Freyung. Die Vielzahl der Besucher im großen Sitzungssaal des Landratsamtes hat wieder einmal deutlich gemacht, wie allgegenwärtig das Thema Asylbewerber derzeit ist. Die Zuhörer der Veranstaltung unter dem Motto „Mit Kompetenz in der Flüchtlingsarbeit engagiert“ waren überwiegend ehrenamtlich engagierte Leute, die am Projekt „Gemeinsam leben und lernen in Europa“ (GLL) interessiert sind. Es geht bei GLL darum, zu erfahren, wie man sich ehrenamtlich engagieren kann und auch zu wissen, wo die Hilfe wirklich benötigt wird. So hat der in ganz Europa aktive gemeinnützige Verein bereits vor vier Jahren eine Schulung entwickelt, die gezielt auf ein Engagement im Ehrenamt vorbereitet, wie Haupt-Initiator Perdita Wingerter erklärte.
Um die aktuelle Situation der Flüchtlinge noch einmal besser vor Augen zu haben, berichtet Landkreis-Pressesprecher Karl Matschiner kurz über den derzeitigen Stand im Landkreis. Er findet es bemerkenswert, wie dynamisch und positiv sich die Dinge verändert und entwickelt haben. Angefangen von der Caritas über die Kirchen und viele weitere Einrichtungen gibt es derzeit zirka 100 Personen, die sich ehrenamtlich in den Unterkünften der Flüchtlinge engagieren. Die bewusst gewählte dezentrale Struktur der Unterbringung im Landkreis hat zur Folge, dass in zwölf Unterkünften (mit jeweils 10-30 Plätzen) rund 200 Asylsuchende beherbergt werden. In Grafenau befindet sich zudem eine Gemeinschaftsunterkunft mit zirka 150 Plätzen.
Im Landkreis FRG gibt’s rund 900 Asylbewerber
Außerdem gibt es aufgrund der höheren Nachfrage mehr Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Die rund 80 Jugendlichen werden teilweise in Pflegefamilien, aber auch in der Wohngemeinschaft in Schönberg, in der Jugendherberge in Mauth oder im Christophorus-Haus in Waldkirchen untergebracht.
Hinzu kommen noch 100 Plätze in Neuschönau und 400 in der ehemaligen Gesa-Klinik in Freyung-Geyersberg.
Zählt man alles zusammen, so erhält man die Summe von 900-950 asylsuchenden Personen im Landkreis Freyung-Grafenau. Mittlerweile gibt es mehr Gemeinden im Landkreis, die Asylbewerber beherbergen, als solche, in denen es keinen Standort gibt. Es sind zwar schon viele hauptamtliche Kräfte in der Asylarbeit beschäftigt, dennoch werden weitere Helfer gesucht. „Deswegen wäre es gut, wenn sich aus jedem Standort einer dezentralen Flüchtlingsunterkunft ein bis zwei Personen finden, die bereit sind, an der kostenlosen Schulung teilzunehmen und ihr dort erworbenes Wissen als Multiplikatoren an andere Interessierte weiterzugeben“, macht Matschiner deutlich.
„Weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht“
Die frühere BFDlerin Sabrina Kanski erklärte, was man unter dem Begriff „Flüchtling“ eigentlich versteht: So wird eine Person bezeichnet, die aufgrund von Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Überzeugung verfolgt wird. Anschließend informiert sie über die Situation der Flüchtlinge allgemein und warum sie überhaupt nach Deutschland kommen. „Weltweit sind über 60 Millionen Menschen auf der Flucht“, machte sie deutlich. Die Länder, aus denen die meisten Flüchtlinge nach Freyung kommen, sind Syrien, Albanien, Kongo und Nigeria.
Dass so viele Leute fliehen, liegt oftmals am Krieg im eigenen Land, oder daran, dass die Menschen Angst vor Gewalt und Gruppen wie „Boko Haram“ haben. Auch kommen viele Fliehende mit der schlechten wirtschaftlichen Lage in ihrem Land nicht zurecht oder haben – wie die Flüchtlinge aus Eritrea – Angst vor der Zwangsrekrutierung ab dem 16. Lebensjahr und davor, dass sie für einen monatlichen Lohn von 2,80 Euro auf unbestimmte Zeit arbeiten müssen. Unterstützt werden die Fluchtversuche von Schlepperbanden, die den Fliehenden Versprechungen machen, dass in Deutschland jeder ein Auto, Haus und sichere Arbeit bekommt.
Die meisten Flüchtlinge hat Nordrhein-Westfahlen aufgenommen
Sabrina Kanski lieferte auch noch einige interessante Fakten, wie zum Beispiel, dass die Hälfte aller Flüchtlinge unter 18 Jahren alt ist, oder auch, dass die Prognose der Zahl an erwarteten Flüchtlingen in Deutschland für das Jahr 2015 auf 400.000 gestiegen ist. Es werden also noch viele engagierte Menschen benötigt werden, um den Asylbewerbern zu helfen. Auch hat nicht, wie vielleicht vermutet, Bayern die meisten Flüchtlinge aufgenommen, sondern Nordrhein-Westfahlen. Dies setzt der Königsteiner Schlüssel fest, wonach die Anzahl der aufzunehmenden Flüchtlinge aus den Steuereinnahmen und der Bevölkerungszahl ermittelt wird.
Anwalt Michael Kleinhans von der Hanns-Seidel Stiftung informiert daraufhin über den Ablauf des Asylverfahrens. Er ermutigt die Interessenten, sich in der Schulung mit Themen wie dem Stellen eines Asylantrages zu beschäftigen. Auch ein großer Bereich: Bei der Suche nach Ausbildungsstellen oder Jobs als ehrenamtlicher Helfer tätig zu werden und behilflich zu sein, da Asylbewerber nach einer dreimonatigen Aufenthaltsfrist theoretisch arbeiten dürfen.
Bei „Pro Vol“ handelt es sich um das Projekt „professional volunteering“, wie Kathrin Zenger erklärte. Sie warnt vor dem Schein, dass „ein Ehrenamt ja eine unentgeltliche Sache ist, also muss man auch nichts dafür investieren“. Um eine wirklich gute und auch erfolgreiche Arbeit im Bereich des Ehrenamtes leisten zu können, ist sehr wohl eine intensive Auseinandersetzung mit verschiedenen Themen wichtig. In der Schulung können Fragen wie „Wo bekomme ich Deutsch-Wörterbücher günstig her?“ oder auch „Was muss ich tun, wenn ein Asylbewerber in einem Geschäft einen Schaden verursacht?“ geklärt und auf die verschiedensten Situationen praxisbezogen vorbereitet werden. Die Teilnahme am Kurs ist kostenlos, nimmt jedoch natürlich einige Zeit in Anspruch – er besteht aus 10+1 Modulen mit insgesamt zirka 30 Stunden.
Erstes Treffen am 29. Juli
Falls sich also nun der ein oder andere denkt: „Eigentlich würde ich mich schon ganz gerne mit dem Thema auseinandersetzen und mich auch mehr in die Gemeinschaft einbringen, aber ich weiß nicht so Recht wie“, dann lohnt es sich auf jeden Fall für interessierte Personen an der Schulung teilzunehmen. Denn aufgrund der dezentralisierten Lage der Aufnahmestellen in unserem Landkreis wird jeder vom Thema Asylbewerber früher oder später betroffen sein.
Ruth Zitzl
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Das erste Treffen findet am Mittwoch, 29. Juli, statt. Mehr Infos gibt’s bei Perdita Wingerter unter wingerter@gemeinsam-in-europa.de oder unter gemeinsam-in-europa.de