Bayerischer Wald. Ein grenzüberschreitender Urwald, wo einst der Eiserne Vorhang die Welt teilte: Diese Vision von Europas größtem zusammenhängenden Waldschutzgebiet verfolgen die Nationalparks Bayerischer Wald und Šumava (Tschechien) schon seit Jahren. Jetzt sind die beiden Schutzgebiete einer Pressemitteilung zufolge mit dem sogenannten „Transboundary“-Zertifikat ausgezeichnet worden, Europas wichtigstem Naturschutz-Gütesiegel – und das bereits zum zweiten Mal nach 2009.
Damit würdigt EUROPARC, Europas größte Schutzgebiet-Vereinigung, die grenzenlose Kooperation der beiden Nationalparke. „Die erneute Beurteilung Ihrer grenzüberschreitenden Zusammenarbeit hat eine klare Entwicklung erkennen lassen und beweist eindeutig, dass gemeinsamer Naturschutz über politische Grenzen hinweg zu einem besseren Schutzgebiet-Management führt“, beglückwünschte EUROPARC-Präsident Ignace Schops die benachbarten Nationalparke. Die Auszeichnung nahmen die Nationalpark-Leiter Dr. Franz Leibl und Pavel Hubený sowie die beiden für die deutsch-tschechische Zusammenarbeit verantwortlichen Sachgebietsleiter Hans Kiener und Martin Starý entgegen.
Umweltministerin: „Tourismusmagnet und Jobmotor der Region“
Auch Bayerns Umweltministerin Ulrike Scharf gratulierte den ausgezeichneten Nationalparks: „Die erneute Zertifizierung unterstreicht die Bedeutung der Nationalparke als internationale Premium-Marke. Die Natur kennt keine Grenzen. Unsere Nationalparke sind ein großes gemeinsames Identifikationsband.“ Die Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava hätten eine herausragende Bedeutung für Naturschutz, regionale Wirtschaftsentwicklung und sanften Tourismus. „Mit rund 1,3 Millionen Besuchern pro Jahr und fast 200 Beschäftigten in der Verwaltung ist der Nationalpark Bayerischer Wald Tourismusmagnet und Jobmotor der Region.“
„Transboundary Parks“, also grenzüberschreitende Parks, dürfen sich nur Schutzgebiete nennen, die über Staatsgrenzen hinweg partnerschaftlich zusammenarbeiten, wie es in der Mitteilung heißt. Die Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava etwa haben ihre grenzenlose Kooperation seit der ersten gemeinsamen Auszeichnung im Jahr 2009 in vielen Bereichen ausgebaut: Neben mehrsprachigen Multimedia-Ausstellungen im Hans-Eisenmann-Haus (Neuschönau), Waldgeschichtlichen Museum (Sankt Oswald-Riedlhütte) und Schloss Wolfstein (Freyung) sind grenzüberschreitende Wanderwege, etwa zwischen Finsterau und Bučina (Buchwald), entstanden.
Umweltbildungsexperten auf deutscher wie tschechischer Seite haben in den vergangenen Jahren neues Lehrer- und Schülermaterial entwickelt. Die Naturschutz- und Forschungsabteilungen beider Nationalparke arbeiten zusammen an Tier- und Pflanzenschutzprojekten und präsentieren ihre Ergebnisse auf gemeinsamen Konferenzen vor internationalem Publikum. Regelmäßige Arbeitstreffen von Mitarbeitern verschiedener Fachbereiche sind heute selbstverständlich geworden.
EUROPARC-Präsident: „Zusammenarbeit zum Wohle der Natur“
Fünf weitere Jahre dürfen sich deshalb die Nationalparke Bayerischer Wald und Šumava nun mit dem Transboundary-Zertifikat schmücken – bis zur nächsten Beurteilungsrunde durch das grenzüberschreitende Steuerungs- und Evaluations-Komitee von EUROPARC. „Verstehen Sie den Preis deshalb bitte nicht nur als Anerkennung Ihrer bisherigen Arbeit“, erklärte Ignace Schops. „Nehmen Sie ihn auch als Ansporn, Ihre Zusammenarbeit zum Wohle der Natur, der Landschaften und der Menschen in Ihrer Region weiter zu verbessern.“
Gerade einmal zehn grenzüberschreitende Schutzgebiete in Europa dürfen sich gemäß der EUROPARC-Beurteilung als grenzenlose Parks bezeichnen. Von den 16 Nationalparken in Deutschland führt derzeit neben dem Bayerischen Wald nur noch die Sächsische Schweiz das Transboundary-Zertifikat. In Tschechien tragen dagegen alle vier Nationalparke das europäische Naturschutz-Gütesigel – neben dem Šumava also auch die Böhmische Schweiz, das Riesengebirge und das Thayatal.
Reaktionen:
Pavel Hubený, Direktor des Nationalparks Šumava: „Die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn aus dem Bayerischen Wald ist für uns eine Frischzellenkur. Wir haben nicht nur eine gemeinsame Landschaft und gemeinsame Tier- und Pflanzenarten, sondern auch gemeinsame Herausforderungen. Nach anderthalb Jahren im Chefsessel kann ich ohne Übertreibung sagen, dass es vor allem unsere ausgezeichnete Zusammenarbeit ist, die uns verbindet. Es sind aber auch viele persönliche Freundschaften entstanden.“
Dr. Franz Leibl, Leiter der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald: „Der Bayerische Wald und der Böhmerwald haben eine gemeinsame Natur und Geschichte. Unsere grenzüberschreitende naturschutzfachliche wie touristische Zusammenarbeit bringt Menschen und Natur zueinander. Die erneute Auszeichnung mit dem Transboundary-Zertifikat ist für uns in erster Linie Ansporn, die zukunftsorientierte Entwicklung unserer beiden Nationalparke voranzutreiben.“
Martin Starý, Stellvertretender Direktor des Nationalparks Šumava und Sachgebietsleiter „Naturschutz und Forschung“: „Die Natur kennt keine von Menschen gezogenen Staatsgrenzen. Die Zusammenarbeit der beiden benachbarten Nationalparkverwaltungen ist deshalb nicht nur eine fachliche, sondern auch eine strategische Notwendigkeit. Gesellschaftliche Grenzen zu überwinden, bringt immer Mehrwerte mit sich. In unserem Fall sind es vor allem gegenseitiges Vertrauen, Offenheit und Aufrichtigkeit.“
Hans Kiener, Sachgebietsleiter „Planung, Besucherlenkung und Besucherinformation“ der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald: „Die erneute Auszeichnung mit dem Transboundary-Zertifikat ist für uns ein wichtiger Impuls, mit unseren Nachbarn aus Šumava unsere gemeinsame Vision weiterzuentwickeln: einerseits für ein grenzenloses Schutzgebiet einzutreten, andererseits aber auch einen nachhaltigen grenzüberschreitenden Tourismus zu entwickeln.“
da Hog’n