Kohlstatt. Ganz vertieft in seine Aufgabe bearbeitet der 25-Jährige das vor ihm liegende Brett mit der Schleifmaschine. Ein Brett, das später mit den anderen, ebenfalls selbstgefertigten Bauteilen zu einem Bett zusammengebaut wird. Jedoch nicht zu irgendeinem Bett, sondern zu einem ganz besonderen. „Qualität“ und „Regionalität“ – das sind diejenigen Begriffe, die sich „Franz Bettenbauer“ auf seine Fahnen geschrieben hat. Ein Grund mehr, warum sich Efarem Negasi konzentriert und mit vollem Einsatz seiner Aufgabe widmet.
Es sind genau diese Momente, die den Eritreer vergessen lassen, was er in den vergangenen Monaten und Jahren erlebt hat. Er musste seine Heimat verlassen, da ihm dort (wie vielen jungen Männern) der Wehrdienst – und somit der wohl sichere Tod im Kampfeinsatz drohte. Nach einer langen und gefährlichen Flucht landete er schließlich in Deutschland – mit einer ordentlichen Portion Hoffnung und Zuversicht im Gepäck. Und Efarem Negasi wurde nicht enttäuscht. In Kohlstatt bei Breitenberg hat er mit Schreiner Raphael Lempert nicht nur einen Lehrmeister und Freund gefunden, sondern auch eine neue Heimat. Eine Heimat ohne Angst und Schrecken.
Ziel: Die Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt
Denn bei Franz Bettenbauer handelt es sich nicht um den Fußball-„Kaiser“ Franz Beckenbauer (Spitzname „Lichtgestalt“), der in Folge des DFB-Skandals mit leicht verändertem Namen im Bayerischen Wald Exil gefunden hat. Nein. Franz Bettenbauer ist ein soziales Projekt, das einerseits versucht, Möbel (derzeit ausschließlich Betten) mit hohem Qualitätsanspruch herzustellen – und das andererseits die Integration von Asylbewerbern in den Arbeitsmarkt fördern möchte. Der Name – ein gelungener Werbegag. Diese Organisation gegründet haben vor gut einem Jahr Vroni Hackl (28), Valeska Merklinger (29), Marc Hillig (30), Raphael Lempert (29) und Christopher Huff (36) – junge Leute aus Passau, Breitenberg, Wegscheid und Umgebung. Was sie alle eint, ist die Liebe zu ihrer Heimat, dem Bayerischen Wald, und das Engagement, Flüchtlinge ohne Vorbehalte in unsere Gesellschaft aufzunehmen.

Das Team von „Franz Bettenbauer“ mit (v.l.) Raphael Lempert, Valeska Merklinger, Efarem Negasi, Vroni Hackl und Marc Hillig.
Einfacher Grundgedanke kombiniert mit zufälliger Entstehungsgeschichte. „Ich habe geheiratet. Und da braucht man dann ein richtiges Bett“, erklärt die umtriebige Vroni Hackl und lacht. Deshalb hat sie Raphael Lempert, den sie bereits über „fünf Hausecken“ gekannt hat, in seiner Schreinerei in Kohlstatt bei Breitenberg mit der Absicht besucht, ein ganz besonders Möbelstück zu ergattern. Obwohl damals die Flüchtlingsproblematik noch nicht so sehr im Fokus stand wie derzeit, sind die beiden schnell auf dieses Thema zu sprechen gekommen – mit dem Ergebnis: „Wir müssen was machen!“ Gesagt, getan. Schnell waren sich die beiden einig, dass „Franz Bettenbauer“, so der Name ihres Start-Ups, eine handwerkliches Fertigungsprojekt werden soll. Dabei soll das Konzept übertragbar sein, das heißt: Außer der Schreinerei von Raphael Lempert sollen sich auch andere Holzverarbeitungsbetriebe daran beteiligen können.
Jeder der fünfköpfigen Gruppe hat seinen Teilbereich
Eine Idee, die sich schnell herumgesprochen hat – vor allem im Freundeskreis der beiden Initiatoren. So wurde das Team nach und nach größer: Marco Hillig ist hinzu gekommen, Valeska Merklinger und Christopher Huff. Jeder von ihnen hat seinen eigenen Teilbereich, um den er sich – bisher noch – nebenberuflich kümmert. „Vroni übernimmt zum Beispiel die Geschäftsführung. Marc und Raphael sind die Handwerker. Und ich übernehme die Gestaltung“, erklärt Valeska Merklinger. Der Wichtigste im Team jedoch, das bestätigen alle, ist Efarem Negasi. Noch absolviert er sein Berufsgrundschuljahr in Vilshofen, arbeitet nur im Rahmen seiner Praktika in Kohlstatt mit. 2016 soll er dann mit seiner Schreinerlehre beginnen.

Der Lehrling und sein Meister: Auszubildender Efarem Negasi und der selbstständige Schreiner Raphael Lempert.
Der 25-Jährige ist jedoch mehr als „nur“ ein Lehrling – man könnte fast meinen, er ist so eine Art kleiner Bruder in der Großfamilie Franz Bettenbauer. Raphael Lempert und Marc Hillig sind sowohl seine „Fahrdienstler“ – der Eritreer wohnt in einer Gemeinschaftsunterkunft in Wegscheid – als auch seine handwerklichen Lehrmeister. Vroni Hackl und Valeska Merklinger, die „großen Schwestern“, lernen gemeinsam mit Efarem Negasi Deutsch, helfen ihm auch bei den Schularbeiten. Ein Integrationsprojekt, das fast schon nach Nachahmern schreit. Potenzial wäre zweifelsohne vorhanden.
Wie der Eritreer zu Franz Bettenbauer gekommen ist? Im Rahmen eines Werkstattnachmittages waren mehrere Flüchtlinge nach Kohlstatt gekommen. Letztlich kristallisierte sich der baldige Lehrling als Ideallösung heraus. Raphael Lempert erklärt: „Efarem hat bereits in seiner Heimat im Holzbereich gearbeitet. Man merkt, dass er mit diesem Material umgehen kann. Allerdings sind die Arbeitstechniken doch sehr unterschiedlich. Doch Efarem ist sehr wissbegierig und fleißig.“
Kritik üben die Bettenbauer an der Bürokratie und den vielen Hindernissen bei der Integration von Flüchtlingen in Gesellschaft und Arbeitswelt. Im deutsch-österreichischen Grenzgebiet arbeitend, hat Raphael Lempert auch einige Auftraggeber im Nachbarland. Bei der dortigen Montage muss der Schreinermeister allerdings auf seinen Lehrling verzichten.
„Die Konsequenzen würde nicht ich tragen, sondern Efarem“
„Efarem darf das Land nicht verlassen. Ich habe aber viel Kundschaft in Österreich. Eine blöde Situation – zumal die Konsequenzen nicht ich zu tragen hätte, sondern Efarem.“ Dinge, die sich noch ändern müssen. Das Franz-Bettenbauer-Team ist aber zuversichtlich. Zumal die regionale Betreuung und Unterstützung vorbildlich sei – sowohl hinsichtlich Hilfsorganistion und Netzwerken als auch innerhalb der Bevölkerung.“ Die direkten Nachbarn in Kohlstatt finden unser Engagement gut“, bestätigt Lempert, der selbst in der kleinen Ortschaft an der Grenze aufgewachsen ist.

Drei Gemeinden, zwei Länder, ein Dorf: Kohlstatt gehört zu den Kommunen Breitenberg, Wegscheid und Julbach, also zu Deutschland und Österreich.
Viel Zeit und Energie haben er, Vroni Hackl, Valeska Merklinger, Marc Hillig und Christopher Huff in ihr Projekt investiert. „Eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung“, fassen sie es mit einem Augenzwinkern zusammen. Nun hoffen sie noch auf volle Auftragsbücher und einige Schreinereien, die das Bettenbauer-Konzept übernehmen wollen. Und wer weiß, vielleicht hilft ihnen ja auch ihr berühmter Namensgeber, die „Lichtgestalt“ des Fußballs, wenn dieser seine Karriere endgültig beendet hat…
Helmut Weigerstorfer