Viechtach. Der Viechtacher Rudolf Schmid ist ein ebenso eigenwilliger wie einzigartiger Künstler. Um seine beispiellose Glaskunst zu betrachten, reisen Menschen von weit her in den Bayerischen Wald. Den Erfolg hat der „König von Rauhbühl“ nicht nur seinem großen Talent zu verdanken, sondern auch einer Eigenschaft, die manch Außenstehender wohl als Sturheit bezeichnen würde. In einfachsten Verhältnissen aufgewachsen, hat sich der gebürtige Deggendorfer mit viel Eigeninitiative und über einige berufliche Umwege sein persönliches Glück erkämpft. Die Gläserne Scheune am Viechtacher Stadtrand ist das Lebenswerk des 78-Jährigen.
Das Etikett „Vom Tellerwäsche zum Millionär“ würde der Lebensgeschichte von Rudolf Schmid wahrlich nicht gerecht werden. Zum einen war der 78-Jährige nämlich nie Tellerwäscher, zum anderen ist und war er zu keinem Zeitpunkt seines Lebens Millionär. Und doch könnte man seine Vita – zumindest im übertragenen Sinne – irgendwie doch mit dem oft so plakativ verwendeten Sprichwort bilanzieren.
Ein lange von Entbehrung und Armut geprägtes Leben
Einfachsten Verhältnissen entstammend und unter widrigen Voraussetzungen aufgewachsen, hat Rudolf Schmid sich über die Jahrzehnte hinweg sein überregionales Renommee erarbeitet. Seit 1980 lebt und arbeitet er in Rauhbühl, einem kleinen Ortsteil der Stadt Viechtach. Bis auf Wälder und Wiesen gibt es dort nur sehr wenig zu bestaunen – wäre da nicht die Gläserne Scheune, Schmids Lebenswerk. 36 Jahre gibt es die mittlerweile schon – von ihrer Anziehungskraft hat sie bis heute nichts verloren.
Interessierte aus Nah und Fern besuchen die etwas andere Galerie in der grünen Idylle. „Der König von Rauhbühl“, wie Schmids Tochter und Autorin Barbara Thöner ihren Vater in der gleichnamigen Biografie nennt, stellt dort seine Glasmalereien aus, die nicht nur künstlerisch beeindruckend sind. In jedem seiner Werke erzählt Schmid eine Geschichte – meistens aus dem Bereich der Fabeln und mystischen Erzählungen.
Um Schmids Antrieb und Wirken zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf seine Lebensgeschichte. Der heute 78-Jährige war lange Zeit nicht gerade vom Glück geküsst – im Gegenteil. Schmid wuchs mit neun Geschwistern in bitterer Armut auf. Sein Vater kämpfte, wie damals fast jeder andere erwachsene Mann, im Zweiten Weltkrieg und verbrachte nach 1945 zudem einige Jahre in Gefangenschaft. Um ihre zehn Kinder irgendwie über Wasser zu halten, arbeitete die Mutter zu jener Zeit in mehreren Haushalten als Putzfrau. Zum Überleben reichte dies aber oft nicht. So verbrachten Rudolf Schmid und seine Geschwister die Tage mit Betteln. Oft zog die ganze Familie zu Fuß quer durch den Gäuboden, um bei den Großbauern um Nahrungsmittel zu flehen – immer angetrieben von der unerbittlichen Willenskraft ihrer Mutter, auch diese schweren Zeiten zu überstehen.
„Solange Geld ins Haus kam, war mir jede Arbeit recht“
Rudolf Schmid hat seine Kindheit zwei Erkenntnisse gelehrt. Erstens: Nie wieder will er in die finanzielle Lage kommen, betteln zu müssen. Zweitens: Mit der unbändigen Willenskraft, die seine Mutter an den Tag legte, kann man allen Widrigkeiten und Rückschlägen trotzen. Das hat er im Laufe seines Lebens selbst erfahren.
Trotz der finanziell prekären Lage konnte Rudolf Schmid 1952 eine Ausbildung zum Glasmaler beginnen, die er dreieinhalb Jahre später erfolgreich abschloss. Die Zeit, die danach folgte, kann mit Fug und Recht als „unruhig“ bezeichnet werden. Von 1957 an verbrachte der Glasmaler die folgenden elf Jahre in 17 verschiedenen Betrieben. Einige dieser Stationen brach er nach wenigen Wochen wieder ab, weil er sich partout nicht mit seinen Vorgesetzten arrangieren wollte. Dabei arbeitete er bei weitem nicht nur als Glasmaler. Wenn der Arbeitsmarkt einmal wieder nichts Besseres hergab, musste eben ein Job als Handlanger am Bau herhalten. „Solange Geld damit ins Haus kam, war mir jede Arbeit recht“, blickt Schmid heute zurück. Im Nachhinein betrachtet war aber wohl auch diese unruhige Zeit Teil des Schicksals, das Rudolf Schmid mittlerweile zu einem rundum zufriedenen Menschen gemacht hat.
Hätte es ihn 1959 nicht beruflich ins oberpfälzische Weiden verschlagen, hätte er wohl nie seine Ehefrau Margarete (er nennt sie „Gretl“) kennengelernt. In diesem Jahr feiern die beiden ihren 57. Hochzeitstag – und sie sind immer noch ein Herz und eine Seele. Bis zur Eröffnung der Gläsernen Scheune vergingen noch viele Jahre, in denen die alsbald fünfköpfige Familie (zwei Söhne und eine Tochter, die übrigens ebenfalls alle den Beruf des Glasmalers erlernt haben) den ein oder anderen finanziellen Engpass zu überwinden hatte. Mit Rudolfs unbedingtem Willen und Margaretes Nachsichtigkeit überstand die Familie aber auch diese Zeiten.
… legte Reinhard seinem Vater 12.000 D-Mark auf den Tisch
Nachdem die Familie in den 70er Jahren einige Zeit in Lammerbach (ebenso ein kleiner Stadtteil Viechtachs) verbrachte und dort bereits eine kleine Galerie betrieb, zogen die Schmids 1977 nach Rauhbühl, wo sie zu günstigen Konditionen einen alten Bauernhof erwerben konnten. Doch auch hier plagten Rudolf und seine Gretl zunächst Geldsorgen, weswegen sich die Idee der Gläsernen Scheune, die bereits damals im Kopf des Künstlers herumschwebte, zunächst hintanstellen musste. „Wir haben erstmal alles gemacht, was nichts kostet“, berichtet Rudolf Schmid von den ersten drei Jahren in Rauhbühl. So brachte die Familie in Eigenarbeit zunächst den Bauernhof auf Vordermann.
Seinem Sohn Reinhard hatte es Rudolf Schmid letztendlich zu verdanken, dass er 1980 mit den Arbeiten an der Gläsernen Scheune beginnen konnte. Der hatte nämlich seinen Dienst bei der Marine angetreten, wo er bald schon gutes Geld verdiente. Als er eines Tages auf Heimatbesuch in Rauhbühl weilte, legte Reinhard seinem Vater 12.000 D-Mark auf den Tisch – und setzte so den Grundstein für das Projekt.
Seitdem hat die Familie Schmid viel Geld und Arbeit in die Gläserne Scheune investiert. Immer, wenn der Geldbeutel es erlaubt, baut Rudolf Schmid unter großer Mithilfe seiner Frau und den Kindern das Gebäude um oder aus. Die Untätigkeit ist ohnehin nicht die Lieblingsbeschäftigung des Glaskünstlers. Oft heißt es sprichwörtlich, dass Kreativschaffende darauf warten würden, von der Muse geküsst zu werden. Daraus macht sich der 78-Jährige jedoch nicht viel: Er geht die Dinge an, wie es seinem Naturell entspricht: „Ich zwinge die Muse, mich zu küssen.“
Alexander Augustin
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Um Rudolf Schmids Lebensgeschichte in all ihrer Gänze und Anekdotenfülle gerecht zu werden, wären freilich noch viel mehr Worte nötig. Weil man mit der Lebensgeschichte des Künstlers ganze Bücher füllen könnte, hat seine Tochter Barbara Thöner dies getan. Die von ihr verfasste Biografie „Der König von Rauhbühl“ ist eine Hommage an ihren Vater. Hier gibt es sie zu kaufen: