Vieles hat sich in den letzten Wochen vor allem auf weltpolitischer Ebene rund um ein Thema gedreht, das uns bereits seit vielen Jahr(zehnt)en beschäftigt – und immer wieder kontrovers diskutiert wird. Die Rede ist vom Klimawandel, den Forscher und Politiker nicht nur global betrachtet mittlerweile für allgegenwärtig erklären. Jetzt, da man sich in Paris endlich auf mehr Umwelt- und Klimaschutz geeinigt hat, wird nun – zumindest auf internationaler Bühne – voraussichtlich etwas Beruhigung in die Klima-Debatte einkehren. Ob all die in Paris gefassten Absichtserklärungen, Vereinbarungen und Beschlüsse auch tatsächlich etwas bringen, wird sich ohnehin erst in vielen Jahren zeigen. Ein Gastbeitrag vom Bayerwald-Wetterfrosch Martin Zoidl.
Entweder die Oma fragen – oder die Aufzeichnungen verwenden
Wenn nun schon von der globalen Erwärmung die Rede ist, so wirft das natürlich vor allem eine Frage auf: Inwiefern ist auch „unser Eckal“ am bayerischen Ost-Zipfel vom Klimawandel betroffen? Findet der Klimawandel überhaupt statt im Woid? Oder sind es nur die bösen Politiker, die sich da (wieder mal?) irgendwas zusammenreimen, um so ein Argument und die Voraussetzungen für eine milliardenschwere Energiewende-Industrie zu schaffen?
Um die Veränderungen des Klimas vor unserer eigenen Haustüre dokumentieren zu können, hat man zweierlei Möglichkeiten: Entweder man fragt die Oma, wie es früher war – oder man loggt sich in die Wetteraufzeichnungen der vergangenen Dekaden ein, spielt ein wenig mit Excel-Tabellen rum und zeichnet darin ein paar Diagramme ein. Da mir belegbare Fakten doch etwas nützlicher erscheinen (was nicht heißt, dass Omas Input nix wert wäre), habe ich mich für letzteren Weg entschieden.
Als Referenz für den Landkreis Freyung-Grafenau dienen nachfolgend die Aufzeichnungen der Klimastation in Rehberg (Gemeinde Grainet), die seit 1958 in Betrieb ist. Die Datenerhebung reicht also weit genug in die Vergangenheit zurück und ist somit für unsere Fragestellung brauchbar. Die Station befindet sich mit knapp unter 700 Meterm ü. N.N. in mittlerer Höhenlage – und ist daher repräsentativ. Um ein wesentliches Ergebnis meiner Auswertungen gleich vorwegzunehmen: Ja, der Klimawandel findet nicht nur „da draußen in der großen, weiten Welt“ statt, sondern auch hier bei uns im Woid.
Durchschnittstemperaturen eindeutig im Steigflug
Durch die vom Deutschen Wetterdienst betriebenen Klimastationen werden permanent Temperaturmessungen durchgeführt, wobei jeweils zur vollen Stunde ein Wert festgeschrieben wird. Dieser Vorgang wiederholt sich also 24 mal pro Tag. Aus diesen 24 Messwerten wird ein Tagesmittel errechnet – aus den 365 Tagesdurschnitten dann das Jahresmittel. Da es für klimatische Beschreibungen sinnlos wäre, ein einzelnes Jahr als „Klima“ festzulegen, sind jahrelange Beobachtungen notwendig – nach WMO-Standard gilt derzeit das 30-jährige Mittel von 1961 bis 1990.
Wer bei knapp sieben Grad draußen im Freien rummarschiert, der weiß, dass das nicht gerade angenehme Temperaturen sind – eine Weste muss man da mindestens dabei haben. Doch genau dieser Temperaturwert müsste unterm Strich herauskommen, wenn man an der Rehberger Klimastation alle Temperaturen eines Jahres mittelt. Wir prüfen also nach, ziehen die Aufzeichnungen zu Rate.
In der Tat verhalten sich die Temperaturen bis in die 80er Jahre hinein in etwa so, wie man sie erwartet hatte – mit kleinen Außreißern nach oben oder unten. Ab den 90ern allerdings tritt erstmals eine Anomalie auf, die sich im 21. Jahrhundert immer weiter vom Normalklima entfernt. Selbst in relativ kühlen Jahren lag das Jahresmittel mehr als deutlich über dem Normalwert. Während 2014 mit 9,2°C das bisher wärmste Jahr seit Beginn der Wetteraufzeichnungen in Rehberg registriert wurde, bahnt sich 2015 schon der nächste Allzeit-Rekord an: Nur wenige Tage vor Jahresschluss stehen wir 2015 aktuell bei 9,4°C – und es sieht gar nicht danach aus, als ob es in nächster Zeit nochmal merklich abkühlt. Der Trend geht hier also sehr, sehr steil nach oben.
Hitzeperioden früher kein großes Thema – heute Standard
Wer von uns hat noch nicht drüber geschimpft, wie heiß es im Sommer draußen oft ist. Doch was bedeutet die Eigenschaft „heiß“ überhaupt? Ein heißer Tag wird in der meteorologischen Statistik dann erreicht, wenn die Temperatur an mindestens einem Zeitpunkt am Tag die 30-Grad-Marke erreicht – oder überschreitet. Wenn man nicht gerade auf dem Terassenboden gemessen hat (Standard-Facebook-Posting bei Hitzewellen: „50 Grad auf meiner Terasse!“ – oder im Auto…), so musste man noch vor wenigen Jahrzehnten feststellen, dass Temperaturen von 30 Grad und mehr bei uns alles andere als normal waren.
Bis in die 80er Jahre hinein war es hierzulande höchstens mal an sechs Tagen im Jahr gelungen, die 30-Grad-Hitzeschwelle zu knacken. Dieses Potenzial erhöhte sich im neuen Jahrtausend jedoch sehr rapide. Erinnern wir uns doch nochmal an den vergangenen Sommer 2015: Sage und schreibe 21 mal wurden heuer an der auserwählten Station heiße Temperaturen erreicht, während es selbst im damaligen „Rekord-Sommer“ 2003 „nur“ schlappe zehn Hitzetage gab. Ausschließlich einigen Gewittern haben wir es zu verdanken, dass der Bayerwald heuer nicht komplett ausgetrocknet ist. Wie sich dies allerdings in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird, bleibt abzuwarten. Die 21 Hitzetage im Jahr 2015 waren mit Sicherheit ein Außreißer. Doch sie beweisen, dass die „guten alten“ und kühlen mitteleuropäischen Sommer eindeutig der Vergangenheit angehören…
Seit der Jahrtausendwende wird’s trockener
Höhere Temperaturen, mehr Wasserdampf, mehr Nass vom Himmel – So lautet eine gängige Theorie, dass Niederschläge durch die Erwärmung in Zukunft zunehmen könnten. In Formeln verpackt mag dies sicher funktionieren, doch dabei wird nicht berücksichtigt, wie sich diese Niederschläge im Detail verteilen. Beobachtet man die Niederschlagssummen an unserer Klimastation in Rehberg, zeichnen sich seit der Jahrtausendwende sogar zurückgehende Tendenzen ab.
Absoluter Rekordhalter seit Beginn der Aufzeichnungen war bisher das Hochwasser-Jahr 2002, in dem zwischen 1. Januar und 31. Dezember knapp 1.700 Liter den Erdboden erreichten. Viele haben noch die Bilder vom 2002er Hochwasser in Passau im Kopf. Das Rekord-Hochwasser 2013 taucht in der Niederschlags-Statistik im Bayerischen Wald dagegen nicht auf, da dieses im Stau der Alpen seinen Ursprung hatte. Bei uns im Woid hingegen gingen seit der Jahrtausendwende die Regensummen stetig zurück, was aber noch nicht in einem Horrorszenario enden muss – die Sahara ist und bleibt noch sehr, sehr weit entfernt…
Strenge Winter nicht unbedingt seltener
Als winterliches Pendant zum Hitzetag gibt es in der kalten Jahreszeit den so genannten Eistag. Dieser wird dann erreicht, wenn die Temperatur den gesamten Tag nicht über 0 Grad klettert. Man spricht in diesem Fall auch von einer Dauerfrost-Periode. Eistage stehen nicht in direktem Zusammenhang mit der Gesamtqualität des Winters, die auch subjektiv betrachtet stark von der Schneemenge abhängt. Sie sind allerdings ein Maß für die temperaturtechnische Härte des Winters – diese hat in den vergangenen Jahren zwar im Schnitt merklich abgenommen, trotzdem sind immer wieder längere Frostperioden während der kalten Jahreszeit möglich (siehe folgende Grafik: Ausreißer nach oben = Anzahl der Eistage). Folglich lässt sich feststellen, dass strenge Winter hierzulande zwar seltener geworden sind, aber dennoch immer wieder mal vorkommen.
Dass der Klimawandel auch hier im Woid Einzug hält, steht also nicht zur Debatte. Die Frage der Zukunft wird sein, wie man sich am besten dieser neuen Situation stellt – und ob wir überhaupt mit weitreichenden Folgen zu kämpfen haben müssen. Klimaveränderungen haben auch in der Vergangenheit immer wieder zu einem neuen Gesicht des Planeten geführt. Global gesehen wird man sich gewiss vielerorts auf neue Verhältnisse einstellen müssen – vor allem an den empfindlichen Orten wie an den Polen, wo die Eismassen schrumpfen, oder in den Subtropen, wo sich die Wüsten mehr und mehr ausbreiten.
Es wird uns weder der Himmel auf den Kopf fallen…
Aber ist die Erwärmung auch hierzulande wirklich mit weitreichenden Folgen verknüpft? Die Klimapolitiker haben sich in Paris nun auf eine weltweite Begrenzung von maximal 2 Grad geeinigt. Wenn man sich das Rehberger Klimadiagramm ansieht, steuern wir heuer gleich mal auf 2,7°C zu viel zu, nachdem es im vergangenen Jahr bereits 2,5 Grad zu viel waren – und siehe da, wir leben alle noch! Auch Unwetter wie Überschwemmungen, Stürme und Dürrezeit hat es hierzulande immer schon gegeben. Ob diese in Zukunft zunehmen, ist sogar mehr als fraglich, da solche Ereignisse vielmehr mit der Großwetterlage zusammenhängen als mit der globalen Durschnittstemperatur. Es wird uns weder der Himmel auf den Kopf fallen noch wird sich irgendwo ein großes Loch auftun und uns alle verschlingen…
Martin Zoidl
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Wie wird das Woid-Weda eigentlich gemacht? Wie kommt Martin Zoidl zu seinen Vorhersagen? Die Antworten darauf gibt’s hier (einfach klicken)