Regen. „Die Realität zeigt, dass man uns sonst in München nicht hört.“ Bewusst plakativ gehalten war also die Forderung von Michael Adam nach einem Aufnahmestopp von Asylbewerbern, die in der vergangenen Woche für viel Aufsehen und rege Diskussionen sorgte. Viel Zustimmung erntete Regens Landrat vor allem im Netz und in den sozialen Medien, was sich durch eine regelrechte Lawine an beipflichtenden Like-Angaben, Teilern und Kommentaren äußerte. Der Eindruck, dass viele nur die Überschrift „Aufnahmestopp von Asylbewerbern“ gelesen und deshalb sogleich ihr „Gefällt mir“ hinterlassen haben, dass er mit seiner Forderung gerade denjenigen aus der Seele gesprochen hat, die vorurteilsbehaftet und wenig differenziert für populistische Botschaften dieser Art empfänglich sind, ist dabei nicht von der Hand zu weisen. Adam, der neue Fürsprecher der Anti-Asyl-Bewegung im Bayerischen Wald? „Ich denke, dass die große Mehrheit schon mitbekommt, um was es uns geht“, versucht Adam im Hog’n-Interview zu erklären – und betont, dass es ihm nicht darum gehe, keine Asylbewerber mehr aufzunehmen, sondern der Staat die Landratsämter bei der Asyl-Frage hängenlasse. „Den Applaus von rechten Gruppen höre ich, doch den Beifall nehme ich nicht an“, weist der 30-jährige Lokalpolitiker jeglichen Zuspruch aus dem rechten Lager von sich.
„Weiß, dass die meisten Leser auch den Text gelesen haben“
Mit Ihrer Forderung nach einem Aufnahmestopp von Asylbewerbern scheinen Sie einen Nerv bei den Menschen in der Region getroffen zu haben. Die zustimmende Resonanz, insbesondere in den Sozialen Medien, war ja mehr als überwältigend. „Endlich sogt moi oana, wos ganz vui dengan“, war unisono zu hören. Herr Adam: Glauben Sie, dass die große Mehrheit Sie mit Ihrer Forderung richtig verstanden hat? Oder denken Sie, dass viele, wie häufig, nur die Überschriftsschlagworte „Asylbewerber“ und „stoppen“ gelesen haben – und daraufhin „Gefällt mir“ gedrückt haben?
Ich denke, dass die große Mehrheit schon mitbekommt, um was es uns geht. Es geht ja eben nicht darum, keine Asylbewerber mehr aufnehmen zu wollen, sondern dass der Staat uns hängen lässt. Den Applaus von rechten Gruppen höre ich, doch den Beifall nehme ich nicht an. Ich habe bei allen Gelegenheiten erklärt, warum ich so reagiere – und ich werde weiterhin sagen, dass ich das Grundrecht auf Asyl als wichtigen Eckpfeiler unseres demokratischen Staates sehe.
„Adam verhängt Aufnahmestopp – Regener Landrat will keine weiteren Asylbewerber akzeptieren“ – so titelte die Heimatzeitung am vergangenen Donnerstag, die Sie damit zum Sprachrohr für all diejenigen gemacht hat, die lauthals „Ausländer raus“ schreien und vom „Zuzug von Flüchtlingen, der übergroß und kaum noch auszuhalten“ sei, genug haben. Wie glücklich sind Sie darüber, Herr Adam?
Ich bin weder glücklich, noch unglücklich. Die Überschrift ist nicht falsch und im Text wird auch erklärt, warum ich so reagiere. Aus vielen Reaktionen heraus weiß ich, dass die meisten Leser auch den Text gelesen haben.
„Landkreisbürger wissen, dass ich pro Asyl eingestellt bin“
Wie schwierig, glauben Sie, ist es, diese sich in den Köpfen der Leute festgesetzte Botschaft, dass Sie generell gegen den Zustrom von Asylbewerbern seien, nun öffentlich zu revidieren?
Ich glaube nicht, dass diese Botschaft sich festgesetzt hat. Denn diese Botschaft gibt es nicht. Unsere Landkreisbürger wissen, dass ich pro Asyl eingestellt bin. Ich bin immer dafür eingestanden, dass Menschen, die zu uns fliehen, anständig behandelt werden. Dazu gehört auch eine gute Unterkunft.
Ein Facebook-Kommentar auf unserer Hog’n-FB-Seite zur veröffentlichten Pressemitteilung lautet: „Typisch Adam – jetzt kann er wieder Medienaufmerksamkeit erheischen, egal auf wessen Kosten auch immer. Zur Not halt auf Flüchtlinge, da kriegt er viele Likes, weil so viele einfach nur im braunen Dreck mitschwimmen, als sich ein eigenes Bild zu machen und mit Betroffenen zu sprechen.“ Was sagen Sie dazu, Herr Adam?
Mir ist durchaus klar, dass dies für den einen oder anderen so wirken mag. Aber: Die Realität zeigt, dass man uns sonst in München nicht hört. Ich habe bereits vor Monaten einen freundlichen Brief an Sozialministerin Müller geschrieben – und bis dato noch keine Antwort erhalten. Es tut mir leid, dass einige nicht verstehen, dass mein Handeln auch den Menschen hilft. Ich finde, dass eine Gemeinschaftsunterkunft in Poschetsried, auch wenn sie der Petitionsausschuss de facto ablehnt, allemal besser ist, als eine in einer Turnhalle.
„Regierung darf Verantwortung nicht auf uns Landkreise schieben“
Ein weiterer Kommentar: „Diese Forderung kommt ausgerechnet von einem Sozi…“ – Sind Sie als SPD-Mitglied immer noch sozial genug, wenn Sie derartige Forderungen nach Asylstopps öffentlich stellen? Was glauben Sie?
Die Unterbringungen, die wir für den Staat zu leisten haben, sind eine reine Sachfrage. Dies hat überhaupt nichts mit meiner Parteimitgliedschaft zu tun. Ich kann nur feststellen, dass sich viele Landratskollegen, egal ob CSU, SPD oder Freie Wähler, bei mir gemeldet haben – und mir recht geben. Es kann doch nicht sein, dass wir für den Staat Asylbewerber unterbringen und der Landtag uns dann in den Rücken fällt, indem er bei Nachbarschaftsprotesten einknickt. Ich habe kein Wort gegen Asylbewerberunterbringung gesagt, im Gegenteil: Der Landkreis Regen erfüllt im Bereich der Asylbewerber nicht nur seine Pflicht. Uns ist es bisher gelungen, die Flüchtlinge auch menschenwürdig zu behandeln.
Damit uns dies weiterhin gelingt, brauchen wir die Unterstützung des Freistaates. Der drückt sich aber um die Aufgabe. So müssen wir Landratsämter uns um die Unterbringung von Flüchtlingen kümmern. Dies ist angesichts eines unveränderten Personalstandes immer schwieriger – und so haben wir uns eigentlich gefreut, als die Regierung plante, in Poschetsried eine weitere Gemeinschaftsunterkunft zu eröffnen. Auch die Petition der Nachbarn beunruhigte uns zunächst nicht.
Verwundert hat uns aber die Empfehlung des Petitionsausschusses, wonach nur maximal 60 Menschen in Poschetsried untergebracht werden sollen. Dies sind für eine Gemeinschaftsunterkunft aufgrund der hohen Personalkosten zu wenig. Und nachdem der Ausschuss dabei auch noch von einer Ein-Prozent-Empfehlung (Asylbewerber sollen nur ein Prozent der jeweiligen Bevölkerung eines Orts ausmachen – Anm. d. Red.) sprach und das zuständige Ministerium wohl der Empfehlung des Ausschusses folgen will, musste ich handeln. Wir sind überbelastet und der Freistaat ist nicht in der Lage, seine Aufgaben zu erfüllen. Ich erwarte, dass man eine klare Entscheidung pro Gemeinschaftsunterkunft trifft und in Poschetsried 120 Asylbewerber unterbringt. Die Regierung darf die Verantwortung nicht auf uns Landkreise abschieben. Außerdem darf es nicht Schule machen, dass Gemeinschaftsunterkünfte mit fadenscheinigen Petitionen verhindert werden können.
„War normal, dass Schwarze bei uns als Neger bezeichnet wurden“
Vorletzte Frage: Von Seiten der lokal-regionalen Politiker sind bisher nur wenig öffentliche Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit und Ausländerhass gesetzt worden. Was glauben Sie, woran das liegen mag?
Ganz ehrlich: Das kann ich nicht einschätzen – und auch nicht bestätigen. Auch im Landkreis gibt es Bürgermeister, die regelmäßig Asyleinrichtungen besuchen, die sich engagieren und einbringen. Und der persönliche und öffentliche Kontakt ist das beste Zeichen gegen Fremdenfeindlichkeit, deswegen kann ich nicht bestätigen, dass es nur wenig öffentliche Zeichen gibt.
Wie sehr, glauben Sie, wird die Gefahr von Rechts bzw. der verbreitete Alltagsrassismus in unseren Breitengraden unterschätzt?
Es gibt immer die Gefahr, dass Extremismus unterschätzt wird. Sowohl rechter als auch linker Extremismus. Ich glaube aber auch, dass nicht alles rassistisch gemeint ist, was möglicherweise so aufgefasst wird. Bis vor wenigen Jahren war es durchaus normal, dass Schwarze in unseren Breitengraden als Neger bezeichnet wurden.
(Anmerkung von Michael Adams Pressesprecher Heiko Langer: „Sehr geehrte Damen und Herren, der Satz „Bis vor wenigen Jahren war es durchaus normal, dass Schwarze in unseren Breitengraden als Neger bezeichnet wurden“, wurde versehentlich freigegeben. Landrat Michael Adam hat das Interview in Stichpunkten via Handy beantwortet, sein Büro hat es dann ausformuliert und an den Landrat geschickt. Der Satz stand in einem längeren Kontext und wurde wohl von den Mitarbeitern falsch erfasst, der letzte Absatz wurde dann vom Landrat – bei der Freigabe – gestrichen, der Satz blieb aber versehentlich stehen. Den Fehler bedauern wir. Mit freundlichen Grüßen Heiko Langer“).
Interview: Stephan Hörhammer
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Sehr geehrte Damen und Herren,
der Satz „Bis vor wenigen Jahren war es durchaus normal, dass Schwarze in unseren Breitengraden als Neger bezeichnet wurden“, wurde versehentlich freigegeben.
Landrat Michael Adam hat das Interview in Stichpunkten via Handy beantwortet, sein Büro hat es dann ausformuliert und an den Landrat geschickt. Der Satz stand in einem längeren Kontext und wurde wohl von den Mitarbeitern falsch erfasst, der letzte Absatz wurde dann vom Landrat – bei der Freigabe – gestrichen, der Satz blieb aber versehentlich stehen.
Den Fehler bedauern wir.
Mit freundlichen Grüßen
Heiko Langer
Kommunikation und Medien sind nicht Adams Stärken. Er beweist es immer wieder aufs Neue!
Es gibt im Landkreis Regen einige die gerne Flüchtlinge aufnehmen würden,auch große Hotels,nur leider sind die in Bodenmais wo der Landrat wohnt,also keine Chance.Wenn der Landrat so pro Asyl eingestellt ist warum lässt er dann keine in Bodenmais zu vor seiner Haustüre.Alles bloß bla bla.