Waldkirchen/Freyung. 5.000 Demonstranten, 23.085 Unterschriften! Ein eindrucksvolles Zeichen – mit der klaren Botschaft: Die Waldkirchener wollen ihr Krankenhaus als akutstationäre Versorgungseinrichtung behalten. Dafür machten sich am Sonntag, 21. Juni, einige tausend Einwohner stark. Mit Schildern und Spruchbändern ausgestattet, machten sie ihrem Unmut Luft und trugen offen zur Schau, was sie von der Idee, das örtliche Krankhaus zu schließen, halten. Eine solche Protestaktion, die eine halbe Stadt auf die Straße bringt, sucht im Landkreis bislang ihres Gleichen. Französische Verhältnisse mitten in Niederbayern. Um die Präsenz der Bürger auch während der Kreistagssitzung am Montag (22. Juni) zu gewährleisten, setzte die Stadt Waldkirchen für die Krankenhausbefürworter einen kostenlosen „Protest-Zug“ der Ilztalbahn von Waldkirchen nach Freyung ein.
Der Grundtenor war stets der selbe: „Sauerei!“
In etwa 50 Waldkirchener trafen an jenem Montag um 13 Uhr, also eine Stunde vor Beginn der Sitzung, am Bahnhof in der Sattlmühle ein, um gemeinsam ihre Reise nach Freyung zur Kreistagssitzung anzutreten. Etwas weniger als erhofft, denn einige zogen das Privat-Auto vor, um auch ja noch einen Platz im Kurhaus zu ergattern. Trotz Regenschauer war die Stimmung am Bahnhof gut: „Wenn’s um Waldkirchen geht, sind wir da“, lautete das einhellige Motto der Schienen-Protest’ler. Jedem, der sich vor Abfahrt in der Menge umhörte, wurde schnell klar, wie brisant das Thema Krankenhaus derzeit ist. Angeregt tauschten die Fahrgäste Meinungen aus – der Grundtenor war dabei stets derselbe: „Sauerei!“
Pünktlich um 13 Uhr startet die Protest-Fahrt. Einmal eingestiegen, gaben einige der Mitfahrer ihre Meinung zur bevorstehnden Schließung des Waldkirchener Krankenhauses offenkundig gegenüber dem Hog’n preis:
Das aus dem Rottal stammende Waldkirchener Eherpaar Kreisl (66 und 64) etwa hält eine Schließung des Waldkirchener Krankenhauses für „schlichtweg indiskutabel“. Ihrer Meinung nach müsse die Versorgung und Pflege von Patienten möglichst ortsnah vonstattengehen, was bei einer Schließung nicht mehr gegeben sei. Sie beklagen das Hauruckverfahren, mit dem Regionalpolitiker versuchen, das Projekt möglichst schnell über die Bühne zu bringen. Sie fordern mehr Zeit, damit sich der Kreistag über dieses Thema ihn Ruhe beratschlagen kann. Das aktuelle Verfahren sei undemokratisch. Eine Verschiebung der Verhandlungen wäre für die beiden die einzig sinnvolle Lösung.
„Unanständig und vordemokratisch“ – „ein schlechter Witz“
Der Richardsreuter Franz Kern, 76, ehemaliger Maschinenschlosser, bezeichnet sich selbst als „großen Gegner der Schließung“. Bei mehrmaligen OPs war er in Waldkirchen stets gut behandelt worden und sei rundum zufrieden gewesen. Die Palliativstation bezeichnete er als „einsame spitze“ – und auch mit dem Pflegepersonal habe er „immer unglaublich gute Erfahrungen“ gemacht. Da er nach eigenen Angaben „nicht mehr der Jüngste“ sei, mache sich der 76-jährige Sorgen, im Alter auf ortsnahe Unterstützung verzichten zu müssen. Deswegen sei er von Landrat Sebastian Gruber zutiefst enttäuscht. Würde das Krankenhaus erhalten bleiben, sehe er darin einen großen Vorteil für Waldkirchen und Umgebung.
Für den 71-jährigen Michael Liebl, ehemaliger Kreisrat aus Waldkirchen und Vorsitzender des Fördervereins Ilztalbahn e.V., ist das ganze Unterfangen „einfach nur ein schlechter Witz“. Nur zu oft werde ihm zufolge vergessen, dass das Krankenhaus Waldkirchen viele Patienten aus dem Landkreis Passau beziehe – und die Schließung damit nicht nur den Raum Freyung-Grafenau betreffe. Zudem bemängelt er die „Vernichtung von Arbeitsplätzen“, die damit einhergehe. Auch er gibt sich mit dieser Art des „Hauruckverfahrens“ nicht zufrieden – und bezeichnet sie als „unanständig und vordemokratisch“. Schuld an der Misere ist seiner Meinung nach Landrat Sebastian Gruber. Auch mit den Kreisräten geht Michael Liebl hart ins Gericht: „Frühere Mitglieder des Kreisrats hätten sich das nicht gefallen lassen.“ Allgemein würden diese „viel zu lasch“ agieren. Für den 71-Jährigen ist die Lage eindeutig: „Grafenau und Freyung nehmen Waldkirchen aus. Diese Methoden erinnern an autoritäre Machtsysteme.“ Seiner Meinung nach sollen die Kreisräte „mehr Zeit für eine ergiebige Diskussion“ bekommen.
Kleinster gemeinsamer Nenner: Buhmann Sebastian Gruber
Auch der derzeitige Waldkirchener Stadtrat Max Hohenwarter, 64, sieht die mögliche Schließung durchaus kritisch. Er fühlt sich von der Kurzfristigkeit der Entscheidung überrumpelt: „Wir wollen uns nicht überfahren lassen“. Wenn nötig, müssten er und seine Anhängerschaft eben fürs Krankenhaus „kämpfen“. Wie viele andere Zugreisende wertet er das „Hauruckverfahren“ des Landrats als „taktischen Schachzug“, um dieses unbequeme Thema möglichst schnell und ohne großen Widerstand über die Bühne zu bringen. Um eine so gravierende Entscheidung zu treffen, seien sieben Werktage nunmal viel zu wenig Zeit, so der Stadtrat. Hohenwarters Wunsch: Die Entscheidung über die Zukunft des Waldkirchener Krankenhauses vertagen, um nach einer geeigneten Alternative zu suchen. Wichtig für ihn sei, sämtliche Betroffene in die Diskussion miteinzubeziehen, um zu einem möglichst „fairem“ Ergebnis zu gelangen.
Die Meinung der meisten Protest-Zug-Fahrer unterschied sich, wenn überhaupt, nur im Detail. Für sie alle war klar, dass ihr Kankenhaus erhalten bleiben müsse. Ein weiterer kleinster gemeinsamer Nenner: Die ablehnende Haltung gegenüber Landrat Sebastian Gruber – er ist in vielen Waldkirchener Augen „der Schuldige“ für die momentane Situation.
Bei der Ankunft am Freyunger Kurhaus wurde dann nochmals die Brisanz der Debatte deutlich: Vor dem Eingang waren zwei in schwarz gekleidete Securitys postiert, dahinter ein uniformierter Polizei-Beamter. Als den Waldkirchener Zugfahrern kurzzeitig der Zugang verwährt blieb, da keine Eintrittsmarken mehr vorhanden waren, wurde die Situation kurz etwas hitzig. „Skandal!Sauerei!“ Die Szene erinnerte eher an ein Fußball-Derby als an eine Kreistagssitzung…
Nervöse Atmosphäre im Saal, aufgeregte Diskussionen
Nach kurzer Zeit wurde schließlich auch den Mitfahrern des Protest-Zuges der Zugang gewährt – und die Lage beruhigte sich etwas. Im Saal herrschte anfangs eine nervöse Atmosphäre. Die begehrten Sitzplätze in der oberen Etage waren bereits lange vor Beginn der Sitzung besetzt. Für viele der Zuschauer blieben nur noch Stehplätze übrig. In den Minuten vor der Sitzung durchzogen aufgeregte Diskussionen den Saal. Als um Punkt 14 Uhr Landrat Sebastian Gruber das Mikrofon ergriff, verstummten diese umgehend. Es war angerichtet…
–> Einen ausführlichen Bericht über die Kreistagssitzung und deren Ausgang lesen Sie hier (einfach klicken).
Johannes Gress
Da widerspreche ich mal ganz vehement dem Herrn Liebl. Die Kreisräte seien zu lasch und frühere Kreistagsmitglieder hätten sich das nicht gefallen lassen?
Im Gegenteil! Das ist doch gerade der Grund, warum in der Vergangenheit in Sachen Krankenhaus nix weiter gegangen ist. Die Freunderlwirtschaft und das Kirchturmdenken haben hier ein Lösung in der Vergangenheit verhindert.
Jetzt fasst sich endlich mal ein Landrat und der Großteil der Kreisräte ihr Herz und packen ein unpopuläres Thema an. Das sagt doch eigentlich alles! Obwohl sie um ihre Wählerstimmen fürchten müssen, entscheiden sie so, wie es die Vernunft verlangt. Herr Gruber beweist Mut! Ich wünsche ihm, dass die Waldkirchener dies auch in den nächsten 5 Jahren honorieren werden, wenn ihr Standort dann vielleicht in ganz anderer Weise einen Aufschwung erfährt.