Perlesreut. Margit Kramlinger ist eine Frau der Tat. Ihre 60 Jahre sieht man ihr bei Weitem nicht an. Gerade hat sie noch eine Beet-Einfassung fertiggestellt, nun lässt sie sich im Schatten einer Weide nieder. Ihr Blick schweift über das weitläufige Areal. Sie erinnert sich: „Als ich den Hof vor fünf Jahren gekauft habe, war hier nichts“. Und jetzt? Jetzt ist hier einiges. Ein renoviertes Bauernhaus, ein Offenstall mit sechs Pferden – davon fünf Isländer – , ein großer Gemüsegarten, ein Fischteich mit Enten und vor allem: Pferdeweiden. 3,3 Hektar Grund insgesamt. Margit Kramlinger blickt auf ihren Lebenstraum – oder zumindest einen Teil davon. Denn das Herzstück fehlt noch: Auf einem großen Teil des Grundstücks soll schon bald ein ökologischer Dreiseithof in Holz-/Stroh-/Lehmbauweise entstehen, bewohnt von Jung und Alt, Familien und Alleinstehenden, Menschen mit und ohne Behinderung.
„Immer mehr sehnen sich zurück nach der Großfamilie“
Die Pläne eines Regensburger Architekten sind bereits fertig. Die gebürtige Staubingerin ist sich sicher: „Das ist die Zukunft. In unserer total individualisierten Welt sehnen sich immer mehr zurück nach dem traditionellen Modell der Großfamilie – oder zumindest einer Gemeinschaft.“ Gerade im Alter hätten viele das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden. „Und den jungen Leuten wird in unserer Leistungsgesellschaft einfach alles zu viel. Familie, Karriere, Haushalt – unter Umständen noch alleinerziehend…“
Margit Kramlinger weiß, wovon sie spricht. In allen Bereichen. Aufgewachsen ist sie in einem Haushalt mit vier Generationen. „Es war einfach immer jemand da, wenn wer mal Hilfe brauchte“, erinnert sie sich. Ein Modell, das sie vor allem schmerzlich vermisst, als ihre Ehe scheitert. Sie hat drei Kinder, muss aufgrund gesundheitlicher Probleme auch noch ihren Job aufgeben. Was tun? Margit Kramlinger beginnt eine Heilpraktikerausbildung in München und merkt schnell: Das ist ihre Berufung. Sie pendelt, jobbt, lernt, das jüngste Kind muss oft fremdbetreut werden. „Das war schon anstrengend und nicht immer schön“, sagt sie. „Aber ich wusste: Ich beiß mich da durch.“
Keine Sekunde zweifelt man an ihrer Entschlossenheit und Willenskraft. Und sie hat es geschafft. 1998 legte sie ihren Abschluss mit Bravour hin. „Hätte ich zu der Zeit Oma, Uroma, Mama oder Tanten gehabt – es wäre um einiges leichter gewesen.“ Die Idee eines Mehr- Generationen-Hauses keimt auf. Als sie vor ein paar Jahren dann auch noch eine ehemalige Lehrerin im Altenheim besucht, beschließt sie, endgültig, zu handeln. „Das war so unglaublich traurig. Diese alten Leute, die da einfach nur rumsaßen und darauf warteten, dass irgendwas passiert…“
„Alles normale Leute, keine Esos oder Super-Ökos“
Sie macht sich auf die Suche nach einer geeigneten Immobilie – irgendwo in Niederbayern soll es sein – und findet und kauft den Hof samt Weiden und Wiesen in Nebling bei Perlesreut. Sie nennt ihn Hof „Birkenglück“. Denn nachdem sie eingezogen ist, wachsen plötzlich etliche Birken auf dem Grund. Die Heilpraktikerin baut das alte Bauernhaus zu einem Mehrfamilienhaus um. Die Pferde, drei Hunde, zwei Laufenten, sieben Katzen und zwanzig Hühner leben hier. Jetzt wohnen außerdem sieben Erwachsene und ein kleiner Bub auf dem Areal – und es sollen mehr werden. „Alles normale Leute, keine Esos oder Super-Ökos, sondern einfach Menschen, die ein Bewusstsein für Natur und Menschlichkeit haben, denen Nachhaltigkeit wichtig ist und die bei allem was sie – und andere machen – auch an ihre Kinder und Nachfolgegenerationen denken“, sagt sie. Insofern ist klar, dass keiner hier Gen-Mais für eine gute Idee hält.
Dieser Hof und die Menschen, die bereits eingezogen sind, sind die Basis für das eigentliche Projekt „Birkenglück“. Die Entwürfe des Regensburger Architekten beinhalten verschieden große Wohnungen, die je nach Interesse noch individuell angepasst werden können, auch barrierefrei. Mittelpunkt wird eine große Gemeinschaftsküche sein, „wo immer was los sein soll“, sagt Margit Kramlinger.
Das Projekt hat sich bereits herumgesprochen. Acht alleinstehende ältere Menschen, ein Rentner-Ehepaar und eine junge Familie haben bereits ernsthaftes Interesse bekundet und machen sich derzeit gemeinsam über die ideale Form der Finanzierung Gedanken. „Langfristig ist es etwa vorstellbar, eine Genossenschaft zu gründen“, so die Projektgründerin. „Ich habe schon viele Ideen, wie wir auch unternehmerisch tätig sein könnten. Wir überlegen derzeit intensiv, was unseren Vorstellungen am ehesten entspricht.“
„Jeder gestaltet sein Leben nach seinen Interessen“
Bevor mit dem Bau begonnen bzw. dieser überhaupt erst genehmigt werden kann, müssten allerdings noch mehr junge Leute mitmachen, um das Mehrgenerationenprinzip verwirklichen zu können. Eine solche Wohnform wird derzeit massiv gefördert. In Perlesreut ist das Thema zudem nicht neu. Der Markt hat vor kurzem den Landesentscheid im Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ gewonnen – unter anderem, weil das Mehrgenerationenprinzip vorbildlich berücksichtigt wurde. Auch auf Hof Birkenglück wird dies groß geschrieben. Es sollen eben nicht nur alte Menschen dort wohnen, sondern es soll eine bunte Gesellschaft sein: „Alleinerziehende, Familien mit Kindern, Menschen mit Handicap – alle sind willkommen“, sagt die Initiatorin. „Jeder gestaltet sein Leben nach seinen Interessen, seinen Fähigkeiten und Neigungen. Alt und Jung können voneinander lernen und sich gegenseitig unterstützen. Es gibt bereits ähnliche – seit Jahren erfolgreiche – Projekte wie zum Beispiel das Ökodorf „Sieben Linden“, Schloss Tempelhof oder Schloss Blumenthal bei Aichach.
Auch Hof Birkenglück biete für die Bewohner viele Arbeitsfelder und Verdienst-Möglichkeiten, zum Beispiel die Herstellung und den Vertrieb landwirtschaftlicher Produkte im Kleinen oder eine Imkerei. Es soll ein möglichst hoher Grad an Selbstversorgung erreicht werden, auch therapeutisches Reiten mit den Islandpferden ist im Gespräch. Grundpfeiler ist aber die Gemeinschaft. „Wenn eine Mama etwas erledigen muss, ist immer jemand da, bei dem sie das Kind guten Gewissens kurz lassen kann. Ich erinnere mich, dass ich zum Beispiel einfach mal einen Kaffee trinken wollte. Oder ich hätte mich manchmal über warmes Essen gefreut, zum Kochen blieb alleine aber einfach keine Zeit“, erzählt Margit Kramlinger. Dennoch soll es auf Hof Birkenglück immer die Möglichkeit geben, sich zurückzuziehen – in völlig autarke Wohneinheiten. Jeder kann alleine sein, muss aber nicht. Unter dem Motto „Ruhe, Heilung, Miteinander“ soll das nun bald Realität werden.
An der lokalen Politik jedenfalls werde es nicht scheitern. Der Bürgermeister von Perlesreut, Manfred Eibl, ist ein großer Fan des Projekts. „Aus kommunaler Sicht unterstützen wir den Hof Birkenglück in jeder Hinsicht. Es wäre wirklich schön, wenn sich noch einige junge Gleichgesinnte finden“, sagt er. Im Herbst wird der beauftragte Architekt in der Bauhütte Perlesreut für Interessierte eine 3-D Animation des Hofes vorstellen. Margit Kramlinger und die Hofgemeinschaft freuen sich, möglichst vielen Menschen ihr Konzept näher zu bringen. Bürgermeister Eibl sowie ein Fachmann zur Finanzierungsfrage werden ebenfalls vor Ort sein.
Ines Geier
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–> Weitere Infos erhalten Interessierte direkt bei Margit Kramlinger unter Telefon 08555/405539 oder per E-Mail an info@hof-birkenglueck.de.
Da glaube ich wärs nicht so langweilig wie in einem normalen Altersheim. Da kann man sich wahrscheinlich noch nützlich machen. Viele alte Leute
können noch leicht Arbeiten verrichten und somit beitragen, daß auf so einem
Hof für manche die letzten Jahre noch bezahlbar bleiben.
Wäre ja schön gewesen, aber als älterer Mensch ist man hier doch nicht so erwünscht. Man inseriert zwar auf WG 50+, will aber dann für eine Wohnung eine junge Familie. Soviel zu den Älteren. Wenn man junge Leute will, sollte man auf dem normalen Wohnungsmarkt inserieren und dann den älteren Leuten die Enttäuschung ersparen. Vielen Dank.