Freyung-Grafenau. Was reizt einen Heranwachsenden heutzutage (noch) daran, Mitglied einer traditionellen Blasmusikkapelle zu werden? Was macht die Faszination „Blemuse“ aus? Fragen, die in Zeiten von Smartphone, PlayStation und iTunes fast schon antiquiert wirken. Um der Sache auf den Grund zu gehen, hat sich Hog’n-Praktikantin Michele Bauer stichprobenartig bei fünf aktiven Musikern verschiedener Kapellen im Freyung-Grafenau umgehört. Darüber, wie es um die derzeitige Nachwuchssituation bestellt ist, hat sie sich exemplarisch mit Christoph Lorenz (Dirigent der Stadtkapelle Waldkirchen) unterhalten.
Gemeinschaftsgefühl, Freude am Musizieren und viel Abwechslung
Anna Maier (18), angehende Jura-Studentin aus Freyung: „Seit knapp zehn Jahren bin ich nun schon aktives Mitglied der Stadtkapelle Freyung – und spiele dort leidenschaftlich gerne Klarinette. Meine Begeisterung dafür hat begonnen, als mich eine meiner Freundinnen, die ebenfalls musiziert, mit ihrem Elan angesteckt hat. Verloren gegangen ist mir die Freude am Spielen in der Gruppe bis heute nicht.“
Celine Hager (14), Schülerin aus Kumreut: „Querflöte spiele ich schon eine ganze Weile. 2008 bin ich zur Blaskapelle Röhrnbach gestoßen, im Jahr darauf habe ich auch noch die Stadtkapelle Waldkirchen für mich entdeckt. Auf diese Gruppen bin ich unter anderem durch meine Mutter aufmerksam geworden, die selbst in beiden vertreten ist. Was mich am Musizieren in Blaskapellen am meisten reizt, ist leicht zu beantworten: Es macht mir einfach Spaß. Ich bin gerne dabei – was bestimmt daran liegt, dass mehrere Leute in meinem Alter dasselbe Hobby haben und wir in den Kapellen tolle Stücke spielen. Gemeinsame Ausflüge wie die jährlichen Probenwochenenden gefallen mir gut. In den wöchentlichen Proben kann man viel über Dynamik und Tempi lernen – auch das ist ein interessantes Thema für mich.“
Jakob Koller (17), Schüler aus Kumreut: „Für mich ist Blasmusik einfach a gmiadliche Gschicht. Instrumente spiele ich sogar mehrere: Saxophon, Flügelhorn und Trompete. Hauptsächlich bin ich aber mit meiner Klarinette vertreten. Wie Celine wirke auch ich in der Blaskapelle Röhrnbach mit, bin aber zusätzlich ein großer Fan meiner zweiten Gruppe, den Kreuzberger Blasmusikern. Es ist schlichtweg ein großartiges Gefühl, wenn man weiß, dass das, was man da macht, anderen gefällt. Denen, die uns zuhören – oder eben denen, die mit mir zusammen spielen. Und ganz wichtig für mich: Die Leute, die man durch dieses Hobby kennenlernt, möchte ich auf keinen Fall missen.“
Severin Kämmerer (21), Pharmazie-Student in Regensburg: „Ich bin seit fünf Jahren Klarinettist bei der Stadtkapelle Waldkirchen – und seit diesem Jahr neues Mitglied bei den Breitenberger Wirtshausmusikanten. Das Zusammenspiel mit anderen Musikern unterschiedlicher Altersstufen empfinde ich als große Bereicherung: Man kann viel voneinander lernen. Das Notenmaterial beschränkt sich bei der Stadtkapelle oft nicht nur auf die bayerisch-böhmische Blasmusik, sondern ist auch auf Filmmusik und Klassik erweitert. Hier muss man sich schon mal gegenseitig unter die Arme greifen. Diese Abwechslung gefällt mir, schließlich wird man so immer wieder aufs Neue gefordert. Außerdem habe ich über das gemeinsame Musizieren viele neue Freunde gefunden, mit denen ich meine musikalischen Aktivitäten ausweiten konnte. So habe ich zusammen mit einem Trompeter sogar ein Duo gegründet, bei dem ich mein zweites Instrument, die steirische Harmonika, sehr gut einbringen kann.“
Sarah Biser (18), angehende Medizintechnik-Studentin aus Lämmersreut: „Mittlerweile bin ich seit acht Jahren in meinen beiden Musikgruppen, den Blaskapellen Karlsbach und Hohenau-Ringelai, aktiv. Hier spiele ich Klarinette und auch Saxophon. Warum ich das ganze so gerne mache, ist schnell erklärt: Es macht mir einfach unglaublich viel Spaß, etwas mit denjenigen Menschen zu unternehmen, für die Musik eine Leidenschaft ist – und des is bei da Blemuse sicher der Fall! Man lernt hier immer neue Leute kennen – und egal in welcher Blasmusikgruppe man Mitglied sein möchte, man wird immer mit offenen Armen empfangen.
Dass man mit Blasmusik im Rücken nie alleine dasteht, ist für mich nochmal ein sehr wichtiger Grund, warum sie mir so gefällt: Alle arbeiten auf das gleiche Ziel hin – und auch das Zusammengehörigkeitsgefühl und die Hilfsbereitschaft untereinander sind riesengroß. Ein weiteres Plus: Egal, was man macht – ob man sich nach der Probe noch gemütlich zusammensitzt und plaudert, gemeinsam einen Ausflug plant oder sich mit anderen Gruppen am Tag der Blasmusik trifft –, man hat einfach immer eine fetzn Gaude.“
Umfrage: Michele Bauer
„Alle geben ihr Bestes – obwohl keiner muss“
Christoph Lorenz, Realschullehrer und Dirigent der Stadtkapelle Waldkirchen, spricht im Hog’n-Interview darüber, wie man neue Mitglieder für die Gruppe gewinnen kann und darüber, was die Blasmusik im Besonderen ausmacht. Außerdem erklärt der 27-Jährige, warum man Jung und Alt in Waldkirchen von Anfang an gemeinsam musizieren lässt.
Christoph: Wie sieht die Nachwuchssituation bei der Stadtkapelle Waldkirchen aus?
Einige Jungmusiker sind vertreten – wir freuen uns da über jeden Neuzugang.
Was kann man unternehmen, um neue Mitglieder zu gewinnen? Was wird bereits unternommen?
Die Nachwuchsarbeit basiert sehr auf Werbung – aber auch die Musikakademie Waldkirchen bietet für uns in diesem Bereich ein großes Maß an Unterstützung. Ohne diese wäre es gar nicht erst möglich, so viel Zeit dafür zu investieren. Außerdem kann ein breit gefächertes musikalisches Repertoire einen guten Anreiz für Jugendliche darstellen – von traditioneller Blemuse bis hin zu Filmmusik und Originalkompositionen. Jungmusiker lernen auf diese Weise sehr viele Bereiche der Musik kennen – da ist für jeden was dabei.
Was macht Blasmusik Deiner Meinung nach zu etwas Besonderen?
Zusammen mit zwei sehr guten Freunden bin ich schon vor gut 20 Jahren zur Stadtkapelle gekommen. Im Laufe der Zeit schließt man hier viele Freundschaften, die auch dauerhaft bestehen. Man merkt bei Proben und Auftritten, dass sich jeder wohlfühlt – dass es ein schönes Hobby ist, das uns verbindet. Alle geben ihr Bestes, obwohl keiner muss. Das bildet eine Einheit, die für mich schon bemerkenswert ist.
„Die oberste Grundregel lautet: Jeder unterstützt jeden“
Bei der Stadtkapelle Waldkirchen musizieren Jung und Alt gemeinsam. Wieso lässt man Jungmusiker nicht zunächst in einer Art Lerngruppe spielen – und dann zu den Erfahreneren stoßen?
Die oberste Grundregel lautet: Jeder unterstützt jeden. Ich denke, das erklärt schon einiges. Ein wünschenswertes Miteinander entsteht nur dann, wenn die Jungmusiker bereits von Grund auf in das Orchester integriert werden. Wir wissen alle, dass ein Neuanfang schwer ist. Unterstützung von erfahrenen Kollegen, um den anspruchsvollen Stücken folgen zu können, ist daher ein gutes Mittel, um schnell zueinander zu finden. Nur durch diese Zusammenarbeit entsteht eine Bindung zwischen Jung und Alt.
Warum kannst Du Blasmusik vor allem an junge Leute weiterempfehlen?
Ich denke, dass es schwierig ist, ein Ehrenamt weiterzuempfehlen – schließlich ist eine Herzensangelegenheit für jeden etwas anderes. Aber alle, die schon immer ein Instrument lernen wollten oder bereits mit Begeisterung spielen, sind herzlich eingeladen, sich ein eigenes Bild zu machen – und bei den Proben vorbeizuschauen.
Interview: Michele Bauer