Waldkirchen. Nur noch wenige Mitarbeiter kennen sich im umfangreichen Fotoarchiv auf dem Dachboden aus – wissen, was wo zu finden ist. Dort stapeln sich Bilder über Bilder. Negative über Negative. Erinnerungen über Erinnerungen. Alles fein säuberlich beschriftet und archiviert. Im Zeitalter der analogen Fotografie war das noch nötig, um nicht den Überblick zu verlieren. Inzwischen geht dieses Bewahren um einiges unkomplizierter vonstatten. Unzählige Fotos können heute problemlos auf Festplatten, Servern und Clouds gespeichert und auch wiedergefunden werden. Galten Schwarz-Weiß-Aufnahmen Ende des 19. Jahrhunderts noch als Sensation, sind heutzutage Farbbilder mit maximaler Auflösung zur Gewohnheit geworden. Wie wohl keine andere Branche hat sich die Fotografie über die Jahrzehnte hinweg verändert. Franz (61) und Heinrich Hintermann (66) sind Zeugen dieser Entwicklung. Das gleichnamige Fotogeschäft am Waldkirchener Stadtplatz war und ist dabei stets auf Höhe der Zeit. Es hat sich den Neuerungen nicht nur angepasst, sondern sie verinnerlicht.

Marktplatz 13. Bereits seit 1953 ist der Fotoladen der Waldkirchener Familie unter dieser Adresse zu finden. Franz Hintermann nennt es liebevoll „Haus der Fotografie“. Sein Vater Heinrich, gelernter Stuckateur und Modellbauer, hat sich damals selbstständig gemacht, blickt der 61-Jährige zurück. Mit AGFA-Farbbildern hat Hintermann senior, der zuvor eine Keramikfabrik mit rund 30 Mitarbeitern betrieb, nicht nur die Fotografie in Waldkirchen, sondern im gesamten Bayerischen Wald salonfähig gemacht. Zu seinen damaligen Werkzeugen zählten eine Leica sowie ein Diaprojektor – „primitivste Mittel“, wie sein jüngster Sohn aus heutiger Sicht feststellt. Die Fotografie war damals ein zu erlernendes Handwerk, so wie das des Maurers oder Schreiners. Und das ist es auch heute noch – im Computerzeitalter allerdings deutlich einfacher als in der Nachkriegszeit.
Nicht: „Du schaffst das schon.“ Sondern: „Du machst es einfach“
Da die Arbeitsräume samt Atelier im ehemaligen Gebäude der „Freiherr von Münster’sche Brauerei Waldkirchen“ untergebracht waren, benutzte Hintermann senior zu Beginn seiner Selbstständigkeit noch einen Maßkrug als Schöpf-Utensil für das Fixierbad, in dem die Fotos entwickelt wurden. Vorgänge, die heute unvorstellbar wären. Damals aber, aus der Not heraus geboren, eine pragmatische Ideallösung darstellten. Apropos Not: Firmengründer Hintermann landete nach dem Zweiten Weltkrieg nicht aus irgendeinem Grund in Waldkirchen – es war vor allem der Hunger, der ihn zum „Hamstern“ in die Bayerwald-Stadt trieb, wie sein Sohn erklärt. Denn hierzulande war es nach dem Krieg leichter an Nahrung zu kommen oder eine Unterkunft zu finden. „Unser Vater hat immer mit einem Augenzwinkern erzählt, dass auch er ein Kriegsgeschädigter sei, weil er unsere Mutter hier kennengelernt hat“, erzählt Franz Hintermann und lacht dabei herzlich. Waidler-Humor.

Er wusste immer, wie’s sein Vater gemeint hat. Die Familie Hintermann hält seit jeher zusammen, was gerade in den kargen 50er-Jahren von großem Wert war. Mutter Rosina half ihrem Mann, wo sie nur konnte. Die beiden Buben, Heinrich junior und Franz, gingen ebenfalls bald ihren Aufgaben nach. „Man ist nicht gefragt worden, man wurde gebraucht – so einfach war das.“ Es hieß nicht: „Du schaffst das schon.“ Sondern: „Du machst es einfach“. Für Franz Hintermann eine Vorgehensweise, die er auch heute gegenüber seinen Mitarbeitern noch pflegt. „Du schaffst es – das hört sich an, wie wenn man jemandem gerade nicht zutrauen würde, dass er es schafft.“ Pragmatismus war schon immer eine Eigenschaft, die die Fotografen-Familie auszeichnete. „Man will ja weiterkommen, hat ein gemeinsames Ziel, das man unbedingt erreichen will“, umschreibt es der 61-Jährige.
„Etwas aufzubauen ist schöner als den Status zu halten“
Und genau das machen die Hintermanns. Die Geschäftsfläche hat sich nach und nach vergrößert, was gleichzeitig den privaten Bereich der Familie im Haus reduzierte. Genau dort, wo beispielsweise heute Fotos geschnitten werden, ist Franz Hintermann im Jahr 1955, im damaligen Schlafzimmer, geboren worden. Ein Leben für den Beruf – das passt im Falle der „Hintermänner“ wie der Deckel aufs Objektiv. Zumal sie selbst ihre Tätigkeit nicht als Pflicht sehen, sondern eher als Leidenschaft. Einsatz, der sich über die Jahre hinweg ausgezahlt hat – die Geschäfte laufen gut. Dennoch gibt Franz Hintermann ganz unumwunden zu: „Etwas aufzubauen ist schöner als den Status zu halten.“

Allein aus beruflichen Gründen gehört Familie Hintermann seit jeher zu Waldkirchens „High Society“. Schließlich ist man als Fotograf immer bei den großen Veranstaltungen mit dabei, um den besonderen Moment mit der Kamera festzuhalten. „Die Freude am Bild ist gleich geblieben“, stellt der Mann mit den grau-gelockten Haaren fest, während er seine Archivbilder mustert. Zwar habe sich aufgrund von Handyfotos oder anderen „08/15-Aufnahmen“ eine nicht unbedeutende Konkurrenz entwickelt, dennoch sei ein richtig gutes Bild auch heute noch etwas Wert. Freilich verbunden mit der neuesten Technik. Denn Neuerungen haben die Fotografen-Brüder schon immer fasziniert – dies wurde ihnen praktisch in die Wiege gelegt. „Schon unser Papa war dem gegenüber sehr aufgeschlossen.“
Die alltägliche und künstlerische Seite des Fotografen-Berufes
Die Digitalfotografie nennt Franz Hintermann eine „Bereicherung“ – auch wenn die ersten Momente nach einer technischen Neuentwicklung nicht immer ganz einfach sind. „Im ersten Augenblick ist es immer schwierig, sich mit den neuen Modellen zurechtzufinden. Später wird einem aber klar, dass sich einem damit eine neue Welt auftut.“ Und obwohl sich Franz Hintermann nicht gerade als Sammler bezeichnet, hat er viele alte Fotoapparate und Gerätschaften aufgehoben. „Mit einer Kamera muss man arbeiten wie mit einem Hammer – wir sind Handwerker“, ist er überzeugt. Zugegeben: Etwas unromantisch klingt das schon. Aber es verdeutlicht einmal mehr, wie der 61-Jährige tickt: Im Vordergrund steht das Werk, nicht die Entstehung.
Neben der alltäglichen Arbeit, wie etwa dem Erstellen von Passfotos, beschäftigt sich der Waldkirchener natürlich auch mit der künstlerischen Seite seines Berufs. Geht er spazieren, hat er die Kamera stets dabei. Genauso, wenn er privat irgendwelche Ausflüge macht oder schlicht und einfach durch seine Heimatstadt mäandert. „Der Alltag schreibt die schönsten Geschichten, erzeugt die schönsten Aufnahmen.“ Damit diese der Nachwelt erhalten bleiben, gestaltet Hintermann immer wieder Fotobücher. „Ich bin auch begeisterter Bastler, Schreiner und Techniker.“ Kaufte sein Vater ein neues Kofferradio, zerlegte dies Sohnemann Franz zuerst einmal, da er sich vom Innenleben ein Bild machen wollte. „Es blieben beim Zusammenbauen zwar immer ein paar Schrauben übrig. Mein Vater war dann aber nicht böse. Ich glaube, ihm hat das sogar gefallen.“
Nicht immer verlief alles harmonisch
Klingt nach einer harmonischen Kinder- und Jugenzeit. Fast wie aus dem Bilder-Buch. Doch das war nicht immer der Fall. „Natürlich sind auch mal harte Worte gefallen“, gibt Franz Hintermann zu. „Vor allem, als im Geschäft der Generationenwechsel stattgefunden hatte.“ Und schnell fügt er hinzu: „Das war aber schnell wieder vergessen – wir hatten ja alle ein gemeinsames Ziel.“
Helmut Weigerstorfer
Gratuliere!
Das ist wirklich eine vorzügliche Geschichte!
Ich habe den Link dieses Beitrags gleich unter da Hog’n bei meinen Links als Empfehlung eingesetzt!
http://www.ta-dip.de/links.html
Auf meiner Webseite gibt’s übrigens auch einen schönen Emerent-Meier-Link:
http://www.ta-dip.de/dies-und-das/emerenz-meier.html
Mit vielen Grüßen vom Reinhold Kriegler
Sehr schöner Artikel. Auch die Geschichte hat mir sehr gut gefallen.
Man hat einen sehr schönen Einblick über Dinge erhalten, den man so nicht bekommen hätte.
Gruß
Marvin
https://metzger-photography.com