Freyung/Grafenau. „Das ist ein todsicherer Job“ – so lautet die wohl gängigste Floskel, die rund um den Beruf des Bestatters (meist mit ironischem Unterton) kursiert. Die ernüchternde Tatsache, die sich dahinter verbirgt, lautet, dass Menschen nun einmal sterben müssen – irgendwann. Und dass sie nach ihrem Ableben (in den allermeisten Fällen) auf einem Friedhof in einem Sarg ihre letzte Ruhestätte finden. Doch: die Bestattungskultur verändert sich, unterzieht sich einem steten Wandel. Was vor allem in Ballungszentren schon länger der Fall ist, scheint sich auch im ländlichen Raum immer mehr durchzusetzen: Mittlerweile seien in Großstädten um die 80 Prozent der Bestattungen Urnenbestattungen – in unserer Region würde sich bereits jeder Zweite für eine Einäscherung entscheiden, wie Bestattungsunternehmer Stefan Pradl gegenüber dem Onlinemagazin da „Hog’n“ erklärt.
Von der „Almwiesen-Bestattung“ bis zur „Ballon-Verstreuung“ – mittlerweile könnten auf fast jede individuell gewünschte Art und Weise die leiblichen Überreste der Ewigkeit übergeben werden, informiert der 32-Jährige. Vor allem für jüngere Menschen verliere der Friedhof zunehmend an „Reiz“. Außerdem sei die Bindung an den Wohnort nicht mehr so gegeben, wie dies früher noch der Fall gewesen sei. „Andere Formen der Beisetzungen werden somit immer attraktiver, wie etwa die Naturbestattungen.“
„Wenn der Verstorbene im Baum weiterlebt…“
Immer größerer Beliebtheit erfreue sich derzeit ebenso die sogenannte „Tree of Life“-Baumbestattung, eine noch relativ junge, ganz eigene Form der Bestattung, die Pradls Betrieb seit etwa zwei Monaten als landkreisweiter Exklusiv-Partner eines Hamburger Anbieters ins Programm mitaufgenommen hat.
Der Grundgedanke dabei: Die Asche des Verstorbenen wird über die Wurzeln eines Baumes aufgenommen – „somit lebt der Verstorbene im Baum weiter“, erklärt Stefan Pradl und ergänzt: „Tree of Life ist eine Form der Beisetzung, die sich für mehr und mehr Menschen sowie deren Angehörige ansprechend und annehmlich gestaltet.“ Die sehr innige und persönliche Erinnerung an den Verstorbenen steht dabei im Vordergrund.
Bei einer Tree-of-Life-Baumbestattung geht es darum, sich aus einer Vielzahl von Baumarten den persönlichen Wunschbaum individuell auszusuchen, der laut Pradl „in einem Stubstratgemisch aus der Asche der bzw. des Verstorbenen sowie spezieller Vitalerde zur Durchwurzelung gepflanzt wird“. Zur Wahl stehen dabei ausgewählte Sorten fast aller Nadel-, Laub- und Zierbäume.
So wird der Friedhofszwang bei „Tree of Life“ umgangen
Wegen geltender gesetzlicher Zwangsbestimmungen in Deutschland (Stichwort: Friedhofszwang) werden „Tree-of-Life-Baumbestattungen“ dem Freyunger Bestatter zufolge nur in autorisierten Vertagsunternehmen in Ländern, in denen es keine Beisetzungspflicht für Urnen gibt (zum Beispiel in der Schweiz, in Tschechien oder den Niederlanden) durchgeführt.
„Nach der Einäscherung und Trauerfeier, die gerne hier in unserer Region abgehalten werden kann, erfolgt die Überführung der Urne deshalb zum beauftragen Spezialunternehmen in einem der genannten Länder. Erst dort findet dann die eigentliche Baumbestattung statt“, so der Bestattungsunternehmer.
Nach der Pflanzung des zirka zweijährigen Jungbaums benötige dieser dann mindestens ein halbes Jahr zur Durchwurzelung und Aufnahme von Nährstoffen aus der Asche. „Wenn der Baum dann für die heimatnahe Einpflanzung in Deutschland bereit steht, was nach etwa sechs bis neun Monaten der Fall ist, wird dieser mit den jeweiligen Beisetzungsdokumenten durch unser Unternehmen an die Angehörigen übergeben. Sie können den Baum dann einpflanzen, wo sie dies gerne möchten.“ Viele entscheiden sich zum Beispiel für den einstigen Lieblingsplatz des Verstorbenen – und schaffen somit einen eigenen Gedenkplatz, wie Stefan Pradl weiß.
Die Vorzüge einer Tree-of-Life-Baumbestattung: Sie schaffe einerseits Raum für eine ganz individuelle Form des Abschiednehmens. Andererseits würden Kosten und Zeitaufwand im Vergleich zur Sargbeisetzung deutlich niedriger ausfallen.
Der Unterschied zur klassichen Naturbestattung liege darin, dass dabei eben jener Friedhofszwang herrscht und die Urne auf einen dafür vorgesehenen Bereich, etwa einem Naturfriedhof, beigesetzt werden muss. Auf Naturfriedhöfen können die zersetzbaren Urnen etwa in der Nähe von Bäumen oder Steinen dem Erdreich übergeben werden. „Der Gedanke ist hierbei, dass die Asche des Verstorbenen wieder der Erde bzw. der Natur übergeben wird“, so Pradl.
Ständiger Wandel – ständige Weiterentwicklung
Gerade bei den „Jüngeren“ steige das Verlangen nach individuellen Beisetzungsmöglichkeiten und der Anspruch auf eine besondere Note, fernab vom gängigen Bestattungsmainstream, stetig an. Wobei sich „Jüngere“ auf Menschen im Alter „um die 60“ beziehe, wie der 32-jährige Freyunger nicht ohne Schmunzeln ergänzt.
Nach der Ausbildung zur Bestattungsfachkraft, bei der man von der Aushebung des Grabes bis zum angemessenen Umgang mit den Hinterbliebenen auf alles Notwendige vorbereitet wird, ist Pradl nun seit 2004 im Familienunternehmen tätig – seit 2008 ist er Inhaber des Bestattung-Instituts Pradl.
Auch als Bestattungsunternehmer müsse man sich „einem ständigen Wandel, einer ständigen Weiterentwicklung unterziehen“, sagt Stefan Pradl. Flexibel bleiben und auf die Wünsche seiner Kunden eingehen sei hier – genauso wie in anderen Branchen und Berufszweigen – oberste Devise. Um wettbewerbsfähig zu bleiben, heißt es, mit der Zeit zu gehen – denn: So „todsicher“, wie der Beruf des Bestatters zunächst scheint, ist er anscheinend dann doch nicht…
Johannes Greß