Freyung. Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Unmittelbar nachdem das Stadtratsgremium über Tagesordnungspunkt 8 abgestimmt hatte, verließ Josef Gais den Sitzungssaal im Freyunger Kurhaus. Seine zuvor geplante Aktion, gemeinsam mit weiteren B12-Kreisel-Befürwortern eine aus 17 DIN-A4-Seiten bestehende Papierrolle, auf der zahlreiche Kommentare gegen die von den politischen Entscheidungsträgern bevorzugte „8er-Knoten“-Lösung geschrieben standen, im Foyer medienwirksam auszubreiten und so dem Protest weiteren Ausdruck zu verleihen, war gestorben. Doch aufgeben will er nicht – auch wenn sein offener Brief im Stadtratsgremium von keinem der Volksvertreter auch nur mit einem Wort erwähnt wurde.

Blick auf den Kreuzungsbereich in Freyung-Ort. „Der Stadtrat beschließt mit 15:5 Stimmen, die vorliegende Straßenplanung in das laufende Verfahren des Bebauungsplans Gewerbegebiet Ort mit aufzunehmen.“
„Gewerbegebiet Ort, Ausbau Kreuzungsbereich – Beantwortung der Fragen des Gremiums; Beschluss“ war auf der Tagesordnung zu lesen. Letzterer lautete am Ende: „Der Stadtrat beschließt mit 15:5 Stimmen, die vorliegende Straßenplanung in das laufende Verfahren des Bebauungsplans Gewerbegebiet Ort mit aufzunehmen.“ Mit „vorliegender Straßenplanung“ ist die von der Obersten Baubehörde gewünschte und vom Großteil der örtlichen Politik favorisierte 8er-Knoten-Lösung (mit Brücke) gemeint. Der Stadtrat hat somit Baurecht geschaffen und sich für eine zügige Umbaumaßnahme des Unfallschwerpunkts „Ort’ler Kreuzung“ ausgesprochen.
Keine Entscheidung über die Form der künftigen Variante
Die Oberste Baubehörde im Bayerischen Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr habe „die vielen Fragen, die im Rahmen einer Informationsveranstaltung und des Stadtrats gesammelt wurden, zu beantworten versucht“, leitete Bürgermeister Dr. Olaf Heinrich den 8. Tagesordnungspunkt ein. Er zollte zunächst denjenigen Respekt, die sich an der (teils sehr emotional geführten) Knoten-Kreisel-Diskussion beteiligt und sich in den vergangenen Wochen für ihre Ziele öffentlich eingesetzt hatten.
Heinrich betonte dabei, dass das Gremium an diesem Montagabend nicht darüber zu entscheiden habe, ob der Kreuzungsbereich Freyung-Ort künftig in Form eines Kreisels oder eines 8er-Brücken-Knotens realisiert werden solle. Dies sei ohnehin nie in der Macht des Freyunger Stadtrats gestanden, da das letztliche Entscheidungsrecht auf Seiten des Staatlichen Bauamts und der Obersten Baubehörde liege. Vielmehr habe man darüber zu entscheiden, ob die von der Obersten Baubehörde ausgewählte Variante in den von der Stadt Freyung aufgestellten Bebauungsplan „Gewerbegebiet Ort“ miteinfließen solle – oder ob die Angelegenheit alternativ im Rahmen eines Planfeststellungsverfahrens behandelt werden soll. Letzteres, so Heinrich, würde aufgrund des Aufwands eine größere Zeitverzögerung nach sich ziehen. Zudem hätte die Kommune dann – im Gegensatz zur Bebauungsplanintegration – überhaupt keinen Einfluss mehr auf das weitere Vorgehen im Kreuzungsbereich Freyung-Ort.
Allen Planungen sei ein „intensives Bemühen“ um eine für alle Seiten annehmbare Lösung vorausgegangen. Das regionale Planungsbüro Wolf habe mehrere Varianten eines Kreuzungsumbaus untersucht. Es gehe um eine rechtlich machbare und schnell umsetzbare Lösung, schilderte Heinrich, um den Unfallschwerpunkt an dieser Stelle zu entschärfen. Anforderungen, die mit der vorliegenden und der Obersten Baubehörde abgestimmten Planungen erreicht würden. „Alles entspricht den geltenden Regeln und ich gehe davon aus, dass uns niemand in der Behörde die Unwahrheit sagt“, bekräftigte der Freyunger Rathaus-Chef.
Renate Ruhland (ödp): „Wir kritisieren die Vorschriften“
Zwei von den fünf Stimmen gegen diesen Beschluss kamen von Seiten der ödp. Fraktionsvorsitzende Renate Ruhland erklärte dem Gremium, dass die jetzt anstehende Entscheidung über den kreuzungsfreien Ausbau der Einmündung der Straße bei Ort in die Bundesstraße 12 nicht einfach gewesen sei. „Wir von der ödp haben uns ja zusammen mit dem gesamten Stadtrat seinerzeit einstimmig für den Bau eines Kreisels ausgesprochen. Dies war im September 2014.“ Die nun beabsichtigte Brücken-Kreisel-Variante ermögliche einerseits einen schnellen Durchgangsverkehr, andererseits stelle sie eine insgesamt übersichtliche Lösung für ein- und abbiegende Verkehrsteilnehmer dar. „Insofern ist dies in unseren Augen zwar eine pragmatische Lösung, sie entspricht jedoch nach wie vor nicht unseren Idealvorstellungen. Sie ist aufwendiger, kostet mehr und benötigt mehr Fläche als ein Kreisel“, so Ruhland.
„Wir finden es in Ordnung, wenn man um die bestmögliche Lösung ringt. Jedoch muss man dabei auch erkennen, dass es bestimmte Vorgaben aus dem Bundesverkehrsministerium gibt, was die Einstufung von Bundesfernstraßen sowie deren Bedeutung betrifft. Und auch was den Bau von Kreiseln auf derartigen Verbindungsmagistralen angeht“, erklärt ödp-Sprecherin Ruhland weiter. „Und hier setzt unsere Kritik an. Wir kritisieren nicht, dass sich Baubehörden und Bürgermeister an geltende Vorschriften halten, sondern wir kritisieren diese Vorschriften.“
Die Ablehnung der Brückenvariante solle als Protest dagegen verstanden werden, dass am „grünen Tisch“ Entscheidungen getroffen werden, „die keine Flexibilität zulassen, die Verantwortlichen knebeln und dem Bürgerwillen oftmals widersprechen“.
Maria Degner (BGStuL): „Mit etwas gutem Willen…“
„Die jetzt vorgelegte Kreuzungsvariante hat uns sehr überrascht und dieser von der Obersten Baubehörde favorisierte Ausbau entspricht in keiner Weise der von uns gewollten Kreuzungsregelung in Form eines ganz normalen Kreisverkehrs“, sprach sich auch Stadträtin Maria Degner im Namen ihrer Fraktion BGStuL (mit Ausnahme von zweiten Bürgermeister Alexander Muthmann) klar gegen die aktuell vorgeschlagene Brücken-Lösung aus. Es müsse nicht immer alles noch schneller und noch optimierter im Straßenverkehr ablaufen. „Entschleunigung“ in Form eines Kreisels habe ihrer Meinung nach auch sein Gutes. „Entschleunigung heißt auch: weniger Baukosten, weniger Umweltzerstörung, weniger Schadstoffausstoß, weniger Folgekosten…“ Sie und ihre Fraktionskollegen mahnten zudem an, dass für landwirtschaftliche Fahrzeuge ein eigenes, neues Wegenetz benötigt werde, da diese aufgrund der Einstufung der B12 als Straßenverbindung zwischen den beiden Oberzentren Passau und Prag (Verbindungsfunktionsstufe 1) nicht befugt seien, die Bundesstraße zu nutzen. „Auch uns ist klar, dass die Baubehörde am längeren Hebel sitzt und die Entscheidungen dort getroffen werden. Wir meinen aber, dass mit etwas gutem Willen die zuständige oberste Baubehörde auch einem einfachen Kreisverkehr hätte zustimmen können.“
Alexander Muthmann (BGStuL): „Einzig vernünftige Alternative“
Zweiter Bürgermeister Alexander Muthmann sah sich als „Ausscherer“ dazu veranlasst, seinen Schritt dem Gremium zu erläutern. Zwar hätte auch er sich gerne für einen Kreisel ausgesprochen, doch sehe er nach der Einschätzung der Obersten Baubehörde keine Möglichkeit, dass dieser realisiert werden könne. „Sodass die einzig vernünftige Alternative ist, das, was die Baubehörde vorschlägt, anzunehmen – oder weiterhin zu beraten mit ungewissen Ausgang.“ Muthmanns Entscheidung also frei nach dem Motto: Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach. Aus seiner Sicht seien die Argumente für einen 8er-Knoten nachvollziehbar. „Zügig“ müsse es vorangehen – und diese funktioniere seiner Meinung nach nur mit der Brückenvariante.
Lothar Dumm (Junge Wähler-Union) sieht die Sache ähnlich. „Die jetzige Lösung ist die vernünftigste. Wir können nicht mehr länger warten.“ Aus seiner Sicht sei diejenige Lösung die beste, die am schnellsten umgesetzt werden könne.
Josef Gais: „Unsere Argumente interessieren ohnehin niemanden“
„Ich bin sehr enttäuscht, weil mein offener Brief, den alle Stadträte bekommen haben und der in der Zeitung gestanden ist, überhaupt nicht erwähnt wurde“, äußert sich Petitions-Initiator Josef Gais einen Tag nach der Stadtratssitzung gegenüber dem Onlinemagazin da Hog’n. „Inhaltlich haben sich die fünf Stadtratsmitglieder, die gegen den Beschluss gestimmt haben, offensichtlich mit meinem Brief zwar beschäftigt und dann auch eine aus meiner Sicht positive Stellungnahme abgegeben. Aber explizit erwähnt hat ihn dennoch keiner – weder Bürgermeister Heinrich noch Alexander Muthmann. Als wenn es ihn gar nicht gegeben hätte.“
Gerade Muthmanns Argumente könne er nur schwer nachvollziehen. „Eigentlich ist das ja pervers. Sie wollen eine schnelle Lösung, entscheiden sich dann aber für den 8er-Knoten. Der Kreisel wäre in zwei Monaten gebaut – der 8er-Knoten in zwei Jahren. Aber unsere Argumente interessieren ohnehin niemanden.“ Er habe den Stadtratsmitgliedern in seinem offenen Brief angeboten, sie über seine Sichtweisen und Pläne nochmals persönlich zu informieren, doch darauf habe niemand reagiert. „Darauf geht keiner ein.“
Gais ist nach wie vor der Meinung, dass man eine Kreisellösung umsetzen könne. „Wenn der 50-Meter-Kreisel, den ich vorgeschlagen habe, genau dort hinkommt, wo jetzt die Kreuzungseinfahrt ist und ohnehin bereits alles geteert und versiegelt ist, garantiere ich, dass keine 500 Quadratmeter zusätzlicher Fläche mehr versiegelt werden müssten.“
Petition soll in zwei, drei Monaten im Landtag behandelt werden
Danach gefragt, wie es nun weitergehen soll, antwortet der 72-Jährige aus Freyung-Ort: „Jetzt müssen wir erst mal abwarten, was die beim bayerischen Landtag eingereichte Petition bringt.“ Diese Petition, die ebenfalls keine Erwähnung in der Sitzung fand, werde erst „in zwei, drei Monaten“ behandelt, wie eine Sprecherin des Landtags auf Hog’n-Nachfrage mitteilt. Eine Stellungnahme von der Staatsregierung werde hierzu angefordert. Die parallel von Gais und seinen Mitstreitern gestartete Online-Petition „Kreisel statt Knoten“, die mittlerweile mehr als 1.200 Unterstützer hat (Stand: 15. März 2016), „sollte in erster Linie die öffentliche Aufmerksamkeit auf mein Anliegen lenken“.
Zudem stehe noch eine Antwort von Staatsminister Helmut Brunner aus, dem Gais um Hilfe gebeten und alle nötigen Infos zugesandt habe. „Er hat mir zugesichtert, dass er sich um die Angelegenheit kümmern will – er kann mir jedoch nichts versprechen.“ Obendrein hoffe Gais auf die weitere Unterstützung von Professor Dr. Hubert Weiger vom BUND Naturschutz, von MdL Rosi Steinberger und MdB Rita Hagl-Kehl, die eine Info-Veranstaltung zum Thema in Freyung Ende März geplant hat (31.03., Gasthaus Brodinger, Beginn: 19 Uhr).
Stephan Hörhammer
- offener Brief von 8er-Knoten-Gegner Josef Gais an den Freyunger Stadtrat und die Medien
- im Rahmen der Online-Petition „Kreisel statt Knoten“ gesammelte Kommentare pro Kreisel/contra 8er-Knoten
- Beantwortung des Fragenkatalogs zur neuen Verkehrsführung B12/Ort durch die Oberste Baubehörde
- Anfrage MdL Rosi Steinberger an den Bayerischen Landtag
- Pressemitteilung Rosi Steinberger: „Zwei Minuten Fahrzeit entscheiden über Zig-Millionen Zusatzkosten – kann das richtig sein?“
- „Kreisel statt Knoten“: Online-Petition geht auf Stimmenfang
- Knoten-Gegner Josef Gais: „Der Begriff Wendehals ist hier angebracht“
Ich glaube nicht, dass ein Kreisel viel Verbesserung bringt.. Ich bin gespannt.
Aber ja, ein Kreisel würde wirklich etwas bringen, nur reden wir hier NICHT von einer gewöhnlichen Landstrasse sonder von einer Bundesstresse und auf diesen sind grundsätzlich keine Kreisel vorgesehen bzw. erlaubt.
Das gilt übrigens nicht nur für Freyung sondern für ganz Deutschland.
Für irgendwelche Missverständnisse gibt es hier keinen Raum!
Das sollte mittlerweile auch dem Herrn Gais bekannt sein!
Ich kann auch die Denkweise der Befürworter nicht ganz nachvollziehen, denn wer wirklich denkt, dass ein weiterer Kreisel kein Problem für eine Bundesstrasse darstelle, nur weil wir sowieso schon 50m weiter einen Kreisel in Freyung haben, der hat den Sinn von Bundesstrassen und die damit verbundenen Auflagen nicht wirklich verstanden.
Schlimmer noch… wer tatsächlich fordert, die Kategorie einer bestehenden und dazu noch unbestritten wirtschaftlich wichtigen Bundesstrassenverbindung einfach herabzustufen, dem sollte man in Zukunft nicht mehr über den Weg trauen, denn der verkauft auch seine Oma.
Da könnte man ja auch gleich einfach ein paar unbequeme Gesetzte beiseite schaffen, doch zum Glück funktioniert unsere Demokratie SO NICHT!!!
Und wer jetzt meint, dass durch einen Kreisel die Feinstaubbelastung jetzt deutlich geringer sein wird als durch die ungeliebte Knotenlösung, der denke bitte gleich zweimal nach…..
Wenn nämlich ein LKW (auch PKW) vor einem Kreisel abbremst (bzw. stehen bleibt) und dann wieder anfährt, dann braucht dieser mindestens das mehrfache an Kraftstoffverbrauch als wenn er ohne stehen zu bleiben durch den Knoten vorbeifahren kann.
Ebenfalls wird hier nur zu gern vergessen, dass durch das ständige Bremsen von Schwerlastverkehr (aber auch PKW) an einem Kreisel, unnötig Feinstaub durch die sinnlose Abnutzung von Bremssystemen erzeugt wird.
Bei einer Knotenlösung entfällt dies.
Wie zu erwarten, wird darüber natürlich nicht gesprochen, aber vermutlich möchte man darüber auch nicht sprechen, denn alles was einem nicht ins Programm passt, kehrt man recht schnell beiseite, wie so oft!
Das Argument, dass durch den Bau eines Knotens viel zu viel Fläche versiegelt wird, ist nicht sonderlich überzeugend, denn durch alle Baumaßnahmen wird grundsätzlich nun mal die Fläche versiegelt, mal mehr und mal weniger. Der Natur macht diese Baumaßnahme nichts aus. Es ist eher eine Ideologie, mehr aber auch nicht.
Ich selbst bin beruflich oft viel in Deutschland unterwegs und kenne fast (mit wenigen ausnahmen) keine Kreisel auf Bundesstrassen, denn da gehören sie definitiv nicht hin!
Das Freyung bereits einen Kreisel auf der B12 besitzt, darüber sollten sich die Bürger lieber ganz, ganz feste freuen, denn heute wäre es nämlich nicht mehr möglich dort einen Kreisverkehr auf einer wichtigen Bundesstrasse zu errichten.
Übrigens, es schadet wirklich nicht, sich während einer Autofahrt gelegentlich auch mal Gedanken darüber zu machen, auf welcher Strasse fahre ich eigentlich jetzt grad eben?
Wenn ich nämlich die ganzen Kommentare der Befürworter der letzten Wochen so lese, dann kommt es mir oft vor, als würden die nur zwei Fahrbahnspezifikationen kennen, nämlich Strasse & Autobahn. Ja es gibt tatsächlich noch mehrere Varianten davon.
Ich bin übrigens auch für einen Kreisverkehr, aber nur da wo es tatsächlich Sinn macht und auch nur da, wo es Strassen- und Verkehrsrechtlich nichts dagegen spricht.
Die B12 gehört aber definitiv nicht dazu.