aber ich glaube, wir sind auch hier gewappnet. Zweimal im Jahr wird unser Betrieb überprüft und zertifiziert. Ein guter Indikator dafür, dass wir Produkte mit hoher Qualität produzieren.
„Ich wollte ursprünglich eine Sargmanufaktur gründen“
Wie haben sich die einzelnen Sparten der Firma Haidl nach und nach entwickelt?
Max Haidl: Eine Zimmerei, wie sie mein Vater gründete, hatte in erster Linie nichts mit Fenstern oder Türen zu tun. Im handwerklichen Bereich waren wir zunächst sehr regional beschäftigt. Zwar konnten wir Mitte der 80er Jahre bereits einige Baustellen in München akquirieren – eine industrielle Produktion war aber noch in weiter Ferne. Wie bereits erwähnt, wollte ich den Betrieb ummodeln – und so sind wir schließlich bei den Fenstern gelandet. Anfangs stellten wir diese aus Kunststoff her. In diesem Segment war der Vorfertigungsgrad sehr hoch und das finanzielle Risiko somit verhältnismäßig gering. Später sind nach und nach der Aluminium- und der Holzbereich hinzugekommen.
Bereits während des Studiums wusste ich, dass ich irgendwann eine Firma mit 200 Mitarbeitern führen werde. Dass es einmal Fenster und Haustüren werden sollten, habe ich damals aber noch nicht gewusst.
Um in Zukunft bestehen zu können, sind gute Mitarbeiter das A und O. Wie ist es Ihrer Meinung nach um die Qualität der Auszubildenden heutzutage bestellt?
Max Haidl: Aufgrund der bereits angesprochenen indirekten Werbemaßnahmen – wie zum Beispiel durch das Haidl-Atrium – sind wir in der glücklichen Lage, genügend Bewerber zu finden. Anfang der 2000er Jahre hat es eine Phase gegeben, in der sehr viele Schulabgänger in den Arbeitsmarkt gedrängt haben. Es gab mehr Bewerber als Stellen. Inzwischen hat sich die Lage gegenteilig entwickelt – was aber nicht heißt, dass dadurch die Qualität gesunken ist.
„Die allermeisten Leute sind tüchtig, loyal, bodenständig“
Den Fachkräftemangel kann man dennoch nicht verleugnen, oder?
Max Haidl: Nein, absolut nicht. Diesen kann man nicht wegdiskutieren. Der Kampf um die besten Köpfe hat bereits seit einiger Zeit begonnen. Man kann ihn aber durch eine gute Ausbildung relativ gut eingrenzen.
Warum ist der Bayerische Wald dennoch interessant für die Industrie?
Max Haidl: Uns muss klar sein, dass wir den Lebensstandard in Deutschland nicht mehr steigern können. Aber wir können die Lebensqualität verbessern. Und dazu gehört auch ein heimatnaher Arbeitsplatz. Im Bayerischen Wald können wir auf einen phantastischen Menschenschlag zurückgreifen. Die allermeisten Leute hier sind tüchtig, loyal, bodenständig. Genau deswegen ist es als Unternehmer lohnenswert, hier aktiv zu werden.
Wie kann die Politik diesen Aufschwung weiter vorantreiben?
Max Haidl: Das Internet wird wichtiger und muss dringend und schnell ausgebaut werden. Hier sind uns andere Regionen voraus. Die Verkehrsanbindung ist weiterhin ausbaufähig. Die B12 ist genauso überlastet wie die A3, von der Ewigkeitsbaustelle A94 will ich erst gar nicht sprechen. Unsere Absatzmärkte befinden sich aber genau entlang dieser Strecken. Deshalb ist hier die Politik gefordert: Das Straßennetz muss ausgebaut werden, unsere Infrastruktur generell deutlich verbessert werden.
Abschließende Frage: Wo steht die Firma Haidl in zehn Jahren?
Max Haidl: Philipp, das musst Du beantworten (lacht)… Ich möchte, dass die Firma in zehn Jahren auf gesunden Beinen steht – und sich gleichzeitig in einem modernen Zustand wiederfindet. Es wird nicht ausschlaggebend sein, wie viele Gebäude oder Fenster unter meiner Führung gebaut worden sind. Ich werde daran gemessen, wie der Übergang zu meinen Söhnen verlaufen ist. Eins ist dabei klar: Haidl Senior wird da sein, bis er die Augen schließt (lacht).
Philipp Haidl: Unser Ziel ist es, die Firma in allen Bereichen weiterzuentwickeln. Natürlich wird mein Vater ein beratendes Medium bleiben – mein Bruder und ich wollen aber auch unsere eigenen Pläne umsetzen.
Vielen Dank für das Gespräch und alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer