
Kämpferin gegen das eigene Ich: Vivienne Oroszi (17) hat ihren Weg mit der Magersucht in einem Buch verarbeitet.
Freyung. Welchen Sinn hat mein Leben eigentlich? Wo führt das alles hin? Wieso macht mein Kopf das mit mir? Fragen wie diese stellt sie sich immer wieder. Dauernd. Mantrahaft. Gedanken, die ihr keinen Platz mehr für die schönen Dinge im Leben lassen. Die Schönheit der Natur etwa – unsichtbar. Alles schwarz-weiß. Die Liebe zu anderen Menschen oder zu sich selbst – unvorstellbar. Ihr einziger Ausweg: Nichts mehr essen. Gar nichts mehr. Ein Verzicht, der den Körper in Mitleidenschaft zieht. Ihn auszehrt. Absterben lässt. Vivienne Oroszi wiegt bei 1,68 Meter Körpergröße zuletzt 33 Kilo. „Ich hatte gerade noch die Kraft, einfach da zu sitzen und an die Wand zu starren.“ Die damals 14-Jährige hat Magersucht, wird in eine Klinik eingewiesen. Mit enormer Willenskraft kämpft sie gegen ihre Krankheit an – und gewinnt. Über diese Leidensgeschichte hat die Freyungerin nun ein Buch geschrieben. Erste Zeilen hat sie bereits während ihrer Zeit auf der Intensivstation verfasst.
„Ich wollte das schreiben – ich musste nicht“
Der Blick auf den eigenen Leidensweg hat mit dazu beigetragen, dass die heute 17-Jährige das Vergangene leichter verarbeiten konnte. Sie möchte damit aber nicht nur sich selbst helfen, sondern auch anderen Leidensgenossen, die sich in einer ähnlichen Situation befinden, bisher aber nicht darüber reden können – oder wollen. „Ich wollte das schreiben – ich musste nicht“, sagt Vivi Oroszi heute. Nicht nur durch dieses Buch, sondern auch durch viele selbstverfasste Gedichte kann die junge Freyungerin ihre Gefühle, ihre Sorgen, Ängste und Freuden besser ausdrücken. Sie kann das niederschreiben, was ihr auf der Seele liegt. Dinge, die von der allzu kopfgesteuerten wie gefühlsarmen Allgemeinheit meist mit einem verständnislosen Kopfschütteln quittiert werden.

„Man denkt, die ganze Welt hätte sich gegen einen verschworen“, blickt die 17-Jährige auf die Zeit vor der Einweisung in eine Spezialklinik zurück.
„Magersüchtige sind nicht zu dumm zum Essen“, sagt Vivi Oroszi mit einer Vehemenz, die man dem jungen Mädchen auf den ersten Blick gar nicht zutraut. Dass sie aber eine Kämpferin ist, eine, die nicht aufgibt, hat sie in den vergangenen Jahren mehrmals unter Beweis gestellt. Anfang 2013 erkrankte sie an Magersucht – Schwierigkeiten in der Familie sind ihren Aussagen zufolge der Grund dafür. „Im ersten Moment gesteht man sich das freilich nicht ein. Das ist ein Prozess, der dauern kann.“
„Meine Mutter musste mich zwingen, Hilfe anzunehmen“
Anfangs noch nahm die Umwelt – darunter auch ihre Mutter Anita – nicht wahr, welch großen seelischen Belastungen das junge Mädchen ausgesetzt ist. Magersucht (Anorexia Nervosa), in der Gesellschaft immer noch weitestgehend ein Tabuthema, hat nichts damit zu tun, dass man einfach nur „dünn sein will“, wie Vivi Oroszi erklärt. Magersucht ist oftmals die letzte Möglichkeit, um psychische Probleme zu verarbeiten. Die Erkrankten merken dabei nur selten, wie sehr sie sich und ihrem Körper damit schaden. So ist es auch bei Vivi Oroszi. Sie wird immer dünner, ihr fehlt nach und nach die nötige Kraft für alltägliche, aus Sicht gesunder Menschen selbstverständliche Dinge. Ihr Bauch bläht sich in Folge der Unterernährung auf. Mutter Anita Oroszi erinnert sich: „Das ist unbeschreiblich, wenn das eigene Kind kurz vor dem Tod steht.“

Zwar kann die Freyungerin wieder ein halbwegs „normales Leben“ führen, dennoch ist ihr bewusst: „Die Magersucht kann man wohl nie bezwingen.“
Erst im allerletzten Moment macht es bei der Gymnasiastin Klick. Sie gesteht sich ein, dass sie krank ist und ihr geholfen werden muss. „Man denkt, die ganze Welt hätte sich gegen einen verschworen“, erinnert sie sich an die Tage vor der Einweisung in eine Spezialklinik. „Meine Mutter musste mich regelrecht dazu zwingen, Hilfe anzunehmen.“ Die scheinbare Ungerechtigkeit ist jedoch der letzte Ausweg für die Freyungerin.
Unter ärztlicher Aufsicht findet sie schließlich einen Weg zurück ins „normale Leben“. Sie lernt, dass es auch schöne Dinge in ihrem Leben gibt. Und noch viel wichtiger: „Ich habe gemerkt, dass es eine Krankheit ist, für die ich nichts kann. Niemand, der eine Essstörung hat, kann etwas dafür – man will es ja nicht.“ Seit der Entlassung aus der Kinder-und-Jugend-Psychiatrie hat Vivi Oroszi gelernt, bewusster zu leben. Ihr wurde verdeutlicht, welch hohes Gut der eigene Körper ist. Als geheilt gilt sie aber trotzdem nicht.“ Die Magersucht kann man wohl nie bezwingen.“
„Dieses Buch wird vielen Menschen eine große Hilfe sein“
Dass das Leben trotz dieser Krankheit lebenswert ist, das weiß die 17-Jährige inzwischen. Auch wenn sie Feiern jeder Art („Da geht es ja nur ums Essen“) hasst, kann sie inzwischen ihr eigenes Leben schäten. Auch wenn Hunger weiter ein Fremdwort für sie ist, weiß sie, dass sie essen und trinken muss, um zu überleben.
Jene schwierige Zeit hat die 17-Jährige nun für die Nachwelt festgehalten. Dabei herausgekommen ist ein Buch mit mehr als 300 Seiten. Allerdings hat die Schülerin bisher keinen Verleger gefunden, der ihr Werk veröffentlicht. Ihre Mutter Anita Oroszi ist jedoch überzeugt: „Dieses Buch wird vielen Menschen eine große Hilfe sein.“
Helmut Weigerstorfer
–> Menschen, die Hilfe aufgrund einer Magersuchterkrankung benötigen, kann etwa im Ananke-Zentrum für Psychosomatik und Essstörungen weitergeholfen werden.
Hallo,
ich komme aus dem Bayerwald und arbeite mittlerweile in einem Verlag als Lektorin. Gerne kann Vivienne mir einen Auszug aus Ihrem Buch und ein Exposé zuschicken an: karina.woller@web.de
Viele Grüße
Karina
Hallo Karina,
Danke für Deinen Kommentar.
Wir werden das Ganze an Vivienne weitergeben.
Grüße
Helmut
Hallo,
auch unser Verlag hat Interesse. Gerne dürfen Sie uns das Manuskript zum Anschauen senden.
Beste Grüße aus dem Ruhrgebiet.
Manuela Klumpjan
Edition Paashaas Verlag
http://www.verlag-epv.de
Hallo, ich bin mir sicher, dass viele Menschen Interesse daran haben werden. Mich würde es sehr interessierten als Mutter einer ebenfalls betroffenen Tochter.