Philippsreut. Auch wenn der vergangene Winter nicht als überaus kalt in die Geschichtsbücher eingehen wird, musste Bürgermeister Helmut Knaus so einige Male richtig zittern. Zunächst sorgte die Grenzgemeinde mit einer Wasserknappheit für überregionale Schlagzeilen: Erst unmittelbar vor dem Start der Wintersport-Saison konnte mit Hilfe von Fachleuten eine neue Quelle erschlossen werden. Später musste der Philippsreuter Rathaus-Chef die ein oder andere Schicht als Schneepflug-Fahrer übernehmen – aufgrund von Personalnotstand im örtlichen Bauhof. Deshalb soll nun ein neuer Mitarbeiter her. Leichter gesagt als getan. Denn die Grenzgemeinde steht vor finanziell schwierigen Zeiten. Kurz: Der Kommune geht das Geld aus.
Ortstermin in Philippsreut. Helmut Knaus sitzt in seinem Amtszimmer, das er eigenhändig umgestaltet hat. Der handwerklich begabte Bürgermeister hat gleich nach seinem Einzug ins Rathaus einen neuen Boden verlegt, Wände verputzt und einen Holzofen eingebaut. Auch ein neues Schild an der Außenfassade wurde von ihm angebracht. Die weitere Sanierung des Gebäudes, die immer wieder Thema im Gemeinderat ist, ist jedoch vorerst auf Eis gelegt. In seiner gewohnt ruhigen, pragmatischen Art sagt Knaus dazu: „Es gibt schlimmere Sachen. Wir brauchen eben ein Darlehen und müssen uns mit den Investitionen etwas zurückhalten.“ Dass die finanzielle Lage in „Haisan“ angespannt ist, das bestätigt auch Winfried Ilg, Kämmerer der VG Hinterschmiding, der auch für Philippsreut zuständig, auf Hog’n-Nachfrage.
Durch die Wasser-Notsituation sind die Rücklagen aufgebraucht
„Der Verwaltungshaushalt muss so viel Überschuss erwirtschaften, dass neben den Tilgungsverpflichtungen auch noch für Investitionszwecke etwas übrig bleibt“, umschreibt Ilg kurz und bündig das Prinzip der kommunalen Finanzwirtschaft. Abzüglich der 25.000 Euro, die für Kreditleistungen zurückbezahlt werden müssen, stehen ersten Berechnungen zufolge heuer 50.000 Euro für Investitionen zur Verfügung. Dies aber auch nur, weil außertourlich 25.000 Euro durch Umsatzsteuer-Erstattungen verzeichnet werden konnte. Fällt diese Einnahme in den kommenden Jahren weg, halbiert sich also das Investitionsvolumen, wie der Kämmerer erklärt. Da aber demnächst dringend ein Mitarbeiter für den Bauhof eingestellt werden soll und dessen Lohnkosten nicht durch eine Gebührenerhöhung im Wasser- und Abwasserbereich, die im Landkreisvergleich sowieso bereits sehr hoch sind, gedeckt werden können, „ist zu befürchten, dass aus dem laufenden Betrieb nur mehr Tilgungsleistungen erwirtschaftet werden können“.
Heißt: Neben laufenden Projekten wie dem Breitbandausbau, den Bauarbeiten im Feuerwehrhaus Philippsreut und im Bauhof, könnte Bürgermeister Knaus keine weiteren Projekte in Angriff nehmen. Themen wie die dringend erforderliche Sanierung des Rathauses (ehemaliges Zollhaus) müssen somit hintangestellt werden. „Schon bitter. Zumal wir bereits im vergangenen Jahr viele Dinge aus dem Haushalt streichen mussten. Und dann ist auch noch die Sache mit dem Wasser gekommen.“ Rund 180.000 Euro kostete die leidige Suche – samt Bohrungen und Ausbau der Quelle. Ein relativ großer Batzen Geld – wenn man bedenkt, dass der Gesamthaushalt nach Aussagen von Knaus nur rund 780.000 Euro beträgt. Ilg: Durch diese „Notsituation sind die vorhandenen Rücklagen nahezu aufgebraucht“. Besonders schmerzlich: Die Gemeinde Philippsreut ist im vergangenen Jahr nicht mit der gewünschten Stabilisierungshilfe bedacht worden, obwohl man die zusätzlichen Mittel dringend gebraucht hätte.
Sowohl dem Bürgermeister als auch dem Kämmerer ist bewusst, dass es – so hart dies klingen mag – der Gemeinde Philippsreut immer noch zu gut geht, um diese staatliche Unterstützung zu bekommen. „Von 2010 bis 2014 liegt eine freie Finanzspanne vor, das heißt, wir konnten unsere Schulden tilgen und auch kleinere Investitionen tätigen“, erklärt Ilg. Außerdem habe die Gemeinde noch Möglichkeiten der „Einnahmenmehrung“: Zum Beispiel könnten die Hebesätze bei den Realsteuern erhöht werden. Das lehnte der Gemeinderat jedoch ab. Von staatlicher Seite bleibt also lediglich die Investitionspauschale in Höhe von 140.000 Euro jährlich. Diese werde laut Winfried Ilg für Modernisierungs- und Sanierungsmaßnahmen kommunaler Einrichtungen verteilt, wobei für kleinere Gemeinden ein Mindestbetrag vorgesehen ist. „Von diesem und einem sogenannten Demographiezuschlag profitiert Philippsreut. Nach regulärer Berechnung würden wir lediglich 10.000 Euro bekommen.“
„Alternativ bliebe eine Auflösung des Zweckverbandes“
Ein zweischneidiges Schwert, was die Finanzen betrifft, ist hierbei der Zweckverband Wintersportzentrum Mitterfirmiansreut-Philippsreut. Zum einen locken die Skilifte natürlich Touristen und somit Kaufkraft nach Mitterdorf. Zum anderen kostet der Verband – der Landkreis ist mit 75 Prozent beteiligt, die Gemeinde Philippsreut mit 25 Prozent – natürlich auch Geld. Winfried Ilg rechnet vor: Jährlich seien 200.000 Euro fällig, 50.000 Euro davon muss er aus der Haushaltskasse beisteuern. Diese Aufwendungen werden noch bis 2019 durch erbrachte Vermögenswerte (Liftanlagen, Grundstücke) verrechnet. In vier Jahren soll Philippsreut also das Geld dann auch tatsächlich überweisen. Eine weitere Belastung für die ohnehin schon arg in Mittleidenschaft gezogene Kasse. Ilg: „Diese Mittel könnten wir über einen Teilbetrag der Investitionspauschale aufbringen. Alternativ bliebe nur ein Verbandsaustritt und damit eine Auflösung des Zweckverbandes.“ Der Super-Gau für die Gemeinde Philippsreut. Auch wenn der Sommertourismus künftig eine immer größere Rolle spiele, wie Helmut Knaus betont, hat der Wintertourismus in Mitterdorf freilich oberste Pirorität.
Welche Auswege gibt es also? Wie könnte die Gemeinde Philippsreut die Einnahmen erhöhen und/oder die Ausgaben reduzieren? „Die künftige finanzielle Lage der Gemeinde Philippsreut wird in starkem Maße von der demographischen Entwicklung beeinflusst“, sagt Kämmerer Ilg dazu. 13,92 Prozent der Einwohner (in Zahlen: 93) hat die Kommune im Zeitraum 2003 bis 2014 verloren. Prognosen zufolge soll 2028 erstmals die 600-Einwohner-Marke unterschritten werden. Zudem ist bis 2025 der Wegfall der Nebenwohnsitze bei der Berechnung der Schlüsselzuweisung beschlossene Sache. Heißt: Bei kostenrechnenden Einrichtungen wie der Wasserversorgung oder der Abwasserbeseitigung werden die Abnehmer zurückgehen, die Kosten aber gleich bleiben. „Die Einsparmöglichkeiten sind relativ bescheiden, weil mehr oder weniger sowieso nur die Pflichtaufgaben erfüllt werden“, macht Winfried Ilg deutlich. „Es könnte allenfalls noch an der Steuerschraube gedreht werden.“
Knaus: „… nur noch damit beschäftigt, Schulden abzubauen“
Kann eine Kommune überhaupt zahlungsunfähig sein? Gibt es eine Gemeinde-Insolvenz? Landkreis-Sprecher Karl Matschiner erklärt auf Hog’n-Nachfrage, dass nach Art. 77 Bayerische Gemeindeverordnung (GO) kein Insolvenzverfahren für Kommunen stattfinden kann. „Kommunale Selbstkontrolle, Bindung an die engen Regeln der Haushaltswirtschaft, Rechtsaufsicht und überörtliche Rechnungsprüfung verhindern das. Diese Instrumente sorgen dafür, dass eine Überschuldung oder eine Zahlungsunfähigkeit gar nicht erst eintreten kann.“ Bürgermeister Knaus dazu: „Dann steht alles still. Dann sind wir nur noch damit beschäftigt, die Schulden wieder abzubauen.“
Gerät eine Kommune in finanzielle Schieflage, sei es den Aussagen Matschiners zufolge gesetzlich nicht vorgesehen, dass der Landkreis in die Bresche springt. „Unter Umständen hätte man aber Anspruch auf eine Bedarfszuweisung des Landes Bayern nach Art. 11 Finanzausgleichsgesetz (FAG).“ Eine generelle Einschätzung der Lage in Philippsreut sei, wie es aus dem Landratsamt heißt, derzeit noch nicht möglich, weil der Haushalt 2016 noch nicht vorliege.
Helmut Weigerstorfer
Da sieht man wieder einmal, wo unprofesssionale Politik und Kirchturmdenken hinführt.
1. In der Wasserversorgung wird so lange nichts unternommen, bis es nicht mehr anders geht und eine Katastrophe bevorsteht.
2. Amtszimmer. Obwohl die Gemeinde Mitglied einer Verwaltungsgemeinschaft ist, leistet sie sich offensichtlich weiterhin den Luxus eines eigenen Rathauses (für 600 Einwohner).
3. Bauarbeiten im Feuerwehrhaus: Für die Feuerwehr ist anscheinend immer Geld da. War die Maßnahme wirklich notwendig?
4. Keine Stabilisierungshilfe. Tja, die gibt es halt nur, wenn die Gemeinde auch bereit ist zu sparen und die eigenen Einnahmemöglichkeiten zu nutzen. „Das lehnte der Gemeinderat jedoch ab.“
5. Zweckverband / Liftanlagen: Da buttert die Gemeinde jährlich also freiwillig 25.000 Euro in diesen Zweckverband. Warum eigentlich? Und gleichzeitig wird behauptet, die Gemeinde erfülle nur ihre Pflichtaufgaben. So ein kommunaler Defizitbetrieb muss privatisiert werden. Private Liftbetreiber machen Gewinn und zahlen sogar noch Gewerbesteuer. Vermutlich ist auch der Fremdenverkehrsbeitrag und Kurbeitrag zu gering bemessen.
6. Haushaltsrechtliche Inkompetenz? Wenn der Bürgermeister sagt „Dann sind wir nur noch damit beschäftigt, die Schulden wieder abzubauen.“ dann wird nicht erkannt, dass Schulden im Widerspruch zum kommunalen Haushaltsrecht angehäuft wurden. Und hat auch die Rechtsaufsicht versagt? Normal darf es gar nicht so weit kommen.
7. Verdrängen der Problematik: Man will sich als Bürgermeister offensichtlich gar nicht mit der Thematik befassen, sondern jammert nur der Presse vor, obwohl man selbst verantwortlich ist. Gesetzliche Pflicht wäre es gewesen, den Haushalt 2016 spätestens bis zum 30.11.2015 aufstellen. Aber das juckt weder den Bürgermeister noch das Landratsamt ….
Arm war…..
die Region ja schon immer. Wenig brauchbare Landwirtschaft, so gut wie keine Industrie- oder Handwerksansiedlungen so nah an der lange Jahre isoliert liegenden Grenzregion. Dazu die Abwanderung der Jungen logischerweise in die Nähe ihrer Arbeitsplätze, dazu die weiten Wege in die Zentren. Wen wunderts, dass die kleine Gemeinde da so desolat dasteht? Um so mehr ein Grund, dass die besser gestellten Kommunen in Bayern ähnlich einem bundesweit üblichen Länderfinanzausgleich endlich den ärmeren oder benachteiligten Gemeinden mehr helfen sollten. Mir fallen da spontan Regionen wie Regensburg, Deggendorf, Ingolstadt, Passau, Dingolfing ein, die sich da wesentlich leichter tun. Es war Geld da, es in den Sumpf „Neue Bundesländer“ zu pumpen mit manchmal zweifelhaftem Erfolg! Warum bitte ist kein Geld da, in den wirklich armen Regionen im Westen zu helfen?