Freyung. Dass für eine Vielzahl von Unternehmen im Landkreis Freyung-Grafenau Begriffe wie „Digitalisierung“, „Social Media“ oder „Online-Marketing“ auch 25 Jahre nach dem Durchbruch des Internets nach wie vor Fremdwörter sind, ist leider traurige Realität. Mehr als 70 Prozent aller mittelständischen Betriebe in Niederbayern sind laut Dr. Mikko Klein, Leiter der Sparkassen-Firmenkundenbetreuung, bis dato im Netz nicht vertreten – und somit in der digitalen Welt quasi nicht existent. Die hiesige Wirtschaft finde nur schleppend ihren Weg dorthin (ein Lied, das im Übrigen auch die Macher des Onlinemagazins da Hog’n täglich aufs Neue mitsingen können…) Diese und andere Erkenntnisse standen im Mittelpunkt eines kurzweiligen Unternehmerabends unter dem Motto „Das ChancenReich – der Landkreis Freyung-Grafenau“, der am Mittwoch im Atrium der Sparkassengeschäftsstelle in Freyung stattfand.
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„Was ist Reichtum?“ Diese Frage gab Stefan Prosser, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Freyung-Grafenau, eingangs der „ChancenReich“-Veranstaltung ans Publikum weiter.
Bereich „Mobile“ immer relevanter und interessanter
Als Gastredner führte – nach den Grußworten von Vorstandsvorsitzendem Stefan Prosser, Verwaltungsratsvorsitzendem/Landrat Sebastian Gruber und Dr. Mikko Klein – der mit 22 Jahren digitaler Berufserfahrung ausgestattete Ingo Horak ins Thema „Digitalisierung der Wirtschaft“ ein. Horak war u.a. bei Siemens, Gruner+Jahr, AOL, Web.de und Otto für die Bereiche Business&Finanzen, Produktentwicklung, Paid Services, E-Commerce etc. zuständig. Derzeit ist der 45-Jährige überwiegend als Unternehmensberater in London und Hamburg tätig. Im Mai 2007 gründete Horak die DocInsider GmbH, ein internetbasiertes Patientenportal zur Auswahl von geeigneten Dienstleistern im Gesundheitswesen. Er ist der Meinung: „Die digitale Revolution findet mit – oder ohne uns statt“ – was übersetzt so viel bedeutet wie: „Entweder man beschäftigt sich als Unternehmer mit der Materie – oder man bleibt langfristig auf der Strecke. Verhindern oder gegen diese Entwicklung wehren kann man sich ohnehin nicht, wenn man auch in Zukunft wirtschaftlich erfolgreich arbeiten möchte.“
Insbesondere der Bereich „Mobile“, also das „Internet to go“, gewinne immer mehr an Bedeutung – vor allem bei den jüngeren Nutzern im Alter von 14 bis 29 Jahren. Diese Gruppe entferne sich zunehmend von klassischen Medien wie Tageszeitungen oder Zeitschriften und tendiere in Sachen Mediennutzung mehr und mehr zum internetfähigen Smartphone oder Tablet. „Das Internet schlägt bei den Jüngeren mittlerweile das Fernsehen“ – eine statistisch-gesicherte Information, die gerade beim Thema Marketing und Produktplatzierung eine entscheidende Rolle spiele. Ein wichtiges Marketing-Prinzip im digitalen Werbungssektor lautet dabei: „Geld folgt Augen“. Auf dem Vormarsch sind daher Video-Werbespots, Suchmaschinen- und Bannerwerbung sowie Social-Media-Advertising. Die Umsatzentwicklung bei der Digitalwerbung beeindrucke mit stetig wachsenden Zahlen.
Personenzentrierte Werbung mehr und mehr auf dem Vormarsch
Ebenso rasant entwickele sich der Online-Handel sowie der Einfluss sozialer Medien auf die Werbung. „Die größte Dynamik ist hier bei Facebook zu erkennen“, berichtete Horak. „Die Tendenz gehe zur benutzerdefinierten, personenzentrierten Werbung. Die Marken müssen die Bedürfnisse der Kunden abdecken.“ Facebook bezeichnete der Referant als „Geldmaschine“ – 12,5 Milliarden Jahresumsatz bei 1,5 Milliarden Nutzern sprechen eine deutliche Sprache.
Zusammenfassend gab Horak den Unternehmern aus FRG folgendes mit auf den Weg:
- Digitalisierung als Chance verstehen und nutzen
- Keine Angst vor Kannibalisierung (passiert ohnhin)!
- Relevanz Internet für das eigene Unternehmen prüfen
- Angrenzende digitale Geschäftsmodelle auf- oder ausbauen
- Systematische und professionelle Umsetzung
![Chancenreich_Sparkasse_Landkreis FRG (31)](http://www.hogn.de/wp-content/uploads/2015/11/Chancenreich_Sparkasse_Landkreis-FRG-31-600x400.jpg)
Gespräche über die wirtschaftliche Lage des Landkreises FRG und den Status quo der Digitalisierung in der Heimatregion führten (v.l.) IHK-Geschäftsführer Walter Keilbart, Sparkassenvorstandsmitglied Dr. Mikko Klein, SCS-Unternehmenschef Dietmar Hoffmann und Landrat bzw. Verwaltungsratsvorsitzender Sebastian Gruber.
„Sind in Niederbayern auf einem guten Niveau angekommen“
Bevor die Teilnehmer des Unternehmerabends dazu übergingen, sich von Angesicht zu Angesicht zu unterhalten und ihre Visitenkarten auszutauschen, wurde im Rahmen einer kleinen Talkrunde über den derzeitigen Status quo der Region Niederbayern im Allgmeinen und des Landkreises Freyung-Grafenau im Besonderen gefachsimpelt. „Wir sind in Niederbayern auf einem guten Niveau angekommen“, gab Walter Keilbart eine durchaus positive Bewertung zur momentanen wirtschaftlichen Gesamtlage und der regional erzielten Wertschöpfung ab. Im Landkreis FRG sei die Kurve deutlich nach oben gegangen, so der IHK-Geschäftsführer. Insbesondere das produzierende Gewerbe nehme er als starkes Standbein wahr. „Der Landkreis ist breit aufgestellt und gut diversifiziert“, pflichtete ihm Landrat Sebastian Gruber bei. Es gehe darum, die eigene Leistung nicht unter den Scheffel zu stellen, sondern mit Selbstbewusstein und den veränderten Marketingstrategien angepasst vorauszuschauen. Das kooperative Verhalten unter den Wettbewerbsteilnehmern sei dabei von entscheidender Bedeutung, wie Keilbart betonte.
![Chancenreich_Sparkasse_Landkreis FRG (7)](http://www.hogn.de/wp-content/uploads/2015/11/Chancenreich_Sparkasse_Landkreis-FRG-7-600x400.jpg)
Mehr als 100 Interessierte lauschten am Mittwochabend aufmerksam den Ausführungen der Referenten und Teilnehmern der Gesprächsrunde.
Die Frage, inwieweit das Schönberger Unternehmen „SCS – Supply Chain Services“ bereits durch die Digtialisierung bzw. Globalisierung geprägt worden sei, beantwortete Firmenchef Dietmar Hoffmann kurz und knapp mit den Worten: „Logistik ist immer global.“ Wenn man international mitspielen möchte, müsse man sich immer global positionieren. Ein Ratschlag, den sein Unternehmen, das auf die Optimierung von Waren- und Informationsströmen spezialisiert ist, logistische Dienstleistungen rund um die Wertschöpfungskette anbietet und sich mittlerweile zu den Top-50 Betrieben Bayerns zählen darf, von Anfang an beherzigt habe. Der Digitalisierungsprozess von SCS habe dabei eine entscheidene Rolle gespielt, ebenso die damit einhergehnde enge Verzahnung mit den Kunden.
Zum Thema Breitbandförderung berichete Landrat Gruber, dass der Freistaat Bayern bis zu 1,5 Milliarden Euro zur Verfügung stelle, um alle Kommunen mit schnellem Internet auszustatten. „Hier sind wir auf einem guten Weg.“ Probleme hingegen gebe es bei der Erschließung des Mobilfunknetzes – der Grund: Hier müssten Städte und Gemeinden mit Privatanbietern verhandeln, weshalb der Ausbau nur schleppend vorangehe. Danach gefragt, welche drei Argumente dafür sprächen, in den Landkreis Freyung-Grafenau zu investieren, erwiderte Gruber zum einen, dass die Region besonderes Potenzial biete und sich sehr gut „aus sich selbst heraus“ entwickeln könne. Ein weiteres Plus: Die hiesigen Mitarbeiter in den einzelnen Betrieben, die eine sehr hohe Unternehmenstreue vorweisen. Und: Die attraktive Work-Life-Balance, die den Landkreis insbesondere auch für Familien attraktiv mache.
Stephan Hörhammer