Neukirchen vorm Wald. Wo waren eigentlich die Kellermans, ganz zu schweigen von Johnny und Baby, den Hauptdarstellern des Filmklassikers „Dirty Dancing“? Oder hätten wir lieber Ausschau nach den Mädels vom Immenhof halten sollen? Das frage ich mich, als wir nach diesem Wochenende Gut Feuerschwendt verlassen und die weidezaungesäumten Kurven in Richtung Ilztal und Autobahnzubringer ansteuern. Jetzt lassen wir eine ganz eigene Welt hinter uns – und tauchen wieder ein in die Realität unseres kleinen Familienalltags. Pferde, Hunde, die kleinen Ferienhäuschen, das Buffet im großen Speisesaal mit Sonnenterrasse, der Biergarten und der Spielplatz, der Charme der späten 70er Jahre, der sich mit der heutigen Zeit vermischt – all das verbinde ich nun mit Gut Feuerschwendt. Und natürlich nicht zu vergessen: Karl Degenhart und seine Partnerin Ulli Ermer mit ihrem Team.
Freitagnachmittag: Check-In in den Bungalow „Geyersberg“
Sie ist es, die uns bei der Ankunft begrüßt. Heute ist es unglaublich heiß, der Bub (neun Monate jung) und wir schwitzen und freuen uns auf unser „Ausprobiat„. Wir wollen ein ganzes Wochenende lang testen, wie sich ein Kurzurlaub mit Baby auf Gut Feuerschwendt anfühlt. Uns erwartet das so genannte „GutsVerwöhnpensionPlus„-Programm. Gutsherrin Ulli Ermer weist uns zu unserem kleinen „Waldblick-Bungalow“ mit dem Namen „Geyersberg“. Jedes Häuschen trägt hier den Namen eines Bayerwaldberges. Ganz neu leuchtet der Putz der beiden Bungalowreihen. Holz und Stein verbreiten ländliches Flair. Die „Panorama-Bungalows“ versprühen hingegen noch den Charme der frühen 80er, den dunklen Holzbalken sei Dank. Ulli Ermer sperrt auf, bittet uns einzutreten. Die kühlen Fliesen in der Wohnküche sind eine Wohltat, das Granitwaschbecken direkt im Flur hat was. Im Obergeschoss finden wir unser Schlafreich, einen kleinen Balkon und ein wirklich wunderschönes Badezimmer mit riesiger Dusche samt Regen-Duschkopf.
Ich sehe uns schon abends auf dem Balkon sitzen, mit einem Glaserl Wein, der im Kühlschrank nebst Bier und alkoholfreien Erfrischungsgetränken auf uns wartet. Drinnen liegt der Bub in seinem bereitgestelltem Reisebettchen und schläft den Schlaf der Gerechten, nachdem wir uns in der Dusche ausgiebig erfrischt haben, nachdem wir im Haupthaus köstlich diniert haben, nachdem wir einen ersten Spaziergang rund ums Gut gemacht haben, nachdem wir… Halt! Ulli Ermer hat sich mit dem Hinweis verabschiedet, dass drüben noch Kaffee und Kuchen bereitstehen. Die Hitze macht uns aber eher durstig als hungrig, darum verzichten wir erst mal drauf, inspizieren noch in Ruhe unser neues Heim und halten gemeinsam mit unserem Sohn ein kleines Nachmittagsschläfchen.
Freitagabend: Sechs-Gang-Menü mit Baby
Nach dem Aufwachen meldet sich dann doch der kleine Hunger. Wie gut, dass gleich ein achtgängiges Menü, gezaubert von Naturkuchl-Meister Helmut Krompaß, unsere Gaumen erfreuen wird. Dem Buben nehmen wir ein Obstglaserl und Dinkelkeksis mit. Der riesige Speisesaal ist leer, draußen auf der Terrasse haben wir auch noch freie Platzwahl. Erst nach und nach füllen sich die Tische. Drinnen nehmen die Gutsherren ihr Abendessen ein. Auffällig: Absolut jedes Pärchen oder jede Familie hat einen Hund mit dabei. Wir: ein Baby. Die Gänge trudeln nach und nach ein, es ist immer noch so heiß und der Bub unruhig. Das Dinieren dauert doppelt so lange, weil wir uns mit dem Essenfassen abwechseln müssen. Einer isst, einer kümmert sich ums Kind – so ist das eben, wenn man sich im Familienrahmen in Restaurants aufhält. Die Speisen sind wirklich durchwegs sehr lecker – und am Ende winkt eine klassische Käseplatte, die den Magen schließen soll. Wir sind aber schon fertig – vor allem mit den Nerven. Darum verzichten wir auf die bunte Käseauswahl und ziehen das Fazit: Ein wunderbar schmackhaftes Sechs-Gang-Menü mit Baby – teils schwierig, weil etwas zu langwierig…
Der Bub schläft an diesem Abend schnell ein. Unter dem Dach ist die Hitze greifbar, wir öffnen die Fenster, genießen eine kühle Dusche und die Ruhe. Und wir beschließen den Abend, der in der Tat als lauer Sommerabend zu bezeichnen ist, auf der Terrasse mit dem obligatorischen Glaserl Wein. Die Fledermäuse zischen ums Haus, die Pferde schnauben auf der Weide – und als Krönung schiebt sich ein blutroter Vollmond über den Rand des Horizonts. Würde nicht das sanfte Rauschen des Autobahnzubringers an unser Ohr dringen, könnten wir in diesem Moment wirklich an eine Parallelwelt glauben, in der sogleich Jennifer Grey mit einer Wassermelone unter dem Arm daherstolpert…
Samstagmorgen – eine Hexe unter unserem Tisch…
Wir werden von fröhlichem Hundegebell geweckt, die Sonne strahlt bereits vom Himmel und verspricht wieder einen sehr heißen Tag. Wie spät ist es eigentlich? Ein Blick auf die Uhr verrät: Es ist kaum halb sieben. Der Bub hat herrlich genächtigt, wir auch. Nach dem ersten Flascherl des Tages und einem weiteren Morgen-Nickerchen wollen wir frühstücken. Diesmal entscheiden wir uns, statt auf dem Balkon im Gastraum des Haupthauses zu speisen. Gleich neben dem Buffet – das erscheint uns ein günstiger Sitzplatz zu sein. Dabei nehmen wir unwissentlich den Stammplatz eines älteren Herren mit moosgrüner Cordhose und Rauhaardackel ein. Der Hund drängt unter „seinen“ Tisch und der Herr zitiert die Hexe – auf diesen Namen hört der Dackel – zu sich. Auch die Gutsherren sind schon da und frühstücken zeitungslesend. Langsam drängen sich bereits bekannte sowie neue Gesichter ums Buffet, das mit klassischen Frühstücksspezialitäten aufwartet: Käse, Wurst, Marmeladen, Müslis, Butterportiönchen, Obst unter einer originellen Glasglocke, Brötchen, Brezn, Säfte… Wir schwitzen. Der Bub kaut genüsslich an seiner Breze herum, wir lassen es uns schmecken.
Was wollen wir mit dem Tag anstellen? Das Thermometer zeigt schon jetzt knapp 30 Grad an. Mit Baby brauchen wir uns auf kein größeres Abenteuer einlassen. Das Praktische, wenn man eine frische Familie ist: Man genügt sich selbst. Darum drehen wir erst mal eine Runde ums Gut. Der eigentliche Bauernhof mit Pferdestallungen beheimatet eine aussterbende Rasse: die Rottaler Pferde. Das erklärt auch, warum im Speisesaal unter anderem ein Foto vom Zehnerzug hängt, der alljährlich zum Karpfhamer Volksfest aufläuft. Karl Degenhart ist selbst Kutscher – er hält also nicht nur in Sachen Getränkemärkte und Gutshof die Zügel in der Hand.
Die braunen Pferde stehen kauend und schnaubend in ihren Boxen und sind mäßig an uns interessiert. Sie sind Besucheranstürme gewiss gewohnt, wie’s scheint. In der Scheune riecht es gut nach Heu und es tummeln sich kleine Katzenkinder. Die faszinieren auch unsern Sohn. Und in einem Nebengebäude warten ein weiteres Pferd, zwei Ponys und ein weißer Esel. Das muss der im Prospekt erwähnte Karl sein, der selbstironisch den Namen seines Herren trägt.
Samstagnachmittag – wir, die faule Löwenfamilie
Wir spazieren am Haupthaus vorbei, an Weiden, einem überdachten Reitplatz, einem großen – und schattigen – Biergarten, der heute Abend Schauplatz der kulinarischen Genüsse sein wird, einem Hundetrainingsplatz, alten Bäumen, den Bungalows… Schließlich wird es uns zu heiß und wir beschließen, uns zurückzuziehen. Die Ilz ist zwar nicht weit und sicher ein schönes Ausflugsziel – aber nicht mit Baby bei über 30 Grad. Außerdem passiert es es zu selten, dass wir zu dritt bewusst Zeit mit Nichtstun verbringen. So kommt es, dass wir wie eine faule Löwenfamilie auf den Betten liegen, Schläfchen halten, lesen, reden, duschen und unsere schwitzenden Leiber mit Flüssigkeit versorgen. Den ganzen Nachmittag lang. Herrlich!
Samstagabend – herrlicher Schmaus im Biergarten
Der Enkel von Karl Degenhart wurde heute getauft. Ihm zu Ehren gibt es einen großen Schmaus im Biergarten, an dem sich auch alle Gutsgäste laben dürfen. Helmut Krompaß hat sich einmal mehr selbst übertroffen und steht mit seinen Kollegen am Grill. Darauf brutzeln Fleisch, Gemüsespieße und dicke Garnelen. Das Salatbuffet lässt wahrlich keine Wünsche offen. Und wer kein Grillfleisch mag oder zusätzlich schlemmen will, für den stehen Braten und Röstis bereit. Leider sehen wir uns gezwungen, von allem zu probieren. Nach diesem gemütlichen Nachmittag ist auch der Bub sehr gechillt, knuspert an einem Brötchen, kostet Erdbeeren und gegrillten Lachs. Als Nachtisch locken Eis, Rote Grütze und eine Mascarponecreme. Plötzlich regnet es auf uns leise herab, ohne dass sich jedoch die Sonne verabschiedet. Die gewünschte Abkühlung bringt das nicht, im Gegenteil. Jetzt wirds richtig dampfig.
Wir erfreuen uns daran, weitere Kindskollegen unseres Sohnes zu sehen, probieren die Schaukel aus und begeben uns schließlich auf einen kleinen Verdauungsspaziergang, hinauf zu dem Hügel, wo Karl Degenharts privates Anwesen thront und man einen grandiosen Blick über das gesamte Gut und die waldige Umgebung hat. Im Licht der untergehenden Sonne spazieren Hundebesitzer umher, es duftet nach Heu und nasser Straße und jetzt hat uns das Urlaubsgefühl endgültig gepackt. Zurück im Bungalow werden wir nach einem weiteren romantischen Mondaufgang schnell müde und machen uns auf zu unserer letzten Nacht auf dem Gut.
Sonntagmorgen – Abschlussgespräch mit den Gutsherrn
Und täglich grüßen die Hunde. Fröhliches Gebell und Sonnenschein – so beginnt der Tag auf Gut Feuerschwendt. Wir packen unsere Sachen, verabschieden uns vom Bungalow – zugegeben etwas wehmütig von der tollen Dusche – und marschieren zum Frühstücksbuffet. Von den Kellermans, Johnny und Baby ist noch immer keine Spur – und die Mädels vom Immenhof haben sich auch noch nicht blicken lassen. Dafür marschieren die Hundebesitzer auf – und siehe da: eine Familie mit Baby – und Vierbeiner. Wir fühlen uns jetzt in besserer Gesellschaft und erfreuen uns noch einmal am Buffet, das heute zusätzlich mit Lachs und Croissants aufwartet. Es ist ja Sonntag.
Nach dem Essen nehmen sich Ulli Ermer, Karl Degenhart und Sohnemann Philip Zeit für uns. Der ältere Herr sitzt mit seiner Hexe und der Zeitung wie gewohnt am Nebentisch, ein gefühltes Duzend Golden Retrievers hechelt auf der Terrasse um die Wette, weil die Sonne schon wieder erbarmungslos auf uns hernieder brennt. Wie man denn Gutsherr wird, fragen wir Herrn Degenhart? Mei, antwortet dieser, früher habe das Anwesen einem Verleger aus Nordrhein-Westfalen gehört. Dieser sei recht eng mit diversen Polit-Eliten verbandelt gewesen. Deshalb versammelten sich hier häufiger die Granden des Politik-Geschäfts sowie diverse Fußballstars, um sich vom Alltagsstress zu erholen. Das war Ende der 70er, Anfang der 80er.
Danach verblich der noble Touch von Gut Feuerschwendt etwas, das schließlich Ender der 90er in die Hände von Karl Degenhart gelangte. Da dieser, wie er uns begeistert berichtet, schon immer einen eigenen Bauernhof haben wollte, packte er die Gelegenheit beim Schopfe. Und seitdem hat sich viel getan, auch wenn der alte Glanz nach wie vor spürbar ist. An vielen Ecken und Enden wurde renoviert und gebaut, das Gut hat sich für jedermann geöffnet – und viele Stammgäste aus der guten alten Zeit (insbesondere aus dem Münchner Raum, aus Österreich, Schweiz etc.) kommen nach wie vor in die kleine Ortschaft nahe Neukirchen vorm Wald. Das Mobiliar, die dunklen Balken, die Fliesen – das Ambiente der Hoch-Zeit ummantelt das Gut immer noch. Aber nicht mehr lange, wenn es nach Karl Degenhart geht. Er und Ulli Ermer haben viel vor und streben die Modernisierung des Gebäudes an. Ein Komplett-Umbau sei über kurz oder lang beabsichtigt.
Die „Panorama-Bungalows“ sind innen bereits auf dem selben Stand wie die neu gebauten „Waldblick-Bungalows“, verrät Ulli Ermer. Insgesamt setzt sich das Gut aus 30 Wohneinheiten zusammen. Karl Degenhart und sie beteuern, dass es insgesamt (noch) viel Arbeit auf dem Gut Feuerschwendt, das rund 50 Beschäftigte hat, gebe.
Warum leben ausgerechnet hier gut zwanzig der etwa achzig Rottaler Rösser, die es noch weltweit gibt, wollen wir wissen? Die simple Antwort: Karl Degenhart hat es gereizt, eine aussterbende Rasse zu retten.
Der 64-Jährige ist leidenschaftlicher Züchter und Pferdeliebhaber, der, wie er erzählt, erst mit Ende 30 seine Passion für Pferde entdeckte. Mit ihr kam auch die Begeisterung fürs Kutschenfahren – Degenhart selbst besitzt einige altehrwürdige Stücke und schwingt sich von Zeit zu Zeit gerne selbst auf den Kutschbock.
Würden wir wiederkommen? Könnte gut sein. Wenn der Bub größer ist und wir einen Hund haben, würden wir uns ganz gewiss in bester Gesellschaft fühlen, in der nahegelegenen Ilz planschen und den Eindruck genießen, in einer kleinen Parallelwelt zu leben. Und freilich von Jennifer Grey und Patrick Swayze träumen…
Eva Hörhammer
(Transparenz-Erkärung: Wie fährt sich ein Elektroauto? Würde ich meine Führerscheinprüfung heut noch einmal bestehen? Wie “gefährlich” ist das Klettern in einem Hochseilpark? Oder: Wie gelingt ein richtiger Schweinebraten? Wir probieren’s für Sie (so wie hier für das Gut Feuerschwendt in Neukirchen vorm Wald) und unsere Leser aus – stets offen und ehrlich! Wenn auch Sie unser Ausprobiat-Team für Ihre Sache engagieren wollen, kontaktieren Sie uns einfach – und wir schicken Ihnen zum absolut freundlichen Ausprobiat-Preis eine kompetente, wagemutige und offenherzige Truppe vorbei, “bewaffnet” mit Bleistift, Papier, Foto- und Videokamera. Einfach eine Email mit dem Kennwort “Ausprobiat” an info@hogn.de senden – und wir melden uns umgehend bei Ihnen.)