Freyung-Grafenau. Was machen die Abiturienten aus unserer Region eigentlich nach ihrem Abschluss? Sind sie alle in die Großstädte gezogen – oder absolviert der ein oder andere seine Ausbildung in der Heimat, im Landkreis Freyung-Grafenau? Hog’n-Mitarbeiterin Ruth Zitzl, die im vergangenen Jahr ihr Abitur am Gymnasium Freyung gemacht hat und mittlerweile „musik- und Bewegungsorientierte Soziale Arbeit“ an der Ostbayerischen Technischen Hochschule Regensburg (OTH) studiert, hat sich bei ihren ehemaligen Mitschülern einmal umgehört.
Angehender Spezialist für das Bahningenieurwesen

Christoph Fleissner (18) hat sich den wohl außergewöhnlichsten Studiengang des Freyunger Abiturjahrganges 2015 ausgewählt: Er ist in die Nähe von Frankfurt gezogen, um an der TH Mittelhessen ein Studium zum Bachelor of Bahningenieurwesen zu machen. „Das ist ein allgemeiner Studiengang zum Thema Eisenbahnwesen – mit Spezialisierungsmöglichkeiten in Leit- und Sicherungstechnik, Bauwesen oder Informationssystemen.“ Ein sehr technischer Studiengang also, in dem sich Fächer wie Elektrotechnik, Physik, Wirtschaft oder Informatik finden, die jedoch genau wie Brücken- und Tunnelbau auf das Eisenbahnwesen bezogen sind.
Der Freyunger hat sich bewusst für ein weit von der Heimat entferntes Studium entschieden, „da es etwas sehr Spezielles ist“. Außerdem war die Eisenbahn schon immer sein Hobby, technische Dinge haben ihn von klein auf interessiert. Seine Erwartungen ans Studium: „Dass ich in den verschiedenen technischen Themenbereichen gut ausgebildet werde und ich mir viel Fachwissen aneignen kann.“ Seine Vorstellungen wurden bis jetzt alle erfüllt – wobei auch der Spaßfaktor nicht zu kurz kommt. „Es ist ein ziemlich kleiner Studiengang. Wir sind insgesamt zehn Leute – man versteht sich sehr gut, da alle die gleichen Interessen teilen.“
Und auch in naher Zukunft schauen die beruflichen Chancen für Christoph nicht schlecht aus. Da es kaum Fachleute in Bereichen wie etwa der Leit- oder Sicherungstechnik gibt, kann der 18-Jährige nach dem Abschluss bei einem Eisenbahnverkehrsunternehmen beruflich durchstarten – oder bei Firmen wie Siemens oder Alstom. Aber auch die Möglichkeit, als Eisenbahnbetriebsleiter tätig zu werden, zieht er in Betracht. Mit dieser Fülle an Chancen könnte er dann ganz schnell auch wieder in seiner Heimat, dem Bayerischen Wald, landen – die Ilztalbahn findet sicherlich Verwendung für ihn…
Im Woid dahoam: Kreativität mit Handwerk kombiniert
Ilona Steinhofer (19) hat sich für eine ganz besondere Ausbildung entschieden: Sie absolviert an der Glasfachschule Zwiesel eine zweijährige Lehre zur Assistentin in Produktdesign. „Die Ausbildung ist ähnlich wie in der Schule, also mit den gleichen Ferienzeiten – und wir haben neben theoretischen Fächern wie Physik oder Chemie auch praktische Fächer wie Glasmalerei – oder wir lernen das Schmelzen von Glas.“ Die Freyungerin hat sich nach dem Abitur bewusst für eine Ausbildung entschieden, da sie etwas Kreatives machen – und nicht wieder überwiegend theoretisches Wissen vermittelt bekommen wollte.
Die Ausbildung entspricht bis jetzt „definitiv meinen Erwartungen“, da sie alles vereint, was Ilona auch während der Schule bereits als Hobby gerne getan hat. „Wir lernen hier, wie man so exakt wie möglich mit Glas arbeitet, haben aber auch Zeichenunterricht, um die Produkte so naturgetreu wie möglich darzustellen. Im Fach Oberflächengestaltung beschäftigen wir uns mit weiteren Materialien wie Metall oder Kunststoff, um nicht fest an den Werkstoff Glas gebunden zu sein.“ Zwiesel als Ausbildungsort ist für die 19-Jährige perfekt, da es nicht allzu weit von ihrer Heimatstadt entfernt liegt, sie durch die eigene Wohnung während der Woche jedoch zur Selbstständigkeit „gezwungen“ ist. Die beruflichen Aussichten sehen sehr vielfältig aus. Einige steigen sofort nach der Lehre bei Betrieben wie Schott-Glas ein, andere studieren noch weiter. Auch Ilonas Wunsch ist es, nach der Ausbildung an der Kunsthochschule in München ein Design-Studium aufzunehmen, bei dem ihr die praktische Erfahrung ihrer Ausbildung sicherlich von Nutzen sein wird.
Nach dem Abi erst einmal die Welt entdecken

Franziska Pertler (19) hat es nach dem Schulabschluss erst einmal ganz weit weg verschlagen – nämlich nach Australien. Bereits kurz nach dem Abi führte sie die lange ersehnten Reise in ihr Traumland am anderen Ende der Welt. „Ich habe mich als Au-Pair Mädchen beworben, was auch sehr gut geklappt hat, da ich ziemlich schnell bei einer Familie mit drei Jungs anfangen konnte. Dort habe ich vier Monate lang gearbeitet – und mir währenddessen Sydney und die nähere Umgebung angeschaut, wobei ich auch Surfen gelernt habe.“ Eine Tour ins berühmte Outback durfte bei ihrer Reise genauso wenig fehlen wie die Gesamt-Erkundung des riesigen Kontinets. Dabei konnte sie Orte wie Fraser Island, Withsunday Island, Cairns und Melbourne besichtigen. Ein Highlight war zweifelsohne das Schnorcheln im Great Barrier Reef, wie sie mit Begeisterung berichtet.
Nach fünf Monaten kehrte die 19-Jährige dann wieder pünktlich zu Weihnachten nach Freyung zurück. Jetzt ist sie gerade dabei, verschiedene Praktika zu machen, u.a. in einer Rechtsanwaltskanzlei und der Rechtsabteilung einer Firma. Der Grund: Sie möchte erst testen, ob ihr das Jura-Studium so gefallen könnte, wie sie denkt. Da sie erst zum Wintersemester damit beginnen möchte, hat sie noch genügend Zeit, um nach Südfrankreich oder Spanien zu reisen. Gebracht hat ihr der Ausflug nach „Down Under“ im Rückblick so einiges: „Ich bin viel selbstständiger und auch selbstbewusster geworden. Die verbesserten Englischkenntnisse sind dabei ein toller Nebeneffekt – auch wenn ich mich an das Autofahren auf der rechten Seite erst wieder gewöhnen muss.“
Nicht nur die Theorie, sondern auch die Praxis kennenlernen
Mario Kilger (18) aus Freyung beantwortet die Frage, was er momentan ausbildungstechnisch macht, folgendermaßen: „Nach dem Abitur habe ich mich für ein duales Studium der Elektro- und Informationstechnik mit integrierter Ausbildung zum Elektroniker für Betriebstechnik bei der Firma Siemens entschieden.“ Das Studium absolviert er an der OTH in Regensburg und ist in den Semesterferien im Siemens-Ausbildungszentrum, wo er sowohl theoretisches als auch praktisches Wissen vermittelt bekommt. Der 18-Jährige hatte zunächst auch überlegt, ob er sich für ein Ingenieurs-Studium einschreiben oder Lehramt Mathe-Physik studieren soll. Letztlich hat ihn jedoch der Aufbau des dualen Ausbildungswegs beeindruckt, da es zum einen die theoretischen Ansätze mit der praktischen Lehre verbindet, zum anderen der finanzielle Vorteil nicht unerheblich ist.
Regensburg als Studentenstadt hat ihn von Anfang an überzeugt, weil es „mal was anderes als Freyung“ ist. In seinen Erwartungen an den Studiengang ist er bis jetzt nicht enttäuscht worden, da er diejenigen Dinge, die er in den Monaten vor Studienbeginn bei Siemens gelernt hatte, bereits gut anwenden kann. Es war dem 18-Jährigen bewusst, dass ein dualer Studiengang stressiger sein würde als ein Studium ohne zusätzliche praktische Ausbildung während der Semesterferien. Aber auch andere Studenten arbeiten während der eigentlich freien Zeit. Seine Aussichten für die Zukunft sieht Mario sehr positiv, da es sehr wahrscheinlich ist, dass er nach seinem Bachelor-Abschluss bei Siemens übernommen wird. Doch vielleicht bietet sich ja auch in Heimatnähe eine Chance, um seinem künftigen Beruf nachgehen zu können…
Beamtenlaufbahn – auch aus Liebe zur Heimat
Anna Wilhelm (19) aus Kreuzberg bei Freyung darf sich während ihres dreijährigen Studiums als „Verwaltungsinspektionsanwärterin“ bezeichnen. Das heißt, sie absolviert ein duales Studium zur Beamtin mit dem Schwerpunkt der Ausbildung im nichttechnischen Verwaltungsdienst. Zurzeit ist sie dafür im oberfränkischen Hof an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und Rechtspflege. Sie sagt, dass sie das Studium „zur Übernahme qualifizierter Sachbearbeitertätigkeit bis hin zu Führungsaufgaben im Bereich des mittleren und gehobenen Managements in der Verwaltung verschiedener Behörden wie Rathäusern, Landratsämtern und vielen anderen Dienststellen“ befähige.

Den praktischen Teil ihres Studiums wird sie am Landratsamt Freyung-Grafenau absolvieren, worauf sie sich schon heute sehr freut. „Dort kann ich dann Erfahrungen im wirklichen Berufsleben sammeln – und bin endlich wieder daheim im Bayerischen Wald.“ Die Nähe zur Heimat war für Anna ein sehr bedeutender Entscheidungsgrund für ihre Berufswahl. Ihr war wichtig einen Beruf zu ergreifen, den sie später auch in unserer Region ausüben kann. „Es war nicht einfach eine Studieneinrichtung zu finden, die sowohl meinen Vorstellungen entspricht als auch einen potenziellen Arbeitsplatz in der Heimat bereithält.“ Doch die Chancen dafür stehen nicht schlecht. Sie bindet sich in ihrem Beruf als Beamtin zwar einerseits an den Freistaat Bayern, hat damit andererseits aber auch eine berufliche Sicherheit.
Nachdem sich die 19-Jährige mit den Inhalten des Studiums näher befasst hatte, fiel ihr sogleich auf, wie vielseitig und interessant der Beruf eines Beamten sein kann. Und da sie noch nicht allzu viele Vorstellungen vom „Beamten-Studiengang“ mit seiner dualen Besonderheit hatte, ist sie vom bisherigen Studienverlauf durchwegs positiv überrascht. Am besten gefallen ihr die Unterrichtsstunden, die sich mit dem Thema Recht auseinandersetzen. Die Klassenstärke ist mit 25 Studierenden aus Nieder- und Oberbayern eher überschaubar, weshalb es sich fast a bissl wie daheim anfühlt, wie Anna berichtet – und ergänzt mit einem Augenzwinkern: „In Hof lerne ich unter anderem auch, dass das Beamtentum nicht nur daraus besteht, den halben Tag lang Kaffee zu trinken.“
Vom Woid hinaus zum Medizin-Studium noch Minga
Theresa Jung (19) hat es in die Metropole München gezogen, wo die Bischofsreuterin ein Medizinstdium begonnen hat. „Hier studiere ich an der Ludwig-Maximilians-Universität Humanmedizin. Ich habe mich bewusst dafür entschieden, da es zum einen gute Berufschancen gibt, aber auch weil es ein relativ anspruchsvolles Studium ist – und mich diese Herausforderung deshalb besonders gereizt hat.“ Der 19-Jährigen gefällt die Vielfältigkeit des Studiums, in dem sie außerdem noch Fächer und Themen wählen kann, die sie interessieren, aber eigentlich nicht in ihrem Stundenplan stehen.
Auch wenn Theresa Jung im Voraus nicht erwartet hatte, dass das Studium so zeitintensiv ist und man über das ganze Semester hinweg Prüfungen zu meistern hat, macht es ihr (den)noch sehr viel Spaß – auch weil sie bisher viele Leute kennen gelernt hat, die dieselben Interessen haben, wie sie selbst. Dass man bei mehr als 900 Medizin-Studenten jedoch nicht jeden Einzelnen kennen kann, versteht sich von allein… Nach der Uni, die für die Waidlerin im Regelfall sechseinhalb Jahre dauern wird, hat sie die Möglichkeit, sich mit der Weiterbildung zum Facharzt auf ein bestimmtes Fachgebiet (Chirurgie, Pathologie, Gynäkologie) zu spezialisieren. Theresa sagt, dass zurzeit vor allem Allgemeinärzte gesucht werden – auch im Bayerischen Wald…
Ab nach Österreich und Südafrika – zum Stunden-Sammeln
Tobias Göttl (18) aus Kaining in der Gemeinde Hinterschmiding hat es ins schöne Nachbarland Österreich verschlagen, wo er eine Ausbildung zum Piloten bei der „Prosperia Aviation Academy“ in Salzburg macht. Pilot wollte er nämlich schon immer werden, wie der 18-Jährige erzählt. Insbesondere für Kampfjets interessierte sich der Abiturient sehr bald. Da er sich jedoch nicht für einen längeren Zeitraum bei der Bundeswehr verpflichten wollte, haben sich seine Berufswünsche am Ende doch etwas gewandelt.

Im Dezember 2014 hatte er bereits den Einstellungstest in Österreich bestanden. „Dabei sind verschiedene Fähigkeiten wie Englisch, Mathe, Physik – aber auch das Konzentrationsvermögen abgefragt worden.“ Seine Ausbildung, die in verschiedenen Etappen von der Privat-Pilotenlizenz über die Berechtigung zum Instrumentenflug bis hin zum verantwortlichen Piloten gegliedert ist, hat er unmittelbar nach der Schule, im Juli 2015, angefangen.
Kommenden Februar steht ein erstes Highlight an: „Ich darf für drei Wochen nach Südafrika zum Stunden-Sammeln, dem sogenannten Time-Building. In Südafrika sind die Wetterbedingungen besser und auch die Spritkosten sowie der Lebensunterhalt günstiger als in Europa.“ Nach eineinhalb bis zwei Jahren will Tobias die Ausbildung abschließen – und sich dann bei namhaften Airlines wie Lufthansa, Condor, Emirates oder auch kleineren Flug-Unternehmen bewerben. Theoretisch könnte er zudem an die erste Ausbildung eine weitere anschließen – mit dem Ziel der Fluglehrer-Lizenz, was jedoch nicht zu Tobias‘ vordergründigen Zielen gehört. Das bisherige Ausbildungsfazit des Kainingers fällt positiv aus, die Erwartungen zur Verwirklichung seines Kindheitstraums sind bis dato erfüllt worden. „Ich habe diesen ersten Schritt auf keinen Fall bereut.“
Umfrage: Ruth Zitzl