Straubing/Freyung-Grafenau/Regen. Rund 40 neue Beamte, die ausschließlich im Vollzug eingesetzt werden, haben einer Meldung zufolge zum 1. September ihren Dienst in den Inspektionen des Polizeiverbandes Niederbayern angetreten. „Wieder mal nur ein Tropfen auf den längst ausgehöhlten Stein“, wie der Bezirksgruppenvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Andreas Holzhausen, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Flüchtlingsproblematik, kritisiert. Nicht nur er stellt sich die Frage: Wird Niederbayern in polizeilicher Hinsicht benachteiligt?
„Von Seiten des bayerischen Innenministeriums wird immer versprochen, dass jeder Pensionsabgänger 1:1 ersetzt wird. Schaut man sich die Jahre 2010 bis 2014 an, hinterfragt man diese Aussage berechtigterweise“, zeigt sich Holzhausen enttäuscht. Von insgesamt 311 Ruhestandsabgängen sind laut seinen Aussagen 293 ersetzt worden – 179 Stellen davon seien „Mobile Reserven“, die Eltern- und Schwangerschaftszeiten abfedern sollen. Gerne werde aus Sicht des Innenministeriums eine Verlagerung von 158 Sollstellen nach Niederbayern zur Beruhigung vorgeschoben. „Man sollte aber auch wissen, dass Sollstellen nur Zahlen in Tabellen und auf dem Papier sind – und nicht im Streifenwagen sitzen. Dahinter steckt keine reale, arbeitende Person.“
„Ohne Ausbildungsmöglichkeit hat Niederbayern das Nachsehen“
Holzhausen betont, dass jede Dienststelle in Niederbayern ein „Personalfehl“ habe. Zudem müssten immer wieder Sonderaufgaben ohne zusätzliches Personal gestemmt werden. „Allein bei der Bewältigung der Flüchtlingsströme gerät die niederbayerische Landespolizei an ihre Grenzen“, berichtet er. Durch diese Mehrarbeit sei die polizeiliche Grundversorgung der Bevölkerung in Frage gestellt. „Es kann nur gehofft werden, dass die politisch versprochenen Einstellungszahlen bei der Bereitschaftspolizei eingehalten und nach oben verbessert werden. Doch auch hier hat Niederbayern ohne Ausbildungsmöglichkeit das Nachsehen.“
Von einer Benachteiligung des Polizeipräsidiums (PP) Niederbayern möchte Michael Siefener vom bayerischen Innenministerium nicht sprechen. „Die niederbayerische Polizei erhält insgesamt 40 Beamte. Für den Zuteilungszeitraum hat das PP Niederbayern uns 39 Ruhestandsbeamte gemeldet. Damit erhält Niederbayern mehr Personal, als gesetzlich in den Ruhestand eingetreten sind.“ Der Pressesprecher rechnet vor, dass von 2010 bis 2014 300 Beamte altersbedingt ausgeschieden seien – dem stünden 303 Zuteilungen gegenüber. Offenbar andere Zahlen als die von Andreas Holzhausen…
„Das PP Niederbayern braucht dringend neues Personal“
Zum Thema Sollstellen: Grundsätzlich seien dabei auch die Stellen für Einsatzzüge und zivile Einsatzgruppen miteinberechnet, die im gesamten Bereich des Polizeipräsidiums eingesetzt werden, erklärt Siefener. Weiterhin sind dem Sprecher des Innenministeriums zufolge auch Fehlzeiten durch mögliche Abordnungen, längerfristige Beurlaubungen oder Krankheiten berücksichtigt. „Durch die Einberechnung möglicher Fehlstellen bei der Sollstärke ist eine Differenz zwischen Soll- und verfügbarer Personalstärke die Regel – und eine 100-prozentige Erfüllungsquote eher die Ausnahme.“ Im Hinblick auf die Belastung aufgrund der zunehmenden Flüchtlingsströme weist der Siefener darauf hin, dass die Thematik auch andere Regionen Bayerns betreffe. Auch deshalb würden die Polizeipräsidien Niederbayern und Oberbayern Süd im Rahmen von Konzepteinsätzen mit mindestens fünf bis sechs Einsatzzügen der Bereitschaftspolizei unterstützt.
Dass die vielen Asylbewerber, die derzeit nach Deutschland kommen, eine „sehr hohe Belastung“ für die Landespolizei darstellen, bestätigt auch das Presseteam des Polizeipräsidiums Niederbayern. „Zur Unterstützung und Abarbeitung der in diesem Zusammenhang zu erledigenden Aufgaben müssen Dienstkräfte nahezu aller Dienststellen abgestellt werden, die dort momentan für die Aufgabenbewältigung im täglichen Dienst fehlen. Dies hat natürlich Auswirkungen auf die Personalsituation der entsprechenden Dienststellen, die originären polizeilichen Aufgaben können jedoch dennoch bewältigt werden“, erklärt Sprecherin Andrea Kerler-Simeth. Hinzu komme, dass infolge der Altersstruktur sehr viele Ruhestandsabgänger zu verzeichnen seien. „Vor diesem Hintergrund benötigt das PP Niederbayern dringend neues Personal.“
Helmut Weigerstorfer