Freyung. „Mid’n red’n kemmand d’Leid zam“ – diese im Bayerischen oft verwendete Floskel trifft immer wieder den Nagel auf den Kopf. So geschehen auch am Donnerstagnachmittag am Amtsgericht Freyung. Ein 35-Jähriger und ein 55-Jähriger mussten sich dort verantworten, weil sie einen gemeinschaftlichen Diebstahl begangen haben sollen. Letztlich konnten jedoch beide ihre Unschuld vor Gericht beteuern. Dr. Hans-Gerd Ennser – in Vertretung von Klaus Fruth, der diese Verhandlung aus Befangenheit nicht als Richter leiten konnte – beließ es deshalb bei einer „freiwilligen Geldstrafe“ für den 35-Jährigen. Der 55-Jährige muss lediglich seine eigenen Anwaltskosten tragen.
7. September 2014, gegen 5 Uhr morgens: Vier Männer – zwei ältere, zwei jüngere – wollten sich bereits zum wiederholten Male alkoholische Getränke in der Tankstelle an der B12 in Außernbrünst kaufen, wie die zuständige Staatsanwältin aus der Anklageschrift vorlas. Dabei sollen der 35-Jährige und der 55-Jährige den Tankwart abgelenkt haben, sodass die beiden anderen Männer alkoholische Getränke im Wert von zehn Euro stehlen konnten, die sie anschließend gemeinsam im angrenzenden Pavillon konsumiert haben. Das vermeintliche Täter-Quartett flog auf, da der Tankwart ihre Absichten erkannte und die Polizei alarmierte.
„Wäre ich doch einfach zu Hause geblieben“
In einer ersten Verhandlung wurden nach Aussagen von Richter Ennser bereits die beiden jüngeren Täter zu den Vorgängen an jenem Septembermorgen befragt. Der eine konnte sich an Vieles nicht mehr erinnern, der andere entlastete darüber hinaus den 55-Jährigen, der eigenen Angaben zufolge betrunken war und deshalb ebenfalls große Lücken in seinem Gedächtnis vorzuweisen hatte. Aus diesem Grund entließ das Gericht den ältesten Tatverdächtigen, der dies mit den Worten „wäre ich doch damals einfach zu Hause geblieben“ kommentierte. Er muss lediglich seine eigenen Anwaltskosten tragen, denn: Ein bisschen Strafe muss sein, wie Richter Ennser befand. Die Frage des 55-Jährigen, ob er diese Kosten beim Tellerwaschen abarbeiten könne, blieb unbeantwortet.
„Wer mich kennt, weiß, dass ich gerne diskutiere“
Etwas komplizierter gestaltete sich die Sache beim 35-Jährigen. Der bald selbstständige Textilhändler, der einige Eintragungen im Bundeszentralregister vorzuweisen hat, beteuerte noch einmal, dass er und sein älterer Freund den Tankwart nicht bewusst abgelenkt hätten. „Wir wollten uns noch ein Bier und Zigaretten kaufen. Der Tankwart wollte uns aber keinen Alkohol mehr geben. Und wer mich kennt, weiß, dass ich gerne diskutiere“, schilderte er die betreffenden Minuten. Vor dem Shop der Tankstelle hätten die beiden jüngeren Männer ihn und seinen 55-Jährigen Begleiter zwar angesprochen, ob sie beim Diebstahl behilflich sein wollten, diese hätten dies jedoch strikt abgelehnt.
450-Euro-Spende an den Kindergarten Kumreut
„Mit so einem Scheiß möchte ich nichts zu tun haben“, machte der 35-Jährige deutlich. „Und außerdem: Warum sollten wir Erwachsene Alkohol stehlen? Wir hatten doch Geld dabei.“ Dass sich der Tankwart durch seine Diskussion abgelenkt fühlte, könne er aus heutiger Sicht nachvollziehen. „Hätte ich das alles gewusst, wären wir früher nach Hause gefahren.“ Richter Ennser stellte fest, dass es sich bei dem Fall eher um Beihilfe zum Diebstahl mit einer sehr geringen Summe handele, weshalb er – auch vor dem Hintergrund der Vorstrafen des 35-Jährigen – eine Einigung ohne Urteil anstrebte. Letztlich einigte man sich darauf, dass der bald Selbstständige, der eigenen Aussagen zufolge aktuell noch Hartz IV bezieht, innerhalb eines halben Jahres 450 Euro an den Kindergarten Kumreut zahlen muss.
Helmut Weigerstorfer