Bayerischer Wald. In den Medien macht derzeit die Prophezeiung eines Jahrtausendwinters die Runde. Unser Wetterfrosch Martin Zoidl hat sich hierzu ein paar Gedanken gemacht – mit einer eindeutig unzweideutigen Meinung…
Spannend, wann sie wieder aus ihren Löchern kommen…
Jedes Jahr ist es bei uns Meteorologen das selbe Trauerspiel: Eigentlich ist der Herbst eine Jahreszeit, die man aus dem Kalender streichen sollte. Und das aus zwei guten Gründen. Der Sommer ist eben zu Ende gegangen – und damit auch die schier endlos langen Gewitternächte, die einem immer wieder so erschreckend-faszinierend-schön vorgekommen sind. Ebenso vorbei sind die lang andauernden Hitzewellen, die eine Rekordjagd nach der anderen angezettelt haben – und uns selbst nach Mitternacht noch lauwarme Nächte bescherten. Alles wieder vorbei für die nächsten Monate. Andererseits ist der Winter noch lange nicht bereit, dauerhaft ins Land zu ziehen. Bis auf ein paar Schneefälle in den Hochalpen braucht man unterhalb der Mittelgebirgsschwelle hier im Bayerwald wohl noch keine Vorfreude aufkommen lassen, dass es dauerhaft einschneit und bis zum nächsten Frühjahr kein Grashalm mehr zu sehen sein wird. Das einzige, was man im Herbst vorhersagen kann, sind Nebelfelder – und hin und wieder mal ein Sturm. Sonst aber herrscht in dieser Übergangsjahreszeit meteorologisch betrachtet tote Hose. Wenn das Jahr aus zwölf Monaten Herbst bestehen würde, hätte ich mir wohl schon längst eine andere Beschäftigung gesucht…
Doch Halt! Streichen wir den Herbst nicht! Es gibt auch eine erheiternde, amüsante Seite des Herbstes, die all diese Nachteile oft wieder aufwiegt – besonders heuer. Es ist jedes Jahr aufs Neue spannend, darauf zu wetten, wann sie wieder aus ihren Löchern kriechen. Nein – nicht die großen, furchterregenden Spinnen, die nun alle in die Häuser krabbeln in der Hoffnung, ein Plätzchen nahe dem wärmenden Ofen zu finden, um dem drohenden Kältetod zu entkommen. Auch nicht die Winterschlaf haltenden Freunde draußen im Wald, die nun ihre Bauten schnee- und kältefest machen. Nein, sie sind gemeint. Sie, die selbsternannten Propheten aus Hintertupfing, die uns einmal mehr ein Jahrtausend-Ereignis zu prophezeien versuchen, das alles bisher Dagewesene in den Schatten stellt. Sämtliche Negativ-Grad-Rekorde werden brechen – und der „Russenwinter“ und die „Kältepeitsche“ werden mit voller Gewalt zuschlagen. Ja, liebe Freunde, ihr ahnt es schon: Auch heuer werden wir wieder alle mit Frostbeulen an Händen und Füßen jämmerlich zugrunde gehen – wie schon so oft in der Vergangenheit…
Die Möglichkeiten der Propheten, das Wetter über Monate hinweg vorhersagen zu können, scheinen dabei keine Grenzen zu kennen – und treiben dabei teils groteske Blüten. Es ist noch nicht allzu lange her, als ein bereits ziemlich in die Jahre gekommener Herr aus Starnberg bei München glaubte, mit Hilfe von Planeten-Konstellationen in die Zukunft sehen zu können – und uns im September weismachte, wie der nächste Februar wettertechnisch ausfallen wird…
…hat es so gut wie nichts mit Vorhersagen zu tun
Andere graben im Garten nach Würmern und befragen diese, wie viel Schnee zu Weihnachten liegen wird. Und nun ist es ausgerechnet eine auch als Wetterkerze bezeichnete Pflanze aus Benediktbeuren, die eigentlich Königskerze heißt und durchaus eine nette Figur im Blumengarten macht, wenn man sie gut hegt und pflegt. Der „Jahrtausendwinter“, den sie kürzlich in den Medien prophezeit hat, ist in aller Munde – und wird tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt. Aber: Kann man mit all diesen „Werkzeugen“ auch wirklich vorhersagen, wie sich das Wetter in der nächsten Jahreszeit entwickeln wird?
Grundsätzlich bleibt festzuhalten, dass Flora und Fauna durchaus auf Wettereinflüsse reagieren können. Schließlich hat sie die Evolution im Laufe der Erdgeschichte mehr oder weniger dazu gezwungen, sich anzupassen, wenn die Witterung umschlägt. Blumen verschließen ihre Blüten – und die sonst so singfreudigen Vögel im Wald verstummen plötzlich, wenn sich ein Gewitter anbahnt. Perfekte Voraussetzungen also für eine einigermaßen seriöse Wettervorhersage – könnte man meinen.
Betrachtet man all die Vorgänge allerdings etwas genauer, so fällt auf, dass die Natur zwar auf das Wetter reagiert. Jedoch erst dann, wenn es schon eingetreten ist! Die Blumen erkennen es an der Luftfeuchtigkeit und der fehlenden Sonne, wann sie ihre Blütenblätter schließen müssen, um nicht nass zu werden. Erst wenn die Luftfeuchte steigt, können sie reagieren. Sie wissen aber nicht im Voraus, wann sie steigen wird – und genau hier liegt der Unterschied zu einer Vorhersage. Bei den verstummenden Vögeln im Wald verhält es sich nicht viel anders. Auch sie werden erst dann leise, wenn sie die Gewitterfront am Horizont aufziehen sehen – doch da ist das Unwetter ja bereits entstanden. Und dass man sich dann in Sicherheit bringt, ist nur eine logische Folge daraus. Obwohl es auf den ersten Blick übernatürlich erscheint, was hier passiert, hat es so gut wie nichts mit Vorhersagen zu tun.
Ich selbst weiß es auch nicht – und das ist auch gut so
Die Frage danach, wie das Wetter in der fernen Zukunft sein wird, interessiert die Menschheit wohl schon seit ihrer Existenz. Seit die einfachen Bauernregeln aus der Vergangenheit von moderenen Berechnungen durch Supercomputer abgelöst wurden, haben sich in der Prognose gewaltige Schritte nach vorne getan. Ein riesiges Netz aus Messstationen umspannt unseren Planeten. Von weit oben fotografieren Satelliten alle fünf Minuten die Wolken. Und Radarstrahlen durchleuchten auch den abgelegendsten Winkel unserer Atmosphäre, spüren jeden noch so kleinen Regentropfen auf. Was ist das Ergebnis dieser nahezu lückenlosen Vollerhebung? Drei Tage kann man einigermaßen sicher vorausberechnen, wie sich das Wetter entwickeln wird. Ein Trend ist für etwa eine Woche absehbar. Danach gehen die Modell-Lösungen in ein rauschendes Chaos über, aus dem sich nichts Brauchbares mehr herauslesen lässt.
Da scheint der Hype um solch exotische Vorhersageverfahren gerade recht zu kommen. Kennen Sie noch die vielen Tier-Orakel, die damals versucht haben, die Spiele bei der Fußball-Weltmeisterschaft richtig vorauszusagen? Krake „Paul“ durfte damals ja einige Treffer verbuchen. Kuh „Yvonne“ lag hingegen ja wirklich jedesmal so dermaßen weit daneben, dass man sogar die Regeln extra ändern musste, damit es zumindest so aussah, als ob. So in etwa dürfte es sich auch hier verhalten. Mal wird’s ein Treffer, ein anderes mal wieder nicht. Bei einem Münzwurf hätte man zumindest noch eine 50/50-Teffer-Chance – Laplace lässt grüßen…
Es ist nicht die feine Art, Dinge ins Lächerliche zu ziehen oder gar Leute zu denunzieren. Lassen wir den Propheten ihre Wetterkerzen, die Planetenkonstellationen und von mir aus auch die Fachgespräche mit den Bodenwürmern. Seien wir uns aber auch im Klaren darüber, dass es in der Natur nichts Unberechenbareres gibt als das Wetter. Wir sollten froh darüber sein, denn: Wo bliebe denn da die Vorfreude auf die kalte Jahreszeit, wenn sowieso im Voraus alles geplant werden kann? Ich möchte Anfang Oktober noch gar nicht wissen, dass am 3. Dezember um 15.32 Uhr und 36 Sekunden die erste Schneeflocke fällt. Und ob nun ein Jahrtausendwinter kommt, weil die Wetterkerze im Garten vom Sepp Haslinger ihn kommen sieht, sei dahingestellt. Ich selbst weiß es auch nicht. Und das ist auch gut so. Letzten Endes kommt es erstens sowieso immer anders – und zweitens als wir alle denken.
Bis es so weit ist und wir spätestens dann alle schlauer sind: Allen noch einen schönen, farbenfrohen Hiagst :)
Euer Hog’n-Wetterfrosch Martin Zoidl
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Wie wird das Woid-Weda eigentlich gemacht? Wie kommt Martin Zoidl zu seinen Vorhersagen? Die Antworten darauf gibt’s hier (einfach klicken)
Bin ganz deiner Meinung – nur eine kleine Korrektur:
Der Wetterkerzenprophet kommt aus Benediktbeuern (nicht Benediktbeuren).