Neureut. Der Schießsport hat im Bayerischen Wald eine lange Tradition. Landauf landab gibt es in den Ortschaften zahlreiche Schützenvereine und -gemeinschaften. Dazu zählt auch die SG Neureut 21. Die Freyunger Sportler allerdings haben ein Alleinstellungsmerkmal. Deren Nachwuchssportlerin Kristin Zanner (20) nämlich darf sich Deutsche Meisterin nennen und nimmt demnächst auch an der Europameisterschaft in der Kategorie „Kleinkalibergewehr“ im slowenischen Maribor teil. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht die Fahrzeugtechnik-Studentin über ihren bisherigen sportlichen Erfolg, über ihre außergewöhnliche Randsportart und über den Traum von Olympia.
Kristin, Du hast Dich erst kürzlich für die EM der Sportschützen in Maribor qualifiziert. Hast Du das schon komplett realisiert?
Noch nicht so wirklich (lacht). Das wird erst passieren, wenn ich in Maribor bin und die Wettkämpfe beginnen.
War die Qualifikation für Dich tatsächlich so überraschend?
Ich habe immer gewusst, dass ich um die vorderen Plätze mitkämpfen kann. Mein großes Problem war aber, dass ich mit Druck nicht immer gut umgehen konnte. In den vergangenen beiden Jahren bin ich dadurch immer in den Qualifikationsrunden gescheitert. Aber dieses Mal hat es geklappt, was doch eine Überraschung ist. Dass ich es kann, habe ich beim Finale der Quali in München bewiesen, dort habe ich mir den 2. Platz gesichert.
„Ich muss meine Nerven unter Kontrolle bekommen“
Wie schaffst Du es dann während der Europameisterschaft dem nicht unbedingt kleiner gewordenen Druck standzuhalten?
Obwohl ich derzeit auch Prüfungen im Rahmen meines Studiums habe, trainiere ich gezielt auf dieses Großereignis hin. Ich muss es mit einer guten Vorbereitung einfach schaffen, alles andere in den Hintergrund zu verdrängen und so meine Nerven unter Kontrolle zu bekommen.
Wie kann man sich diese Trainingseinheiten vorstellen?
Eine Einheit dauert so zirka drei Stunden. In dieser Zeit trainiere ich meine Technik in den einzelnen Anschlägen und meine körperliche Kondition, um die Entscheidung, verbunden mit einer hohen körperlichen Belastung, durchzustehen. Nebenbei mache ich auch viel für meine Fitness. Nur so kann man mit der zu erwartenden Hitze in Maribor während der Wettkämpfe umgehen. Probleme habe ich, wie schon vorher angesprochen, mit meinen Nerven. Ich setze mich einfach zu sehr unter Druck. Deshalb mache ich auch viel Mental-Training. Ich spreche mit meinen Trainern alles detailliert durch und versuche so, den Wettkampf zu simulieren – auch was Wind- und Lichtverhältnisse betrifft.
Fährst Du mit dem Motto „Dabeisein ist alles“ nach Slowenien, oder hast Du berechtigte Chancen auf Edelmetall?
(überlegt) Von beidem ein bisschen. Ich weiß, dass dort sehr gute Schützen vertreten sein werden, dementsprechend werden auch die Ergebnisse sein – Resultate, die ich vielleicht noch nie erreicht habe. Deshalb zählt zuerst das olympische Motto. Als ehrgeiziger Sportler möchte ich aber auch meine beste Leistung abliefern. Ich bin top motiviert. Und zu welchen Platz es dann reicht, wird man sehen.
Ein EM-Sieg ist aber nicht realistisch?
Nein, nicht wirklich. Es ist ja meine erste Teilnahme – und deshalb bin ich eher etwas zurückhaltend. An internationalen Wettkämpfen habe ich aber schon teilgenommen – und das auch mit guten Platzierungen. Ich werde aber auf jeden Fall mein Bestes geben.
Schießen gilt ja eher als Randsportart. Wie ist es dazu gekommen, dass Du Dich für diese Sportart entschieden hast?
Da bin ich praktisch familiär vorbelastet. Schon mein Opa war begeisterter Sportschütze, mein Papa und mein Bruder sind es immer noch. Und weil ich in jungen Jahren immer genau das tun wollte, was mein Bruder gemacht hat, bin ich im Schützenverein gelandet – und irgendwie nicht mehr davon losgekommen.
„Man darf nicht zu lange warten, bevor man abdrückt“
Du hast es vorher bereits gesagt: Du bist ein Nervenbündel. Aber eigentlich zeichnet es ja einen Schützen aus, dass der ruhig ist und nie Nerven zeigt. Oder?
Ja, das auf alle Fälle. Mittlerweile habe ich mich auch etwas besser unter Kontrolle als noch vor einigen Jahren. Die entscheidenden Ringe treffe ich inzwischen – Gott sei Dank.
Was zeichnet denn einen Schützen noch aus?
Das Entscheidende an dieser Sportart ist nicht die ruhige Hand, so wie viele der Meinung sind, sondern die Konzentration und die Prozessabläufe. Konsequenz ist auch sehr wichtig – man darf nicht zu lange warten, bevor man endlich abdrückt. Außerdem muss man einen schlechten Schuss schnell aus dem Kopf bekommen, sonst macht man sich selbst verrückt. Man sollte zielstrebig sein. Einfach nur so aus Spaß an der Freude an einem Wettbewerb teilzunehmen, ist nicht die richtige Vorgehensweise. Man muss als Schütze auch relativ schnell lernen, sich auf eine Sache zu konzentrieren – andere Gedanken muss man während der Wettkämpfe praktisch vergessen.
… und was nimmst Du davon mit ins „normale“ Leben?
Der Schießsport hat mir sehr geholfen während meiner schulischen Ausbildung und während des Studiums. Wenn ich mich auf eine Prüfung vorbereite, dann mach ich das auch mit voller Konzentration – und lass mich nicht von allen möglichen Dingen ablenken. Durch das Schießen und die vielen Reisen zu den Wettkämpfen habe ich zudem schnell gelernt, mich eigenständig zu versorgen.
Klingt interessant, dennoch fristet Deine Sportart ein Schattendasein. Wie könnte man denn das Sportschießen attraktiver machen?
Der Umgang mit Waffen wird natürlich in der Öffentlichkeit nicht gerne gesehen und alles, was damit passiert, wirft natürlich einen Schatten auf uns Schützen. Vergleicht man den Biathlonsport mit uns Sportschützen, dann gibt es bis auf das Langlaufen keinen Unterschied. Jeder Zuschauer möchte in das Schießstadion, das Laufen hingegen interessiert nicht viele. Keiner der Zuschauer hat Angst, dass sich einer der 100 Sportler umdrehen könnte. Dass diese Sportart so medienwirksam ist, liegt wohl daran, dass damit viel Geld zu verdienen ist. Aufgrund der elektronischen Trefferanzeige für Schützen und Zuschauer könnte unsere Sportart genauso attraktiv vermarktet werden.
„Sicherheitsvorschriften – hier wird sehr übertrieben“
Das größte Problem sind die vielen, vielen Regeln und Verbote. Sicherheitsvorschriften sind schon gut und recht. Aber meiner Meinung nach wird hier sehr übertrieben. Störend ist auch die strenge Kleiderordnung, die zudem ständig geändert wird. Das ist für unsere Jugendarbeit finanziell sehr belastend. In diesen Bereichen brauchen wir dringend Neuerungen. Nur dann schaffen wir es, Jugendliche und deren Eltern dafür zu begeistern.
Wie schon angesprochen, wäre es für uns sehr wichtig, dass die Medien unseren Sport öffentlich darstellen und verkaufen. Es ist nicht so, dass man sich einfach so hinstellt und abdrückt. Welch harte Trainingsarbeit da nämlich dahintersteckt, wie enorm die Leistungsdichte dieser Sportart ist, wissen die meisten gar nicht. Und das ist schade.
Du trittst bei den „Kleinkalibern“ an. Was kann man sich darunter vorstellen?
Der Unterschied zum Luftgewehr ist zuerst einmal die Entfernung zum Ziel. Wir schießen nicht auf Scheiben, die zehn Metern entfernt sind – unsere Ziele sind 50 Meter weit weg. Weil die Wettkämpfe draußen stattfinden, muss man auch die äußeren Einflüsse – also Wind, Wetter und Licht – miteinberechnen. Im Gegensatz zum Luftgewehr hat man bei den Kleinkalibern nach der Schussabgabe außerdem mit einem Rückschlag zu kämpfen. Hat man sich da nicht unter Kontrolle, geht der Schuss ziemlich daneben.
Braucht man als Sportschütze einen Waffenschein?
Zurzeit sind meine Waffen noch bei meinem Papa eingetragen. Ich bin aber dabei, den Schein zu machen.
Wie geht man damit um, wenn man täglich mit Waffen hantiert?
Nachdem ich damit aufgewachsen bin, macht mir das wenig aus. Ich möchte betonen, dass Schützen keine wilden Ballerer sind. Denn das ist auch ein großes Problem dieser Sportart. Viele Gewalttaten, die mit Waffen ausgeübt werden, werden den Schützen angekreidet. Ein Unding. Denn als Schütze lernt man den richtigen Umgang mit einer Waffe. Man respektiert deren Kraft und man realisiert, welchen Schaden man damit anrichten kann.
Schon vorher kurz angeschnitten: Du studierst in München Fahrzeugtechnik – „nebenbei“ bist Du als Schützin erfolgreich. Wie bekommt man das unter einen Hut?
Jetzt, kurz vor der Europameisterschaft besteht mein Tag nur aus Schießen, Schlafen und Essen. Mehr ist zurzeit leider nicht drin. Dennoch bleibt das Studium nicht auf der Strecke, weil ich in der trainingsfreien Zeit doch relativ viel lerne. Zeit für den Badesee oder für einen Abend mit Freunden habe ich leider nicht. Manchmal gar nicht so einfach. Aber ich bin ein zielstrebiger Mensch. Klingt zwar ein bisschen streberhaft, aber: Habe ich ein Ziel vor Augen, kämpfe ich dafür ohne Wenn und Aber.
„Ein Traum wären natürlich die olympischen Spiele“
Ist denn eine Profikarriere als Schütze denkbar?
Nur indirekt. Es gibt einige Sportler, die bei der Polizei oder Bundeswehr in den Sportfördergruppen trainieren. Anfangs wollte ich das nach dem Abitur auch machen. Letztlich habe ich mich aber doch für das Studium entschieden. Klar ist: Allein vom Schießsport kann man nicht leben.
Irgendwann muss auch mal Schluss sein. Schaffe ich es zeitlich nicht mehr, genug zu trainieren, konzentriere ich mich auf meinen Beruf.
Bis dahin hoffen wir noch auf einige Erfolge. Welche sportlichen Ziele verfolgst Du in den kommenden Jahren?
Ein Traum wären natürlich die olympischen Sommer-Spiele. Dieses Ziel muss ich vorerst aber vorerst hinten anstellen, denn leistungsmäßig habe ich dort noch nichts verloren (lacht). Ich muss trainieren, trainieren, trainieren. Und da hat es beispielsweise ein Soldat der Sportfördergruppe einfacher.
Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir eine erfolgreiche Zukunft!
Interview: Helmut Weigerstorfer