Mamming. Vor rund 15 Jahren zählte er zu den jüngsten Unternehmern Bayerns. Mit 16 machte er sich selbständig und gründete eine Agentur für Onlinemarketing. Erst dann folgten das Abitur und die Ausbildung zum Fachinformatiker. Am Valentnistag 2014 („dieses Datum werde ich so schnell nicht vergessen“) hat Christian Wenzl aus Mamming erneut ein internetbasiertes Unternehmen ins Leben gerufen – gemeinsam mit seiner Frau Melanie (29) stieg der Online-Experte in den Handel mit Räucherstäbchen ein. Das Baby, das vor knapp zwei Jahren geboren wurde, nennt sich luxflair.de – ein Onlineshop, der mehr als 60 verschiedene Sorten Räucherstäbchen (hergestellt in Indien und China), verschiedene Deko-Elemente sowie Produkte aus Filz im Sortiment führt.

Vom Luxflair-Senkrechstart und der rasanten Entwicklung des Betriebs, in dem auch Christians Eltern tatkräftig mitanpacken, sind die Wenzls begeistert. „Fast wie im Traum“, bringt der 31-Jährige seine Freude auf den Punkt. Das Erfolgsgeheimnis: ein hoher Qualitätsanspruch sowie eine vollautomatisierte Systematik für die Aussendung der Pakete. Rund 500 Quadratmeter Lagerfläche in und um Mamming werden mittlerweile für die Waren benötigt. „Wir haben provisorisch in der Garage und im Speicher begonnen – und mussten dann schnell umdenken, um das Platzproblem in den Griff zu bekommen.“ Derzeit bauen die Wenzls erneut aus.
Im Gespräch mit dem Onlinemagazin da Hog’n berichtet Unternehmer Christian Wenzl über die Anfänge seines Onlineshops, seine Reisen nach Indien und China sowie die Beziehungen, die er seitdem zu diesen Ländern pflegt. Außerdem erzählt er von einem Ziegenprojekt, das er für hilfsbedürftige Menschen in Indien ins Leben gerufen hat.
„Das hatte mich, offen gesagt, in meiner Ehre verletzt“
Wie ist es dazu gekommen, mit Räucherstäbchen Handel zu treiben?
Ich bin ja seit vielen Jahren beratend in Sachen Onlinemarketing tätig. Dabei gebe ich unter anderem Seminare darüber, wie ein Onlineshop funktioniert und wie man diesen aufbaut. Eine skeptische Teilnehmerin hatte mich irgendwann einmal angesprochen und gemeint: ‚Herr Wenzl, ich glaube Ihnen keinen Wort. Wenn Sie selbst davon überzeugt wären, dass man damit Geld verdienen kann, hätten Sie doch schon lange selbst einen Onlineshop – und würden nicht bloß darüber reden.‘ Das hatte mich, offen gesagt, in meiner Ehre verletzt (lacht)… Doch im Nachhinein bin ich ihr echt dankbar, dass sie mich darauf angesprochen hat. Denn: So unrecht hatte sie gar nicht…

Und dann kam’s zur Probe aufs Exempel?
Richtig. Für uns war von Anfang an klar, dass wir keinen Ramsch verkaufen möchten, sondern Produkte, an denen wir selbst Spaß haben und mit denen wir uns auskennen. Und da ich seit meinen Jugendtagen ein großer Freund von Räucherstäbchen bin, fiel die Wahl eben relativ schnell auf dieses Produkt.
Wie ging’s dann los?
Zuerst einigten wir uns darauf, dass wir das Projekt mit voller Überzeugung – und nicht mit halbem Herzen in Angriff nehmen. Viele fangen ja etwas dilettantisch an, schnuppern eher zögerlich ins neue Metier rein. Ich hab zu meiner Frau gesagt: ‚Weißt Du was? Lass uns doch gleich einen Container kaufen.‘ (lacht) Mein Gedankengang dabei: Wenn ich da jetzt nur eine geringe Menge einkaufe, dann fehlt mir der Anreiz, der nötige Druck, die Produkte wieder weiterzuverkaufen. Außerdem: Wenn ich ein Produkt kaufe, das schon durch die Hände von fünf Händlern gegangen ist, bleibt am Ende kein guter Preis übrig.
„Wir sind jetzt bei rund 150 Bestellungen pro Tag“
Du hast erzählt, dass Du Dich von klein auf mit Räucherstäbchen beschäftigst. Was ist das Besondere daran?
Für mich persönlich hatten die Räucherstäbchen immer etwas Entspannendes. Eine Leidenschaft, die mich runtergebracht hat. So wie manche sich eine Duftkerze anzünden, hab ich mir die Stäbchen angezündet. Das hat keinen religiösen oder esoterischen Hintergrund, sondern es geht einfach darum, wie der Firmenname Luxflair schon sagt, ein angenehmes Flair im Raum zu verbreiten.
Wie viele Räucherstäbchen werden monatlich in Umlauf gebracht?

Letztes Jahr im Sommer ist der Verkauf offiziell losgegangen. Zuvor hatten wir uns akribisch darauf vorbereitet und unter anderem viel Zeit und Geld in die Produktgestaltung gesteckt. Unsere Verpackungen etwa sind individuell für uns gefertigt worden. Was uns zum Start dann sogleich in die Hände gespielt hat: Im Herbst und im Winter sind Räucherstäbchen offensichtlich gefragter als in den wärmeren Jahreszeiten. Der Aufschwung war uns deshalb gewiss, obwohl wir damit gerechnet hatten, irgendwann einen Einbruch zu verzeichnen… doch dem war nicht so. Wir wachsen von Beginn an Monat für Monat. Wir sind jetzt bei rund 150 Bestellungen pro Tag. Wir denken uns immer wieder neue Sachen aus, die wir selbst gut finden, wie etwa Räucherstäbchen mit Citronella-Öl – die sowohl gut duften als auch die Mücken vertreiben.
„Lass uns doch ins Land der Räucherstäbchen fliegen“
Klingt alles sehr erfolgreich…
Ja, irgendwie schon. Fast wie im Traum. Wir freuen uns darüber, dass es geklappt hat. Aber – und das sage ich inzwischen jedem meiner Kunden – man darf eben auch keine Angst haben, sondern muss einfach auch mal vertrauen können und auf die Chancen schauen. Das Wichtigste: Du musst die Sachen tun, die Dir Spaß machen und hinter denen Du stehst.
Du lässt Deine Ware in China und Indien fertigen – wie kam’s dazu?
Wir haben uns gefragt: Was verbindet man mit Räucherstäbchen? Unsere erste Antwort: China. Unsere Maxime lautet: Wenn ich ein gutes Produkt haben möchte, dann gehe ich in das Land, wo das Produkt ursprünglich herkommt. Und da Deutschland jetzt nicht unbedingt das Land der Räucherstäbchen ist, sind wir mit China und Indien in die Länder gegangen, wo sie eine hunderte Jahre lange Tradition haben.
Aber die Produktionskosten haben doch sicherlich auch eine Rolle gespielt, oder?
Richtig. Wir denken, dass Räucherstäbchen in Deutschland gar nicht sinnvoll produzierbar wären. Jedes einzelne unserer Räucherstäbchen wird – und das ist ein entscheidendes Qualitätsmerkmal, dessen Bedeutung mir zuvor nicht bewusst war – manuell gefertigt.
Ehrlich gesagt: Da entstehen sogleich Bilder von Kindern im Kopf, die mit wunden Händen für einen Hungerlohn Räucherstäbchen am Fließband produzieren.
Nein, so lassen wir unsere Produkte sicher nicht herstellen. Die Arbeitskräfte in Indien verdienen etwa 5,50 Euro am Tag. Das klingt für europäische Ohren nach wahnsinnig wenig – ist jedoch verhältnismäßig vergleichbar mit dem, was bei uns ein BMW-Arbeiter in der Fertigungsstraße verdient. Wenn Du in der BMW am Band arbeitest, sagst Du vermutlich nicht: ‚Das ist meine Lebenserfüllung.‘ Aber die Leute kommen verdienstmäßig gut über die Runden. Und ähnlich ist es in der Fabrik in Indien, einem großen Familienbetrieb in vierter Generation mit rund 400 Angestellten.
Zuletzt haben wir 950.000 Packungen per Container geliefert bekommen. In einer Packung befinden sich acht Räucherstäbchen. Das macht 7,6 Millionen Räucherstäbchen in einer Lieferung. Das wäre in der – nennen wir’s mal – deutschen Fertigungsweise so nicht möglich. Abgesehen von den viel höheren Herstellungskosten: Ein Räucherstäbchen ‚made in Germany‘ ist aus meiner Sicht, wie gesagt, nicht authentisch und hätte somit keinen Wert. Ich möchte ja das Traditionelle, das Originäre.
Filmaufnahmen aus der Räucherstäbchen-Fabrik in Bangalor/Indien:
Und wie findet man eine Räucherstäbchen-Fabrik in China?
Ich habe damals zu meiner Frau gesagt: Lass uns doch nach China, ins Land der Räucherstäbchen fliegen. Dort angekommen, haben wir uns sogleich eine Vielzahl unterschiedlicher Räucherstäbchen in einem gewöhnlichen Laden gekauft. Wir haben diese dann auf die Qualität, Optik, Konsistenz usw. geprüft – und uns letztlich für die Sorte Räucherstäbchen entschieden, von der wir am meisten begeistert waren. Daraufhin sind wir zum Concierge in unserem Hotel gegangen und haben ihn gefragt, was denn auf der Verpackung da so alles geschrieben steht. Unter anderem war darauf der Name der Firma zu lesen, die die Stäbchen produziert. Der Concierge meinte dann auf unsere Frage, wo die Firma zu finden sei, mit einem Lächeln: ‚Sie haben Glück, der Betrieb hat etwa 500 Meter von hier seinen Sitz.‘ Und so kam dann die Sache zustande. Das war schon ein riesengroßer Zufall…
…und Ihr habt dann gleich mal einen Container voll Ware bestellt. Riskant, oder?
Ja, das stimmt. Aber wie ich schon sagte: Wenn wir was anpacken, dann gleich richtig. Wir haben uns getraut, das Risiko einzugehen, weil wir selbst zu 100 Prozent von unserer Idee und von unseren Produkten überzeugt sind.
Wie häufig reist Ihr nach Indien bzw. China?
In China sind wir mindestens einmal im Jahr – in Indien bin ich heuer schon das dritte Mal gewesen. Das hat mehrere Gründe. Einerseits möchte ich meinen Geschäftspartnern eine gewisse Wertschätzung entgegenbringen, indem ich sie persönlich treffe. Das ist mir wichtig, um auch ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihnen aufzubauen. Andererseits will ich wiederum meinen Kunden in Deutschland zeigen können, nachdem wir vor Ort uns umgesehen und Fotos sowie Filmaufnahmen gemacht haben, wie das dort in Indien oder China mit der Produktion genau vonstatten geht. Das ist transparent – und steigert wiederum das Vertrauen meiner Kunden gegenüber unseren Produkten.

Mit den indischen Geschäftspartnern gehen wir zum Essen, um sich auch fernab des geschäftlichen Verhältnisses besser kennenzulernen. Mittlerweile ist daraus ein fast schon freundschaftliches Verhältnis entstanden. Und ein weiterer Grund, warum ich immer wieder mal dorthin fliege, sind unsere Ziegen.
Ziegen?
(lacht) Das läuft so: In Indien bin ich nicht nur mit meinen Geschäftspartnern unterwegs, sondern bekomme ja auch immer wieder mit, wie es dem Großteil der Menschen dort geht. Ich sehe die verschmutzten Flüsse, die Armenviertel, die vielen Notleidenden. Ich bin bei meinem ersten Besuch stundenlang an einem dieser stinkenden Flüsse gehockt, um die Umgebung, in der diese Menschen leben, auf mich wirken zu lassen. Und ich hab mir überlegt: Was kann ich tun? Und zwar nachhaltig? Geld ist keine Lösung, das wird nie bei denjenigen ankommen, die es wirklich benötigen.

Die Idee, die wir dann gemeinsam mit einem indischen Pfarrer geschmiedet haben, ist das Projekt ‚Rahad‘: Es geht dabei darum, Ziegenpärchen an verarmte Familien weiterzugeben. Ziegen geben Milch, die sehr gut fürs Immunsystem ist. Die Nahrungsquelle ist damit also gesichert. Und die Nachhaltigkeit ist dadurch gegeben, dass sich das Ziegenpärchen irgendwann fortpflanzt – und dann werden aus zwei Ziegen schnell mal drei oder vier. Das erhöht die Milchmenge, die zur Selbstversorgung oder zum Weiterverkauf dient. Dadurch hat die Familie eine Einnahmequelle.
Man muss wissen: Ein Ziegenpärchen ist für indische Verhältnisse nahezu unerschwinglich. Es kostet um die 100 Euro, das kann sich ein normaler Arbeiter nicht leisten – ein Arbeitsloser schon gar nicht. Momentan sind wir dabei, eine Ziegenfarm in Indien aufzubauen, um das Projekt noch nachhaltiger umsetzen zu können. Uns ist bewusst, dass das momentan nur ein Tropfen auf den heißen Stein ist, doch jedes erfolgreiche Projekt hat einmal klein angefangen. Und jeder Mensch, den man dadurch unterstützen kann, zählt.
Wer gehört zu Deinen Online-Kunden?
Von Privatpersonen bis hin zu Firmen ist alles mit dabei – deutschlandweit. Wir haben momentan einen Stamm von etwa 20.000 Kunden. Erstaunlich ist, dass ich am wenigsten in der eigenen Region verkaufe (lacht). Niederbayern ist, was Räucherstäbchen anbelangt, noch sehr konservativ. Bei meiner Postleitzahl bringe ich keine hundert Kunden zusammen.
Abschließende Frage: Wie groß ist die Konkurrenz auf dem Räucherstäbchen-Markt?
Die ist sehr groß. Auch das war ein ausschlaggebender Grund, warum wir uns für Räucherstäbchen entschieden haben. Denn: Bei einem Nischenprodukt ist’s relativ einfach, erfolgreich zu sein. Bei Amazon gibt es 13.000 verschiedene Anbieter von Räucherstäbchen – auf Platz eins und zwei werden unsere Produkte gelistet. Es gibt in Deutschland in unserer Größenordnung etwa fünf weitere Händler. Dann gibt es viele viele kleinere. Wir sind keine Großhändler – und wollen auch nicht in dieser Riege auftauchen, sondern Groß-Importeure, die auch den Einzelkunden beliefern.
Vielen Dank für das Gespräch und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Stephan Hörhammer