Bayerwald/Südafrika. Kaum eine bayerische Tradition ist so bekannt wie das Schuhplatteln. Entstanden ist der Schuhplattler schon im 18. Jahrhundert und war damals im Raum Süddeutschland, Österreich, der Schweiz und Slowenien unter den „einfachen“ Leuten wie Bauern und Jägern die wichtigste Form des Gesellschaftstanzes . Zu seiner genaueren Herkunft kursieren mehrere Theorien. Aus Überlieferungen geht hervor, dass unter den Benediktinermönchen schon um das Jahr 1030 eine Urform des Schuhplattlers existierte. Einige behaupten, er sei aus dem im 18. Jahrhundert sehr beliebten „Ländler“ hervorgegangen. Andere wiederum sehen Verbindungen zum Balztanz des Auerhahns. Von seiner Keimzelle, dem Zillertal, verbreitete sich der Volkstanz durch Aussiedler, Kriegsgefangene und Gastarbeiter auf ganz Bayern, Österreich – und später sogar Nordamerika. Ein großer Windbruch im Raum Passau um 1820 lockte große Mengen Holzknechte und Holzarbeiter an – und mit ihnen den Schuhplattler. Die Geburtsstunde des Plattlers in Niederbayern! Mittlerweile gilt Niederbayern mit durchschnittlich 25 verschiedenen Formen des Schuplattlers als Tanzhochburg.
Ursprünglich war das Schuhplatteln eine Art Werbetanz, der vollkommen ohne Regeln auskam. Dabei wurde durch Sprung – und Hüfpbewegungen sowie durch das „Platteln“ (= Schlagen) auf die Schenkel, Knie und Fußsohlen versucht, die Dame seiner Begierde für sich zu gewinnen. Mit der Zeit verlor dieser Brauch jedoch immer mehr an Bedeutung – und so entwickelte sich aus dem einstigen Werbetanz ein Schautanz mit einer zuvor einstudierten Choreographie. Hartgesottene „Trachtler“ sprechen daher auch von einer „erfundenen Tradition“. Auch mit der heutigen Trachtenmode zeigen sie sich weniger zufrieden. Bunte Dirndl mit fetzigen Aufdrücken hätten mit dem eigentlichen Dirndlg’wand eher weniger zu tun…
Von der Geheimsprache zur Touristenattraktion: Gumboots-Dance
Eine ganz wichtige Rolle spielt natürlich auch die passende musikalische Untermalung. Schon zu den Anfängen (und bis heute) werden die Tänzer meist von einer Steirischen, also der Diatonischen Knopfharmonika, begleitet. In den Anfangsjahren diente als Begleitung manchmal auch eine Mundharmonika oder bloßes Pfeifen. Die langsam gespielten, 16-taktigen Landlermelodien erfordern vom Musikanten ein gewisses Können. Nicht jede Blaskapelle ist daher des Plattlerspielens mächtig.
Heutzutage gibt es in unserer Region unzählige Heimat – und Trachtenvereine, die die Trachtlertradition immer noch fortleben lassen. Diese lassen neben dem Platteln auch andere Brauchtümer, wie das Goaßlschnoizn oder altbayerisches Liedgut, wieder aufleben. Das Alter spielt dabei keine Rolle, vom Kinder- bis zum Rentenalter ist für jeden was dabei. Außerdem nehmen sie regelmäßig an sogenannten Preisplatteln, also Schuhplatteln in Turnierform, teil.
Um einen sauberen Plattler aufs Parkett zu legen, bedarf es nicht nur reichlich Übung, sondern auch sportlicher Fitness. Der Profi erkennt dabei anhand des Stils woher der Plattler kommt. Die bekanntesten sind dabei: „A Reit im Winkler“, „a Haushamer“ oder „a Südafrikaner“. Südafrikaner? Richtig! Wir Bayern sind nämlich nicht globaler Alleinherrscher der Plattlerei. Auch in Südafrika gilt der sogenannte „Gumboots – Dance“, die afrikanische Form des Schuhplattelns, als Tradition.
„Plattln in Umtata“ – mit der Biermösl Blosn in Afrika
Entstanden ist das Ganze vor gut 100 Jahren in den Goldminen Südafrikas. Um Aufstände der ausschließlich schwarzen Minenarbeiter bereits von vornherein zu unterdrücken, erteilte man den Sklaven damals striktes Redeverbot. Diese entwickelten im Laufe der Zeit eine Geheimsprache, eine Art Tanz, bei dem mit der flachen Hand auf die Gummistiefel gepatscht wurde. Die Parallelen zum bayerischen Balztanz waren schon damals kaum zu übersehen. Diese Praxis erfreute sich unter den Minenarbeitern immer größerer Beliebtheit, sodass nach Schichtende oft noch weitergetanzt wurde. So behielt man auch nach Ende der Sklavenzeit diesen Brauch weiter bei.
Ähnlich zur bayerischen Version wurde das „Gummistiefel-Tanzen“ über die Jahre mehr und mehr kommerzialisiert. Heutzutage dient die einstige Geheimsprache vor allem als Touristenattraktion in den Großstädten Südafrikas. Nicht wenige Straßenkinder sichern sich so ihr täglich Brot. Auch internationale Bühnenauftritte verschiedenster Gumboots-Gruppen sind heute keine Seltenheit mehr. Während in Bayern stets in Tracht geplattelt wird, so trägt man beim „Platteln“ in Südafrika ganz traditionell Bauhelm und Latzhose.
Natürlich mit im Gepäck: Alphorn, Tuba und Quetsche
Diese verblüffende Ähnlichkeit ist auch der ehemaligen Fürstenfeldbrucker Volksmusikgruppe Biermösl Blosn nicht entgangen. In ihren Film „Plattln in Umtata – mit der Biermösl Blosn in Afrika“ bereisen sie zwei Wochen lang Südafrika und Namibia. Natürlich mit im Gepäck: Alphorn, Tuba und Quetsche! Bereits bei ihrer Ankunft stellen sie Verbindungen zum bayerischen Traditionstanz her.
Ob Balztanz, Werbetanz oder Schautanz – von der Geheimsprache bis zur Touristenattraktion, mit echt bayerischer Tracht oder mit Latzhose und Bauhelm, das Schuhplatteln erfreut sich auch noch heute großer Beliebtheit – ganz egal ob im Bayerwoid oder in Kapstadt…
Johannes Gress
(Für Artikel verwendete Hauptquelle: Geschichte der Heimat- und Trachtenvereine Niederbayern – „Bei uns dahoam“ im Dreiflüsse-Trachtengau Passau; Herausgeber: Dreiflüsse-Trachtengau Passau e.V., Druck: Chiemgau Druck, 2007)