Freyung-Grafenau. Regens Landrat Michael Adam sorgte vor wenigen Wochen mit seiner Forderung nach einem „Aufnahmestopp von Asylbewerbern“ für reichlich Diskussionsstoff. Er sieht die Landratsämter bei der Aufgabe der Unterbringung von Asylbewerbern „vom Staat hängen gelassen“. Wir haben daher auch bei seinem Amtskollegen aus Freyung-Grafenau, Landrat Sebastian Gruber, einmal nachgefragt, wie er die Situation einschätzt und wie er zum Thema Alltagsrassismus in unserer Region steht.
„Ich sehe den Bund hier ganz stark in der Pflicht“
Herr Gruber: Fühlen Sie sich ähnlich im Stich gelassen, wie Ihr Regener Amtskollege? Es scheint, als sei die lokale, regionale wie überregionale Politik mehr und mehr überfordert mit dem Zustrom von Asylbewerbern. Man wird den Eindruck nicht los, als seien derzeit alle von kompetenten Lösungen weit entfernt. Können Sie dem zustimmen?
Die Situation ist für alle Landkreise sehr schwierig, wir stehen permanent vor neuen Herausforderungen. Im Vergleich zu anderen Bundesländern haben wir es aber in Bayern noch vergleichsweise gut – so trägt der Freistaat die Sachkosten und errichtet Gemeinschaftsunterkünfte. Auch bei den unbegleiteten Minderjährigen hat sich auf Initiative der Landkreise hin einiges bewegen lassen. Bayern braucht insgesamt mehr Unterstützung vom Bund. Es kann auf Dauer nicht so sein, dass Bayern und seine Kommunen die Hauptlast schultern müssen. Ich sehe den Bund hier ganz stark in der Pflicht.
Insbesondere die Christlich-Soziale Union hat in jüngster Vergangenheit mit Forderungen nach drastischen Maßnahmen, um dem nicht abreißen wollenden Flüchtlingsströmen nach Bayern Einhalt zu gebieten, für Schlagzeilen gesorgt. In der Heimatzeitung waren Überschriften à la „Söder für Abschaffung des Taschengeldes für Flüchtlinge“, „Die Belastungsgrenze ist überschritten“ oder „Extra-Lager für Balkan-Flüchtlinge“ zu lesen. Wie bewerten Sie diese Forderungen Ihrer Partei-Oberen?
Ich bin der Auffassung, man muss die Situation ohne ideologische Vorbehalte betrachten. Wir alle kommen an die Grenzen des Leistbaren. Daher halte ich es durchaus für legitim, alle Möglichkeiten zu prüfen, um reine Wirtschaftsflüchtlinge möglichst schnell wieder in ihre sicheren Herkunftsländer zurück zu bringen. Das kommt den wirklich verfolgten Flüchtlingen zugute, die auf Asyl in Deutschland angewiesen sind, um zu überleben.
„Habe gegen rechte Hetze im Netz aktiv Partei ergriffen“
Auch Sie, Herr Gruber, sind ja zuletzt zum Thema Alltagsrassismus aufm Hog’n zu Wort gekommen. Ein Hog’n-Leser hat per Kommentar kund getan, dass sich die ansässigen Politiker „zu sehr auf Floskeln versteifen“ würden, wenn es ums Thema Alltagsrassismus geht. Wie sehen Sie das, Herr Gruber?
Weiters heißt es, dass Sie „die Situation verkennen“ würden. Er fordert Sie auf, „für eine bessere Erklärung auf(zu)zeigen, dass die Gesellschaft einer Systematik unterliegt, die eine rassistische Grundstimmung permanent befördert. An deren Spitze stehen nicht wenige opportunistische Politiker aller großen Parteien und der Einheitsbrei der Leitmedien, deren Grundkompetenz es zu sein scheint, die Stimmung weiter eskalieren zu lassen und die Hetze „besorgter Bürger“ (àla rassistischer Mobs) als bürgerlichen Normalzustand umzudeuten.“ Ihre Meinung dazu?
Zuguterletzt wirft Ihnen der Kommentator vor, dass Sie „den Geflüchteten selbst die Schuld zuschreiben, da sich manche nicht so verhalten „wie ein Rechtsstaat es erwartet“. Ist das so? Haben die Geflüchteten selbst Schuld an ihrer Konfrontation mit alltagsrassistischem Gebaren, wenn sie sich nicht rechtmäßig verhalten?
Ich respektiere die Meinung des Kommentators, ich teile sie aber nicht und bin überzeugt, dass ich die Situation nicht verkenne. Ich betrachte sie objektiv und ohne ideologische Voreingenommenheit, wie es auch meine Aufgabe als Landrat ist.
Es gibt sowohl unter Einheimischen als auch Flüchtlingen Menschen, die sich gut verhalten – und leider andere, die sich weniger gut verhalten. Der Umstand, dass jemand als Asylbewerber zu uns kommt, macht ihn nicht automatisch zu einem fehlerlos handelnden Menschen. Davor die Augen zu verschließen, hilft dem ganz überwiegenden Teil der Flüchtlinge, die sich korrekt verhalten, ganz und gar nicht.
Gegen rechte Hetze im Netz habe ich aktiv Partei ergriffen, ich habe die Autoren nicht nur zur Strafanzeige gebracht, sondern auch das persönliche Gespräch geführt. Bei der Disco-Affäre sehe ich diesen Handlungsbedarf aber ganz klar nicht. Nach Volksfesten herrscht nun einmal oft eine aufgeheizte Stimmung, egal ob mit oder ohne Asylbewerber – und es kommt immer wieder vor, dass Lokalbetreiber oder Sicherheitsdienste dann Personen oder Gruppen lieber nicht mehr einlassen wollen. Ob es damals überhaupt notwendig war, die Gruppe bestehend aus Einheimischen und Asylbewerbern nicht mehr einzulassen, lässt sich nicht mehr klären. Das ist alles Spekulation.
Sie sehen also keinen rassistisch-motivierten Hintergrund seitens des Sicherheitspersonals, wenn diese den Asylbewerbern mit den Worten „Schwarze kommen heut‘ nicht rein“ gegenübertreten?
Ich war bei diesem Vorfall nicht zugegen. Deshalb werde ich ein angebliches Verhalten des Sicherheitspersonals oder anderer Personen auch nicht bewerten.
„Landratsamt hat versucht, für Flüchtlinge die Türen zu öffnen“
Von Seiten der lokal-regionalen Politiker sind bisher nur wenig öffentlich-wirkungsvolle Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass gesetzt worden. Was glauben Sie, woran das liegen mag? Und: Wie sehr, glauben Sie, wird die Gefahr von Rechts bzw. der verbreitete Alltagsrassismus in unseren Breitengraden unterschätzt?
Gerade angesichts des sehr dynamisch zunehmenden Zuzugs von Flüchtlingen darf man Gefahren von rechts nicht vernachlässigen oder herunterspielen. Andererseits darf man aber nicht übersehen, wie sehr sich unsere Gesellschaft im Landkreis für die Asylbewerber geöffnet hat. Es gibt quer durch alle Teile der Gesellschaft sehr viel Engagement. Das Landratsamt hat mit Runden Tischen in allen Gemeinden mit dezentralen Einrichtungen versucht, für die Flüchtlinge die Türen zu öffnen – dank der Unterstützung der Bürgermeister, Pfarrer und Vereine auch erfolgreich.
Von reinen PR-Aktionen halte ich hingegen wenig. Entscheidend ist, dass wir unseren Landkreis für die Neuankömmlinge öffnen und Einheimische und Flüchtlinge zusammenwachsen. Und dieser Prozess läuft durchaus gut. Wir unterstützen ihn zur Zeit beispielsweise mit einer Qualifizierungsmaßnahme für die Ehrenamtlichen, die über unsere Landkreisgrenzen hinaus Interesse erfährt.
Interview: Stephan Hörhammer
Endlich mal jemand, der merkt, dass nicht jeder Flüchtling automatisch ein netter Mensch ist.
„Der Umstand, dass jemand als Asylbewerber zu uns kommt, macht ihn nicht automatisch zu einem fehlerlos handelnden Menschen. Davor die Augen zu verschließen, hilft dem ganz überwiegenden Teil der Flüchtlinge, die sich korrekt verhalten, ganz und gar nicht.“
Wer sich nicht an die Regeln hält, egal wer er ist und wo her herkommt…der muss bestraft werden. Solange wir dies nicht konsequent durchführen, wird eine Missstimmung gegenüber Fremden bleiben.
Und dies dann nicht ganz ohne Grund. Kampferprobte Menschen aus Kriegsgebieten zu unterschätzen, ist so ziemlich das Dümmste, was man tun kann….