Zwiesel. „400.000 bis 450.000 Euro operative Kosten stehen 250.000 Euro Marketinggeld gegenüber.“ Diese Botschaft sendete Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger am Donnerstag vergangener Woche per E-Mail an die örtlichen Ratsmitglieder, Beherbergungsbetriebe und Pressevertreter. Betreff und Quintessenz der E-Mail: „Nicht vorsteuerabzugsberechtigte Gemeinden zahlen 19 Prozent mehr Personalkosten bei der Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald GmbH. Falsche Gesellschaftsform kostet 150.000 bis 200.000 Euro.“
Das Onlinemagazin da Hog’n hat FNBW-Aufsichtsratsvorsitzenden Herbert Schreiner (im Folgenden rot gekennzeichnet) gebeten, schriftlich Stellung zu den Vorwürfen, Behauptungen und Rechenbeispielen Steiningers zu nehmen. Ein virtuelles Streitgespräch.
![bühne_schreinersteininger](http://www.hogn.de/wp-content/uploads/2015/11/bühne_schreinersteininger-600x254.jpg)
Uneins in der Debatte um die Ferienregion Nationalpark Bayerischer Wald (FNBW): FNBW-Aufsichtsratsvorsitzender Herbert Schreiner (links) und Zwiesels Bürgermeister Franz Xaver Steininger. Grafik: Eva Pi
Steininger: „(…) Aufgrund des (…) Zeitungsartikels (…) ist zu vermuten, dass große Teile der politischen Gemeinde Bay. Eisenstein den Strukturfehler der FNBW erkannt haben. Ich habe (…) mit einer anderen Gemeinde gesprochen, in der die Verwaltung vor der Ratsentscheidung ebenfalls auf die finanziellen Auswirkungen hingewiesen hat, sich die Politik jedoch nicht davon abbringen hat lassen, einen Beitrittsbeschluss zu fassen. Kurz gefasst: 400.000 bis 450.000 Euro operative Kosten stehen 250.000 Euro Marketinggeld gegenüber.“
Schreiner: „Dies war von Anfang an so geplant und bekannt. Man kann nicht für eine Region Werbung machen und niemanden haben, der die Werbung macht. Schon 2012 war klar, dass die FNBW Personal für das operative Geschäft benötigt und dies war auch innerhalb der Bürgermeister immer unstrittig.“
Steininger: „Etwas detaillierter ausgeführt: Einbezahlte Marketinggelder der Gemeinden für die GmbH, ca. 500.000 Euro. Daraus werden ca. 250.000 Euro für Personal und Betriebskosten entnommen und es bleiben ca. 250.000 Euro Marketinggelder übrig.“
Schreiner: „Diese Marketinggelder machten es der Region im Jahr 2015 möglich, auf allen großen Tourismusmessen vertreten zu sein und die Werbetrommel für unsere Region zu rühren. Welche Kommune kann es sich heute noch alleine leisten kosten- und personalintensive Messen zu beschicken. Keine – und daher ist die Regionsvermarktung und der gemeinsame touristische Auftritt der Nationalparkregion alternativlos. Ein weiteres Beispiel ist die Auflage der Prospekte der FNBW in allen Nationalparkeinrichtungen und am Baumwipfelpfad. Vorher war dies für alle Kommunen nicht möglich, heute erreichen wir mit dem Regionsprospekt jährlich eine Million Besucher des Nationalparks.“
Steininger: „Der Systemfehler neben o.g. Tatsache ist die Gesellschaftsform GmbH. Die Stadt Zwiesel hat immer wieder darauf hingewiesen, dass ein Kommunalunternehmen oder ein Zweckverband bei ausschließlich kommunalen Teilnehmer aus verschiedenen Gründen die bessere Betriebsform, u.a. auch wirtschaftlichere ist.“
Schreiner: „Bereits 2012 wurde eingehend über die Rechtsform im Zuge der Neustrukturierung gesprochen. Es wurden die verschiedenen Möglichkeiten dargelegt und breit diskutiert. Das System – Trägerverein und GmbH – wurde im Vorfeld von allen favorisiert und bei der Zukunftswerkstatt (Veranstaltung im Vorfeld der Gründung) am 22.01.2013 so auch beraten und genehmigt. Grund hierfür war hauptsächlich die Erkenntnis, dass der Tourismus entpolitisiert werden sollte – und wir als Bürgermeister und Kommunen denen den Tourismus machen lassen sollten, die ihn gelernt haben und auch können: den Touristikern. Dies ging nur mit der Rechtsform Trägerverein und GmbH, wobei der Einfluss der Kommunen auf die GmbH über den Aufsichtsrat sichergestellt ist. Jetzt kommt plötzlich eine andere Rechtsform ins Spiel, mit der der Einfluss der Politik auf den Tourismus wieder verstärkt werden soll. Dies war nicht der Grundgedanke und die GmbH ist auch kein Systemfehler, sondern nur denen ein Dorn im Auge, die einfach nicht loslassen können – oder wollen.“
Steininger: „Beispiel: Eine Gemeinde mit ca. zwei Mitarbeitern in der Touristinformation kann i.d.R. die durch die GmbH entstehende Mehrwertsteuer von 19 Prozent nicht absetzen (nicht vorsteuerabzugsberechtigt) – und es fallen dann kommunalintern ca. 15.000 bis 20.000 Euro zusätzliche Personalkosten an. Nehmen wir im Mittel zehn Kommunen an, die die Mehrwertsteuer nicht geltend machen können, werden durch die falsch gewählte Gesellschaftsform ca. 150.000 bis 200.000 Euro an Steuergelder regelrecht verbrannt.
Das heißt zusammengefasst, das System ‚FNBW GmbH, Zentrale Spiegelau‘ generiert ca. 400.000 bis 450.000 Euro Personalkosten zzgl. die echten Personalkosten in den kommunalen Tourist-Info-Betrieben (die von den Kommunen weiter zu bezahlen sind) – und hat nur ca. 250.000 Euro Marketinggeld zur Verfügung. 400.000 bis 450.000 Euro Personal- u. Betriebskosten stehen 250.000 Euro Marketinggeld gegenüber.“
Schreiner: „Wenn jetzt durch Bürgermeister Steininger der steuerliche Bereich der Kommunen angesprochen wird, dann ist dazu vorab festzustellen, dass erstens diese Zahlen vollkommen falsch sind und zweitens es ihn nichts angeht wie andere Kommunalparlamente entscheiden. Allerdings müsste er als ehemaliger Vorsitzender der Projektsteuergruppe und Aufsichtsrat in der GmbH dieses Konstrukt eigentlich kennen. Von den 13 Mitgliedskommunen in der Ferienregion haben neun Kommunen ihren touristischen Bereich der Steuer unterworfen. Zwei Gemeinden haben das bisher noch nicht getan, sind aber bestrebt dies zu erledigen. Zwei Kommunen haben kein eigenes Personal im touristischen Bereich. Die beiden Kommunen, die nicht der Steuer unterliegen, müssen für ihre Personalkosten nach jetzigem Stand 19 Prozent Mehrwertsteuer zusätzlich entrichten. Dies ist in den Kommunen bekannt und auch immer so propagiert worden. Die beiden Kommunen haben sich aber dennoch vorausschauend für die Vorteile der Ferienregion entschieden.
Zusätzlich arbeiten wir derzeit dazu auch noch mit dem Abschlussprüfer zusammen, da es hier auch die Möglichkeit geben könnte, steuerlich anders zu verfahren. Sind aus den beiden Kommunen jeweils eine Vollzeitstelle zum Übergang geplant, so fallen ca. 14.000 Euro Mehrwertsteuer pro Jahr an. Wo diese ‚falsch gewählte Gesellschaftsform‘ 150.000 bis 200.000 Euro Steuergelder bei der Mehrwertsteuer bei den Personalkosten ‚verbrennt‘, ist uns unerklärlich. Wie man so etwas behaupten und in die Welt setzen kann, ist uns ebenfalls unerklärlich – und entbehrt jeder Grundlage und jeder objektiven Information.“
Steininger: „Seit über zwei Jahren versuchen wir das den politischen Vertretern und Entscheidungsträgern der zwölf Gemeinden klar zu machen – fast keine Chance, diesen Blickwinkel einzunehmen.“
Schreiner: „Seit Kollege Steininger seine Meinung von einem Tag auf den anderen radikal geändert hat, versuchen zwölf Mitgliedskommunen ihm klarzumachen, den Blickwinkel der GmbH einzunehmen und dem gemeinsamen Tourismus in unserer Region eine reelle Chance zu geben. Die zwölf Bürgermeister der Region haben erkannt, dass die Zukunft im Tourismus in der Zusammenarbeit über den Tellerrand hinaus und in der Destinationsvermarktung liegt. Nur so wird man am harten touristischen Markt auf Dauer überleben können. Kräfte bündeln, Synergien schaffen und gemeinsam für eine Region einstehen, das erachten wir als zukunftsweisende Strategie im Tourismus. Es ist immer einfach, zwölf verantwortungsvolle Bürgermeister der Region als unfähig hinzustellen, mit falschen Fakten und Zahlen zu operieren und Halbwahrheiten und Gerüchte in die Welt zu setzen. Die Frage sei erlaubt, wer hier auf dem richtigen Wege ist.“
Steininger: „Lediglich die Gemeinde Rinchnach hat das vorher erkannt und ist dem Verein und somit dem GmbH-System nicht beigetreten. Die politische Gemeinde Bay. Eisenstein hat das offensichtlich nun auch als wirtschaftlich höchst bedenklich erkannt – und wird das Personal nicht (mit einem 19-prozentigen Zuschlag) an die GmbH übergeben.“
Schreiner: „Schauen Sie sich die Übernachtungszahlen der Gemeinde Rinchnach an. Diese sprechen eine deutliche Sprache. Seit Rinchnach Einzelkämpfer ist und sich mit einem bescheidenen Werbeetat selbst verwaltet, sind die Übernachtungszahlen von 2011 bis 2014 von 60.700 auf 46.100 um fast 25 Prozent gefallen. Auch bei den Gästeankünften steht mit 1.100 Gästen weniger in den letzten drei Jahren ein dickes Minus zu Buche. Die Gemeinde Bayer. Eisenstein hat den Tourismus der Steuer unterworfen – und braucht daher den 19-prozentigen Zuschlag auch nicht zu bezahlen (Vorsteuerabzug). Warum schon wieder diese grundfalsche und unwahre Feststellung.“
Steininger: „Das fehlerhafte Projektdesign wird mit hoher Wahrscheinlichkeit ein Projekt-Change nach sich ziehen.“
Schreiner: „Ich kann beim besten Gewissen kein fehlerhaftes Projektdesign feststellen – und auch eine Änderung des Projekts ist derzeit nicht angesagt.“
da Hog’n
Mehr zum Thema gibt’s hier (einfach klicken) zu lesen.