Manzenreut/Zenting/Metten. Bereits seit 18 Jahren organisiert die Rallye-IG Außernzell e.V. um Vorsitzenden Johannes Bauer die AVD Niederbayern Rallye. Neben Wertungen in den Landkreisen Passau und Deggendorf liegen auch einige Streckenkilometer im oberen Landkreis Freyung-Grafenau. Und dabei ist es zu einem Vorfall gekommen, der für kontroverse Diskussionen sorgt: In Manzenreut bei Zenting ist nach der Fehlzündung eines Rennautos ein Pferd in Panik geraten, riss einen Zaun mit sich und hielt sich im Bereich der Rennstrecke auf. „Das Rennen hätte abgebrochen werden müssen“, ist sich Egon Hackl, auf dessen Weide das Tier aufgeschreckt worden ist, sicher. Rallye-Leiter Johann Bauer hingegen findet die Reaktion der Familie Hackl übertrieben: „Wir haben keine unmittelbare Gefahr ausmachen können.“
Mit Flyern wurden die Anwohner auf die Rallye vorbereitet
Doch von vorne: Am Samstag, 29. August, ist auch Manzenreut einer der Austragungsorte der AVD Niederbayern Rallye. Ein besonderer Tag für die Gemeinde Zenting. Viele Straßen, die als Rennstrecke dienen, sind gesperrt; zahlreiche Motorsport-Begeisterte säumen als Zuschauer die ansonsten ruhigen Wege. Schon im Vorfeld werden die Anwohner von der Rennleitung auf mögliche Gefahren aufmerksam gemacht – mit Flyern und persönlichen Besuchen durch die Rennleitung um Johann Bauer. Dazu gehört auch die Familie Hackl: Tanja (32) und Egon (50) sowie deren Kinder Konstantin (4), Lilith (3) und Unica (2). Seit April dieses Jahres wohnen sie im Weiler Manzenreut, haben dort ein kleines Bauernhaus gekauft. „Wir haben uns bewusst dafür entschieden, etwas abgelegen zu wohnen.“ Auf den umliegenden Koppeln sind sowohl Therapiepferde, mit denen der selbstständige Ergotherapeut Egon Hackl arbeitet, als auch Vierbeiner weiterer Tierfreunde untergebracht.
„In Burgsdorf wurde ich von einem Streckenposten abgewimmelt“
Während der 50-Jährige am Renntag in seiner Praxis in Schöllnach arbeitet, beobachten dessen 32-Jährige Frau mit den Kindern die vorbeifahrenden Rallye-Autos. Aus Sicherheitsgründen bleiben sie im Haus. „Überhaupt kein Problem für uns“, sagt die dreifache Mutter dazu. „Es waren ja nur vier, fünf Stunden. Das war nicht weiter schlimm.“ Dass es den Pferden auf der angrenzenden Weide, einer sogenannten Offenstallhaltung, anders ergeht, wissen die Hackls zu diesem Zeitpunkt noch nicht. Nach einer Fehlzündung, die bei Rennfahrzeugen immer wieder einmal vorkommt, gerät eines der Pferde jedoch in Panik, reist den Zaun mit und läuft neben der Rennstrecke panisch hin und her.
„Ich habe dann sofort meinen Mann angerufen und bin raus. Ich wollte versuchen, das Pferd zu beruhigen“, erinnert sich Tanja Hackl. „Streckenposten waren keine zu sehen. Die Rennleitung hat die Gefahr überhaupt nicht erkannt.“ Das Rennen läuft weiter, Auto um Auto düst an Manzenreut vorbei. Währenddessen ist Mann Egon in Burgsdorf angekommen, dem Ziel der Rallye-Etappe. Er informiert dort die zuständigen Streckenposten und versucht über Feldwege ins knapp einen Kilometer entfernte Manzenreut zu kommen. „In Burgsdorf wurde ich von den Streckenposten abgewimmelt. Deshalb bin auf eigene Faust zu unserem Hof gefahren“, erzählt Egon Hackl, in früheren Jahren selbst Rallye-Fahrer. Mit vereinten Kräften gelingt es dem Ehepaar dort schließlich, das Pferd einzufangen, zu beruhigen, und in den Stall zu führen – währenddessen das Rennen unbeirrt weiterläuft. Egon Hackl dazu: „Noch einmal: Wir haben nichts gegen das Rennen oder die Organisatoren. Im Gegenteil. Wir finden gut, dass es sowas bei uns gibt. Doch nach dem Vorfall mit dem Pferd hätte das Rennen unterbrochen werden müssen, bis die Gefahr bereinigt ist. Warum das nicht geschehen ist – keine Ahnung.“
„Die Streckenposten meldeten: Keine unmittelbare Gefahr“
Gegenüber dem Onlinemagazin „da Hog’n“ berichtet Rallye-Leiter Johann Bauer, dass ihm der Vorfall durchaus bekannt sei. Er verweist auf das Funk-Protokoll, das aufzeigt, dass um 15.38 Uhr eben jene Situation in Manzenreut aufgezeichnet worden ist. Auch die alarmierte Polizei habe die Rennleitung darüber in Kenntnis gesetzt. „Die Darstellung der Familie Hackl ist übertrieben. So schlimm war es nicht“, ist Bauer überzeugt. „Die Streckenposten haben uns mitgeteilt, dass keine unmittelbare Gefahr besteht. Deshalb haben wir das Rennen auch nicht unterbrochen.“
Man hätte bereits Kontakt zu Tanja und Egon Hackl aufgenommen, ein klärendes Gespräch sei jedoch noch nicht zu Stande gekommen. „Leider hatte die Familie Hackl bisher keine Zeit.“ Rund 56 Streckenposten sind Bauer zufolge auf der 25 Kilometer langen Wertung postiert gewesen. Generell sei die Sicherheit und Aufklärung der Anwohner eines der größten Anliegen der Rennleitung, wie er betont. „Die Rallye gibt es nun schon seit über 18 Jahren. Und dabei ist es noch zu keinen größeren Problemen gekommen.“ Kleinere Schäden wie umgefahrene Schilder oder beschädigte Zäune würden in Absprache mit den Anwohnern und der Polizei sofort ersetzt werden – das wäre auch im Falle der Familie Hackl angedacht. „Wir würden das Thema gerne aus der Welt schaffen“, wünscht sich Bauer, der bereits mit den Planungen für die Rallye im kommenden Jahr beschäftigt ist.
„Unsere Zusammenarbeit mit der Rallye-Leitung ist sehr gut“
Dann soll auch Manzenreut und weitere Ortschaften in der Gemeinde Zenting erneut zu den Austragungsorten der Niederbayern-Rallye gehören. „Das Rennen wird von der Bevölkerung gut angenommen“, ist sich Zentings Bürgermeister Leopold Ritzinger sicher. Ihm selbst ist der Vorfall in Manzenreut bisher nicht bekannt. Dass hier und da ein Straßenpfosten umgefahren wird, oder mal ein Auto in eine Wiese prescht, komme durchaus vor, sei aber nicht weiter schlimm. An größere Unfälle kann sich Ritzinger nicht erinnern. „Die Organisatoren sichern sehr gut ab und sind auch kulant, wenn es zu Schäden kommt. Unsere Zusammenarbeit mit der Rallye-Leitung ist sehr gut.“
Selbiges unterstreicht auch Polizeihauptkommissar Roman Fischer, Verkehrsbeauftragter der PI Deggendorf. Weil sich die Rennstrecken im Zuständigkeitsbereich mehrerer Dienststellen – Grafenau, Deggendorf und Vilshofen – befinden, wurde mit ihm ein führender Polizeibeamter bestimmt. Gegenüber dem Onlinemagazin „da Hog’n“ erklärt er: „Mir ist der Vorfall in Manzenreut bekannt.“ Durch die Einsatzzentrale Straubing wurde er auf den entsprechenden Notruf der Familie Hackl informiert, woraufhin er eigenen Aussagen zufolge sofort die Rennleitung kontaktiert hat. „Offenbar ist Herr Bauer dann auch sofort aktiv geworden. Als Veranstalter ist er während der Rallye für das verantwortlich, was auf der Strecke passiert. Die Polizei greift nur in extremen Situationen ein.“ Generell beschreibt der Beamte die Zusammenarbeit mit dem Rallye-Chef als „hervorragend“. Fischer: „Wenn ich Bedenken gehabt hätte, hätte ich es im Vorfeld der Genehmigungsbehörde, in diesem Fall dem Landratsamt Deggendorf, mitgeteilt. Im Vorfeld überprüfe ich das Ganze im Detail.“
Ob sich die Wogen bis zur 19. Niederbayern-Rallye wieder glätten, es bis dorthin zu einer Aussprache zwischen Veranstaltern und Familie Hackl kommen wird, bleibt abzuwarten. Vielleicht können die Rallye-Organisatoren ja aufgrund des Vorfalls an dieser Stelle die Streckenposten personell erhöhen. Vielleicht gibt es ja auch eine Möglichkeit, die Pferde während des Rennens auf einer anderen Weide unterzubringen. Eine Lösung wäre allen Beteiligten zu wünschen – sowohl den Anhängern des Motorsports, als auch den Tierfreunden…
Helmut Weigerstorfer