Freyung-Grafenau. Bäckereien im Landkreis Freyung-Grafenau suchen Azubis – oft vergeblich. Noch immer registriere die Arbeitsagentur offene Lehrstellen im Bäcker-Handwerk. Die Zahl der Auszubildenden in der Branche sei in den vergangenen zehn Jahren sogar um zwei Drittel zurückgegangen. Mittlerweile würden auch die bayerischen Berufsschulen über immer weniger Azubis und mehr Abbrecher bei den Bäckern klagen. Der Grund: Die bereits jetzt harten Arbeitsbedingungen in der Branche sollen sich weiter verschlechtern – wenn es nach dem Willen der Arbeitgeber geht. Darauf hat die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) in einer Pressemitteilung hingewiesen.
Und es könnte bald zu einer noch größeren „Nachwuchs-Krise“ im Bäcker-Handwerk kommen, warnt die NGG Niederbayern. Denn nachdem die Arbeitgeber – der Landes-Innungsverband des bayerischen Bäcker-Handwerks – den aktuellen Tarifvertrag für die Branche gekündigt haben, wollen sie drastische Einschnitte durchsetzen – weniger Urlaubstage, mehr Sonntagsarbeit, Streichung des Urlaubsgeldes. „Damit wird der Job als Geselle oder Verkäuferin in Bäckereien immer unattraktiver. Wie will man so noch Azubis finden?“, fragt Kurt Haberl von der NGG Niederbayern. Die Arbeitgeber seien dabei, die Zukunft des Bäcker-Handwerks aufs Spiel zu setzen.
Die Bäcker haben die „rote Laterne“ unter den Handwerksberufen
„Die rund 310 Bäcker und Verkäuferinnen im Kreis Freyung-Grafenau machen einen harten Job. Sie arbeiten, wenn andere schlafen – oft mitten in der Nacht oder am Feiertag“, wird der NGG-Geschäftsführer in der Meldung zitiert. Es sei daher ein Unding, den Beschäftigten jetzt auch noch das Urlaubsgeld zu nehmen. Die Arbeitgeber wollten zudem durchsetzen, dass Heiligabend und Silvester für die Bäckerei-Beschäftigten keine besonderen Tage sind: Die tariflichen Sonderbezahlungen sollten drastisch zurückgefahren werden, so die NGG. Dabei habe die Branche schon jetzt die „rote Laterne“ unter den Handwerksberufen. „Mehrere bayerische Berufsschulen haben sich deshalb bei der Landes-Innung beschwert. Sie fordern, die Verschlechterungen zurückzunehmen“, berichtet Haberl.
In bislang zwei Verhandlungsrunden hätten die Arbeitgeber weiter „auf stur geschaltet“, so der Gewerkschafter. Man wolle den Beschäftigten im Landkreis Freyung-Grafenau einen regelrechten „Horror-Katalog“ verordnen. „Die Arbeitgeber setzten sogar noch eins drauf“, sagt Haberl. Zum Beispiel beim Urlaub: Bisher gab es den vollen Urlaub von sechs Wochen nach vier Jahren Betriebszugehörigkeit. Die Landes-Innung wollte jedoch 13 Jahre durchsetzen, teil Gewerkschaft in einer Meldung an die Medien mit. Kurt Haberl: „Als wir auf der alten Regelung beharrt haben, erhöhten die Arbeitgeber sogar dreist auf 15 Jahre Wartezeit für den vollen Urlaub. Da war klar: Das ist keine Verhandlungsgrundlage, sondern eine Provokation. Welcher Tarifpartner verhält sich denn so, wenn er wirklich einen neuen Vertrag will? So mussten wir die Verhandlungen abbrechen.“
Gerade kleineren Betrieben wird die Existenzgrundlage geraubt
Auch für Mustafa Öz, Verhandlungsführer der NGG Bayern, ist laut einer Pressemitteilung klar: „Mit weiteren Einschnitten sägen die Arbeitgeber an dem Ast, auf dem sie sitzen.“ Mittlerweile zweifle man daran, ob der Landes-Innungsverband überhaupt noch an einem allgemeinverbindlichen Tarifvertrag interessiert sei. Wenn der jedoch nicht zustande komme, sagt Öz, dann werde es bald keinen Nachwuchs in der Bäckerbranche mehr geben. Und es werde zu einem „Preiskampf nach unten“ kommen: Ein Wettbewerb um die niedrigsten Löhne und Produktionskosten, der gerade kleineren Betrieben die Existenzgrundlage rauben könnte.
„Schon jetzt müssen wir feststellen, dass trotz geltender Tarifverträge Bäckereien keine sechs Wochen Urlaub gewähren. Viele Chefs zahlen auch nicht den Arbeitgeberanteil von 380 Euro im Jahr in die Altersvorsorge ein oder verweigern das Urlaubsgeld. Oft werden selbst gelernte Fachkräfte mit 8,50 Euro pro Stunde abgespeist“, beklagt Mustafa Öz.
Die NGG fordert der Meldung zufolge den Landes-Innungsverband nun dazu auf, mit vernünftigen Vorschlägen an den Verhandlungstisch zurückzukehren. 48.000 Beschäftigte in ganz Bayern bräuchten dringend einen neuen, fairen Tarifvertrag. Bis dahin empfiehlt die NGG den Beschäftigten, keine Änderungsverträge zu unterschreiben. „Das könne eine Falle sein“, warnt Öz. Denn der bisherige Manteltarifvertrag bietet noch einen Bestandsschutz. Jetzt will die Gewerkschaft zusammen mit den Bäckerei-Beschäftigten Druck machen für eine neue Verhandlungsrunde.
da Hog’n