Perlesreut. Sanierung des Marktplatzes, Haus der Kinder, interkommunales Gewerbegebiet in Zusammenarbeit mit Röhrnbach, Eröffnung der Bauhütte – Perlesreut hat sich in den vergangenen Jahren heimlich, still und leise zu einer Kommune der Zukunft entwickelt. Deshalb wurde die Marktgemeinde kürzlich mit der Gold-Medaille im Rahmen des Wettbewerbes „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ ausgezeichnet. Doch nicht alles, was glänzt, ist Gold. Auch Bürgermeister Manfred Eibl hat – wie viele seiner Kollegen – mit so einigen Problemen zu kämpfen. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der 54-jährige FW-Politiker über die Schwierigkeiten mit dem Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) sowie weitere teure Ausgaben, die demnächst auf Perlesreut zukommen. Außerdem wirft er einen Blick auf die Krankenhaus-Diskussion im Landkreis.

Herr Eibl, der Markt Perlesreut hat beim Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft – Unser Dorf soll schöner werden“ Gold gewonnen. Nach welchen Kriterien wurden die Ortschaften bewertet?
Fünf Aspekte sind unter die Lupe genommen worden – Baugestaltung, Entwicklungskonzepte, Grüngestaltung, Dorf in der Landschaft und Zukunftsfähigkeit. Vor allem Letztgenanntes war ausschlaggebend. Deshalb heißt dieser Wettbewerb in anderen Bundesländern nur noch „Unser Dorf hat Zukunft“. Zudem scheiden sich an der Bezeichnung „Dorf“ die Geistern. Für diejenigen, die außerhalb unserer kleinstrukturierten Räumen leben, hat ein Dorf zwischen 3 bis 6000 Einwohner. Aber solche Dinge stören mich nur wenig.
Wichtiger war hingegen das positive Signal der Jury. Sie hat nicht nur den kommunal Verantwortlichen, sondern auch der Bürgerschaft klar gemacht hat, dass wir Zukunft haben – trotz unserer bescheidenen Voraussetzungen im ländlichen Raum.
„Uns wurde bestätigt, dass wir zukunftsfähig sind“
Wie läuft denn der Wettbewerb genau ab?
Es gibt verschiedene Etappen. Zuerst steht der Landkreis-Entscheid an – in den Kategorien „0 bis 600 Einwohner“ und „600 bis 3000 Einwohner“. Die beiden Sieger qualifizieren sich für den Bezirks-Wettbewerb. Neben Perlesreut schaffte das auch Nebling bei Röhrnbach. Wir schafften es dann sogar in den Landes-Entscheid, den wir auch gewinnen konnten. Unter anderem setzen wir uns gegen Wiesenfelden bei Straubing und weiteren 15 Bewerbern durch.
Wie wertig ist denn diese Gold-Medaille?
Das Wichtigste ist – wie eingangs bereits erwähnt -, dass dem Markt Perlesreut dadurch bestätigt worden ist, dass er zukunftsfähig ist. Uns wurde attestiert, dass wir gut aufgestellt sind, dass wir alle Einrichtungen haben, die in einem intakten Dorf nötig sind, dass im Bereich der sozialen Infrastruktur dem Bedarf gerecht werden. Man darf stolz sein – denn Stolz vermittelt Verbundenheit und schafft Identität. Und genau das ist in der heutigen Zeit sehr wichtig. Diese Auszeichnung ist somit mehr Wert als die teuerste Werbekampagne – es wird deutlich gemacht, dass wir wer sind. Eine bessere Botschaft gibt es nicht.

Welche Rolle spielt bei dieser Auszeichnung die erst kürzlich eröffnete Bauhütte?
Die Bauhütte ist sicher ein Teil des großen Ganzen. Sie ist aber nicht der alleinige Grund für den Sieg.
Apropos: Wie läuft’s im neuen Perlesreuter Prestige-Bau?
Wir sind dabei, das Objekt zu vermarkten. Demnächst soll das Gebäude mit Leben gefüllt werden. Ein Beispiel: In der Vergangenheit hatten wir eine kleine Bücherei in den Räumlichkeiten der Pfarrei. Diese ist nun in die Bauhütte umgezogen. Waren vorher nur vier bis fünf Ehrenamtliche an einem Tag pro Woche dort engagiert, kümmern sich nun mittlerweile über 20 Personen an vier Tagen pro Woche um diese Einrichtung.
Gut angenommen werden die Wohnungen im hinteren Teil. Erstaunlich: Ursprünglich wären diese Räume für ältere oder behinderte Menschen geplant gewesen. Aktuell wohnen aber dort ausschließlich junge Leute.
Ein weiteres interessantes Projekt ist der geplante Mehrgenerationen-Bauernhof in Nebling bei Perlesreut. Was halten Sie von dieser Idee?
Ich stehe voll hinter diesem Vorhaben. Wir werden künftig andere Formen des Wohnens in Anspruch nehmen. Es ist eine vermehrte Vereinsamung feststellbar – dahingehend, dass Menschen zwar in ihrer eigenen Wohnung leben, aber immer weniger Kontakt zu ihrer Umwelt haben. Deshalb sind derartige Wohnformen – wie in Nebling geplant – unsere Zukunft. Denn dort hat zwar jeder seine Rückzugsmöglichkeiten, dennoch hat man aber auch immer Menschen um sich, wenn man es möchte.
„Einzige Lücke ist die Mobilität bzw. ÖPNV“
Man hört raus: Perlesreut ist zuletzt meistens positiv in Erscheinung getreten. Aber: Wo drückt der Schuh?
Unser größtes Problem ist der öffentliche Personennahverkehr. In Perlesreut haben wir es durch eine Vielzahl von Maßnahmen geschafft, in allen Bereich der Daseinsvorsorge Schwerpunkte zu setzen – das interkommunale Gewerbegebiet bei Prombach, die Marktplatzsanierung, das Haus der Kinder, eine attraktive Badelandschaft. Alle Faktoren sind soweit berücksichtigt, sodass wir ein breites Angebot anbieten dürfen. Wir können eine gesamtheitliche Entwicklung verzeichnen – auch dank der ILE Ilzer Land, mit der wir im Verbund mit einer größeren Kraft auftreten können. Einzige Lücke ist die Mobilität beziehungsweise der ÖPNV.

Die ILE Ilzer Land erarbeitet derzeit in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt ein Mobilitätskonzept. Die Grunddaten sind erfasst. Ein Teil der ILE soll demnächst den freigestellten Schulverkehr, für den jede Kommune selbst verantwortlich ist, auf neue Beine stellen. So können eventuelle Wartezeiten enorm gekürzt werden. Generell wird der Ausbau des ÖPNV aber noch ein längeres Unterfangen werden. Es kann nicht sein, dass von Perlesreut täglich nur zwei Busse nach Passau fahren, dass Schüler an weiterführenden Schulen nicht mit dem Bus oder der Bahn nach Hause fahren können. Solche Dinge sind in der heutigen Zeit nicht mehr haltbar.
Wie passt das damit zusammen, dass die ÖPNV-Mittel für Niederbayern erneut gekürzt worden sind?
Überhaupt nicht. Das haben wir zuletzt auch der Enquete-Kommission des Bayerischen Landtages unmissverständlich klargemacht. Mit der immer mehr reduzierten Finanzausstattung wird es schwer werden, deutliche Verbesserung herbeizuführen. Denn: Mobilität kostet Geld, ist aber für die künftige Entwicklung unserer Region unabdingbar.
„Waldkirchen hat nun eine große Chance“
Gibt es eine Ideallösung was den ÖPNV betrifft?
Wir brauchen ein Zusammenspiel aller auf dem Markt befindlichen Angebote. Momentan ist es so, dass sich die Gemeinden um den Schulverkehr zu ihren Grund- und Mittelschulen kümmern muss. Der Landkreis ist für die weiterführenden Schulen in Freyung-Grafenau zuständig, der RBO für den ÖPNV. Drei verschiedene Systeme, die völlig eigenständig arbeiten. Es sind keine Synergien und Abstimmungen vorhanden. Kein einheitliches Tarifsystem. Ein großer Fehler.

Deshalb brauchen wir einen Verkehrs-Verbund mit dem Landkreis Passau, der in Sachen ÖPNV sehr stark aufgestellt ist. Wir brauchen eine Kombination aus Bus, Bahn und E-Fahrzeugen. Und das darf auch nicht an einem Schreibtisch entschieden werden, sondern muss getestet werden. Wir dürfen einfach nicht alle über den gleichen Stein fallen, wie es bisher schon mehrmals passiert ist. Warum dürfen mit Schulbusen keine anderen Fahrgäste mitfahren? Warum beginnen alle Schulen zur gleichen Uhrzeit? Diese Fragen müssen geklärt werden. Klar ist aber auch: Wir werden den ÖPNV nie so ausbauen können, dass wir komplett auf Autos verzichten können
Unklar ist auch noch die Zukunft des Waldkirchener Krankenhauses. Ihre Meinung zu dieser – teilweise hitzigen – Diskussion?
Perlesreut ist so orientiert, dass sich eine Vielzahl der Bürger Richtung Klinikum Passau bewegt. Dort findet man einfach alle Versorgungseinrichtungen gebündelt in einem Haus. Deshalb war es auch Zeit, in Sachen Krankenhäuser im Landkreis zu handeln. Waldkirchen hat nun eine große Chance, sich neu zu orientieren.
„Mit dieser Kleinstrukturiertheit wird es keine Zukunft geben“
Wie haben Sie die Demonstration, die Unterschriftensammlung und die Kreistagssitzung vor 420 Zuhörer im Freyunger Kurhaus wahrgenommen?
Überall dort, wo Emotionen auf welche Art und Weise auch immer greifen, zählen keine Sachargumente. Allen Respekt vor Landrat Gruber für die Standhaftigkeit, die er bei diesem Thema an den Tag gelegt hat. Er war der erste Landrat, der die Krankenhaus-Struktur aufgegriffen hat. Es geht darum, die Versorgungssicherheit der Landkreis-Bürger zu gewährleisten. Kein Weg führt an Spezialisierungen vorbei. Jeder, der diesen Weg nicht mitgeht, wird verlieren.
Waren die Anfeindungen gegenüber Landrat Gruber übertrieben?
Eindeutiges Ja. Mit welchen Kommentaren in den Sozialen Medien gearbeitet worden ist, finde ich alles andere als fair. Nochmal: Mit der jetzigen Kleinstrukturiertheit wird es keine Zukunft geben.

Was kommt denn in den kommenden Jahren explizit auf uns zu?
Es werden Rückbauten einiger Einrichtungen erfolgen. Ob über die Jahre hinweg die Schullandschaft so erhalten bleibt, wie wir sie jetzt kennen, ist sehr fraglich. Es wird deutlich was passieren. Zum Beispiel bei den beiden Hallenbädern des Landkreises, die ein Betriebskostendefizit von über 700.000 Euro pro Jahr aufweisen. Denn: Ist ein Landkreis dazu verpflichtet, eine Saunalandschaft zu betreiben? Eher nicht.
Wichtig ist vielmehr, dass wir die Einrichtungen der Daseinsvorsorge erhalten. In allen anderen Bereichen kommt es immer mehr auf die Synergien der einzelnen Kommunen an. Einzelne Gemeinden werden nicht mehr alles vorhalten können. Hier kann eine ILE zum Beispiel einen wichtigen Faktor spielen.
Auch Landrat Gruber kündigte zuletzt im Hog’n-Interview an, dass es wohl einige infrastrukturelle Veränderungen geben wird. Ist dann jedes Mal der Aufschrei so groß wie zuletzt in Waldkirchen?
Über die Art und Weise der Öffentlichkeitsarbeit des Landratsamtes kann man im Nachhinein diskutieren, keine Frage. Die Menschen müssen aber dennoch verstehen, dass Qualität einfach besser ist als Quantität. Denn dann sind die einzelnen Einrichtungen besser ausgelastet und können gehalten werden. Wir müssen weg von einer gewissen Besitzstandswahrung. Ein Prozess, der zuerst in den Köpfen der Verantwortlichen reifen muss. Ist das nicht der Fall, werden wir uns auf weitere Protestaktionen einstellen müssen.
„Er möchte ja wiedergewählt werden“
Hätte dann Bürgermeister Heinz Pollak als Führungspersönlichkeit anders reagieren müssen?
Nein. Das kann er gar nicht. Er ist Wahlbeamter. Irgendwie muss er auch auf sich schauen, er möchte ja wiedergewählt werden. Deshalb war er in der Verpflichtung, auf diese Art und Weise zu reagieren.
Abschließendes Thema: Der Wasser/Abwasser-Bereich. Wie schaut’s da in Perlesreut aus?
Wir haben gerade die letzten Erschließungen im Bereich der Abwasserversorgung abgeschlossen. An anderen Stellen müssen wir aber bereits wieder mit Instandsetzungen beginnen. Hier ist auch die Staatsregierung gefordert, denn sie muss die Gemeinden mit Förderungen unterstützen. Ansonsten müssen die Kosten auf die Verbraucher umgelegt werden. Und das wäre der worst case.
Der größte Batzen Geld, der auf die Gemeinde zukommt?
Unter anderem. Denn auch die Sanierung unseres Frei- und Hallenbades wird einiges verschlingen. Der Breitbandausbau kostet zirka 1.35 Millionen Euro. Auch für den Straßenbau müssen Mittel bereitgestellt werden. Aber wir sind vorbereitet.
Vielen Dank für das Interview. Alles Gute für die Zukunft.
Interview: Helmut Weigerstorfer
Die Aussagen von Herrn Eibl zum Nahverkehr kann man nur unterstützten. Der ÖPNV im Landkreis ist ein fahrgastfeindlicher Wildwuchs, der 30 – 40 Jahre hinter dem Stand der Technik hinterherhinkt.
Einzig mit der Anbindung an die Verkehrsgemeinschaft Landkreis Passau bin ich nicht ganz einverstanden. Den der nördliche Landkreis orientiert sich nach Deggendorf und touristische Verkehr in Richtung Landkreis Regen. Wenn dann sollten mindestens die Landkreise Freyung-Grafenau, Regen, Deggendorf, Passau und die Stadt Passau einen Verkehrsverbund bilden. Dieser wäre dann auch ausreichend groß um sich eine eigenständige Geschäftsstelle leisten zu können und nicht ein Anhängsel der RBO wie in Passau oder Cham wäre.