Prag/Wien. Eine Filmstudentin, ein Bühnenbildner und ein Alt-Philologe haben einen Film gemacht. Herausgekommen ist dabei ein „experimentelles Sandalen-, Liebes- und Actionroadmovie, angesiedelt im Alten Griechenland“. In Tschechien feiert „Menandros und Thaïs“ Ende April seine Kinopremiere. Nach Österreich kommt der Film im Juni. Ob und wann er auch in deutschen Kinos zu sehen sein wird, steht momentan noch nicht fest. Der Trailer zum Film (siehe unten) ist jedenfalls schon mal sehr beeindruckend.

Produzentin Anna Tydlitátová: „Ich bin stolz darauf, einen experimentellen Film produziert und den Markt nicht mit einem weiteren netten tschechischen Film bedient zu haben.“ Screenshots: www.menandros.cz
Anna Tydlitátová lässt sich nur unter einer Bedingung interviewen: Die 24-jährige Produzentin des neuen Spielfilms „Menandros und Thaïs“, die wie nebenbei noch ein Masterstudium an der renommierten Prager Filmhochschule FAMU absolviert, will ein paar Worte zur aktuellen politischen Situation in Tschechien loswerden. „Ich schäme mich für die Flüchtlingspolitik unserer Regierung. Ich hoffe, dass ich als Filmstudentin und junge Filmemacherin einen Beitrag leisten kann, um die Schutzsuchenden, die hier gelandet sind, nach Kräften zu unterstützen.“
Die Provokation liegt Anna Tydlitátová. Mit dem Format, das sie und ihr Team für ihr erstes großes Filmprojekt gewählt haben, bricht sie mit bekannten filmischen Mitteln und Konventionen. „Nicht jedem gefällt unser Film. Darüber freue ich mich. Ich bin stolz darauf, einen experimentellen Film produziert und den Markt nicht mit einem weiteren netten tschechischen Film bedient zu haben.“
Roman-Adaption nach Ondřej Cikan
„Menandros und Thaïs“ ist eine Adaption des gleichnamigen Romans des österreichischen Schriftstellers, Gräzisisten und Übersetzers Ondřej Cikan, der gleichzeitig Co-Regisseur und Drehbuchautor der Verfilmung ist. Der Film beginnt zunächst – so will es die Vorlage – wie eine klassisch-griechische Tragödie: Thaïs wird während ihrer Hochzeit mit Menandros von Piraten entführt. Der Bräutigam begibt sich sogleich auf eine abenteuerliche Odyssee mit fantastischen Hindernissen.
Bombastische Bilder beinhaltet der Trailer zum Film „Menandros und Thaïs“:
Doch damit hat es sich auch schon mit den Bezügen zu den klassischen Dramen der griechischen Antike. Menandros mutiert auf seiner Suche nach Thaïs zum blutrünstigen Monster, seinem Pferd wachsen Flügel und eine Hexe verspricht ihn einer anderen Frau. Ob am Ende des Films ein Happy End steht, wird an dieser Stelle freilich nicht verraten. „Der Roman ist natürlich noch bombastischer, was die Beschreibungen angeht. Vor allem die Schlachten sind dort größer dargestellt. Und natürlich unterscheiden sich die Bilder im Film von denen im Roman“, sagt Ondřej Cikan. Szenen, die im Buch in der Wüste spielen, wurden beispielsweise auf einer großen Betonfläche gedreht. Trotzdem glaubt Cikan, „dass die Bilder im Film dieselben Gefühle hervorrufen können wie der Roman“.
Musikalische Bezüge zu Western und Pulp Fiction
Mit der Verfilmung seines Romans geht für den 30-jährigen Schriftsteller ein kleiner Traum in Erfüllung. „Ich habe mir schon immer gewünscht, einmal Filmmusik zu meinem Roman komponiert zu bekommen.“ Diese hat Hans Wagner beigesteuert. Der junge, in Wien lebender Komponist hat einen Soundtrack komponiert, den Cikan als „ein bisschen westernmäßig, ein bisschen abgedreht und im Stil der Musik von Pulp Fiction“ beschreibt. Überhaupt habe man sich beim Dreh von den „Spaghetti-Western“ der sechziger und siebziger Jahre inspirieren lassen, sagt Anna Tydlitátová.

Anna Tydlitátová und Ondrej Cikan (rechts) im Gespräch mit Štefan Uhrík, dem Programmdirektor des Febiofestes, bei der Premiere.
„Wir haben versucht, einen möglichst publikumswirksamen Film zu machen“, teilt Cikan mit. „Allerdings passt dieser besonders gut zu einem Publikum, das bereit ist, sich auf einen experimentellen Zugang einzulassen.“ Auch Anna Tydlitátová spricht von einem Experiment: „Wir haben mit professionellen, teilweise bekannten Schauspielern gearbeitet, hatten eine hervorragende Kamera und einen guten Schnitt. Doch dann ist da diese absurde Handlung. Die Parameter scheinen nicht zu stimmen. Das macht unseren Film innovativ.“
Statisten wurden spontan gesucht
Positives Feedback hat das Filmteam, in dem kaum jemand älter als 30 Jahre ist, schon während der Dreharbeiten bekommen. Fördermittel erhielt der Film unter anderem vom Tschechischen Filmfonds und von der unabhängigen Produktionsfirma Nutprodukce, bei der Anna Tydlitátová mittlerweile Junior-Produzentin ist. Knapp war das Geld trotzdem immer: Nicht nur die Kostüme, auch die Reisen zu den 58 Drehorten waren kostspielig.
Statisten wurden deshalb erst spontan und direkt am Drehort organisiert. Insbesondere bei den neun Shootings in den Alpen habe dies hervorragend funktioniert. „Am Vorabend unseres Drehs sind wir durch die Dorfkneipen der nächstgelegenen Orte gezogen und haben alle Leute, die uns dort begegnet sind, gefragt, ob sie gern als Statisten in unserem Film auftreten wollen“, erzählt die Produzentin. Die Bereitschaft freiwilligen Mitmachens sei dabei groß gewesen. „Wir hatten am Ende immer lustige Konstellationen“, erinnert sich Tydlitátová lachend. „Einmal kam plötzlich eine Gruppe Husaren auf Motorrädern an unseren Drehort. Eine Gruppe von Männern um die 60, die gern als Statisten mitmachen wollten – mit ihren eigenen Kostümen und Hüten! Da haben wir natürlich gleich Ja gesagt. Und obwohl wir die Szene am Ende leider rausschneiden mussten, haben wir die Gruppe in unserer Danksagung im Film erwähnt.“
„Viel Geduld notwendig, um Grenzen zu überwinden“
Geld war auch der Grund, warum die Produktion des Spielfilms vier Jahre in Anspruch genommen hat. „Außerdem waren die Mitglieder unseres Teams in aller Welt zerstreut. Zum Schluss segelten sogar verschiedene Versionen, die noch bearbeitet werden mussten, durch die Weiten des Internets.“ Regisseure, Produzentin, Komponist, Cutter und Technik waren unter anderem in Prag, Wien, Großbritannien und Deutschland stationiert. „Es war viel Geduld erforderlich, um ein paar Grenzen in diesem Projekt zu überwinden“, sagt Tydlitátová.
Dass dabei am Ende ein 129-minütiger Spielfilm entstanden ist, der von der Jury des wichtigsten Prager Filmfestivals „Febiofest“ ausgewählt wurde und ab April bzw. Juni auch in tschechischen und österreichischen Kinos läuft, sei der „gemeinsamen Begeisterung für die Sache“ zu verdanken, die die Crew über die gesamte Produktionszeit empfunden habe, ist Cikan überzeugt. „Ich glaube, am Ende hat es uns allen gut getan, dass wir gar keine große Erfahrung mit dem Filmemachen haben. Wir wussten, dass es vollkommen sinnlos wäre, bei einer Produktionsfirma anzuklopfen – und haben deshalb alles selbst und mit privaten Sponsoren auf die Beine gestellt. So kam eine Crew zustande, die freiwillig zusammengearbeitet hat – und nicht wild von einer Produktionsfirma zusammengewürfelt war. Wir waren alle gleichermaßen begeistert und wollten das Projekt zu Ende bringen.“
Isabelle Daniel
Vorführungen:
- Prag: täglich 28.4. bis 4.5. 2016, Kino Pilotů, Donská 19, Praha 10
- Wien: 2.6. und täglich 4.6. bis 8.6. 2016, Burgkino, Opernring 19, 1010 Wien