Persepolis/Spiegelau. „Er ist abenteuerlustig, aber nicht lebensmüde“, beschreibt Uschi Agboka ihren Mann Rolf Kummer und lacht. Sie kennt ihn wohl wie kein zweiter. Und dennoch überrascht der 68-Jährige auch sie immer wieder aufs Neue. Dass der Spiegelauer vom Reisefieber infiziert ist, dürfte mittlerweile weitum bekannt sein – auch das Onlinemagazin „da Hog’n“ berichtete bereits über dessen außergewöhnliche Motorrad-Touren quer durch Europa und die USA. Doch sein jüngstes Reiseziel sorgte sogar bei seiner Uschi für Kopfschütteln: „Ich habe ihm erst mal den Vogel gezeigt.“ Der Grund: Rolf Kummer hatte eine Iran-Tour geplant. Er wollte in das Land, das in der Vergangenheit eher für Atomversuche und eine eher begrenzte Meinungsfreiheit bekannt war als für außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten und Erholung. Dennoch reizte ihn das Unbekannte des Staates in Vorderasien, in früheren Zeiten Persien genannt.
„Schon in meiner Kindheit war ich ein großer Fan von Persepolis und Xerxes“, begründet der 68-Jährige das außergewöhnlich Ziel seiner Tour. Die Sagen und Mythen rund um die altpersische Residenzstadt und den achämenidischen Großkönig ließen ihn einfach nicht los. Er wollte das Land zwischen kaspischem Meer und persischen Golf erkunden – auf eigene Faust und auf seiner Harley-Davidson versteht sich. Doch jahrzehntelang war dies so gut wie unmöglich. Unter Präsident Mahmud Ahmadinedschad und dessen fragwürdiger Atompolitik schoss sich der Iran ins außenpolitische Abseits. Zahlreiche westliche Länder verhängten ein teils totales Handels- und Einreiseverbot. Anfang 2014 wurden diese Sanktionen etwas gelockert. Der „Patient Iran“ befindet sich seitdem auf dem Weg der Besserung. Das Startsignal für den Spiegelauer Rolf Kummer. „Ich wollte gleich die erste Möglichkeit nutzen, bevor die großen Touristenströme das Land überfluten.“ Ein Kindheitstraum ging in Erfüllung. Und auch Uschi Agboka war mit dabei.
„Wenn Du nicht mitkommst, fahre ich alleine“
„Ich habe ihr gesagt: Wenn Du nicht mitkommst, fahre ich alleine“, erinnert sich Kummer. Klare Ansage. So hatte Uschi Agboka keine andere Wahl, als ihren Mann zu begleiten.
Bereut hat sie es keineswegs, denn: Was die beiden während ihrer Motorrad-Tour durch den Iran erlebt haben, werden sie wohl nie vergessen. Durchaus mit einem mulmigen Gefühl gestartet, wurden die vielerorts herrschenden Vorurteile alles andere als bestätigt. Im Gegenteil. „Die Gastfreundfreundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Einheimischen war einfach überwältigend“, schwärmt Uschi Agboka. Und Rolf Kummer ergänzt: „Es war eigentlich nie so, dass wir in eine gefährliche Situation gekommen sind.“ Auf ihrer Harley-Davidson waren sie eine wahre Attraktion. „Bei Passkontrollen widemeten die Kontrolleure unseren Maschinen mehr Aufmerksamkeit als unserem Visum und unseren Pässen“, erzählt Rolf Kummer und schmunzelt. Auch in den übrigen Teilen des Landes waren die Waidler gern gesehene Gäste, wurden überall herzlich begrüßt.
In den Städten blieb die Harley-Davidson in der Garage
Uschi und Rolf genossen besonders das Gefühl von Freiheit – und waren froh, nicht irgendeiner Reisegruppe anzugehören, die quer durchs Land „gescheucht“ wird. Zwar orientierten sie sich an den Vorgaben von Studienreisen-Anbieter „Studiosus“, dennoch entschieden sie stets kurzfristig, wie lange sie an welchen Orten bleiben wollten. Städte und Sehenswürdigkeiten erkundeten sie auf eigene Faust. Die Harley blieb dabei in der Garage der jeweiligen Unterkunft stehen. Denn: „Der Verkehr im Iran ist einfach nur chaotisch. Verkehrsregeln gibt es hier so gut wie keine“, erzählt Rolf Kummer. Hinzu kommt, dass Taxifahrten besonders billig sind – und sich die Fahrer logischerweise auch im persischen Straßenwirrwarr besser zurechtfinden. „Das war die deutlich angenehmere Variante“, zeigt sich Uschi Agboka zufrieden. Auch hier betonen die beiden Abenteurer noch einmal die enorme Hilfsbereitschaft und Gastfreundlichkeit der Iraner. „Machten wir auch nur den Eindruck, Probleme zu haben, war sofort jemand zur Stelle.“
„Frauen dürfen nur verschleiert ins Wasser gehen“
Nichtsdestotrotz war vor allem beim Umgang mit Frauen zu erkennen, dass sich die westlichen Einflüsse in Vorderasien – gelinde gesagt – noch nicht ganz durchgesetzt haben. Deshalb musste sich auch Uschi Agboka mit einem Schleier vermummen, um ungestört durch das Land reisen zu können.
Dass das Zusammenleben von Mann und Frau im Iran etwas anders gehandhabt wird, wurde auch an den Badestränden deutlich erkennbar. „Da hat es einen Männer- und einen Frauenbereich gegeben. Und die Frauen durften nur verschleiert ins Wasser gehen“, berichtet die Waidlerin. Ein kleiner kulturelle Unterschied – nicht mehr und nicht weniger, wie die beiden zu verstehen geben. Als „alte Hasen“, was Reisen in verschiedenste Länder mit verschiedensten Traditionen und Ritualen betrifft, wissen sie, dass man sich anpassen muss. „Alles kein Problem“, sagt Rolf Kummer. Auch, dass manchmal mit dem ein oder anderen Euro oder Dollar vieles leichter geht, haben die beiden bereits in Erfahrung gebracht. Und für besondere Anlässe hatten die Spiegelauer freilich ein besonderes Geschenk dabei: Original Perlesreuter Zigarren.
Insgesamt 28 Tage sind Uschi und Rolf quer durch den Iran gereist. Im Vorhinein mussten sie dafür ein Visum beantragen, dass sie aber ohne größere Komplikationen erhielten. Über Kroatien und die Türkei ging es schließlich an den persischen Golf. Eine lange, lange Anreise, die die Harley-Davidson genauso wie den Rest des Trips ohne Wehwehchen überstanden hat. Auch die beiden Abenteurer blieben von größeren Verletzungen oder Krankheiten verschont. Einzig in der Türkei war Rolf Kummer einmal drei Tage außer Gefecht gesetzt. „Da hab ich wohl was Verkehrtes gegessen“, mutmaßt er. Mit An- und Abreise sind die beiden Globetrotter nach knapp zwei Monaten wieder zu Hause in Spiegelau, im Bayerischen Wald, angekommen.
Demnächst geht es „nur“ in die USA – für sieben Wochen
Und das ist auch gut so. Denn trotz der Abenteuerlust und dem Fernweh ist das Ehepaar doch wieder froh, zu Hause zu sein. Dahoam is eben dahoam. „Der Bayerische Wald ist einfach einmalig“, lobt Rolf Kummer, ein gebürtiger Reutlinger, seine Heimat. „Das hier ist unser Ruhepol.“ Erholung von der Erholung quasi. In der Nationalparkgemeinde entstehen dann die nächsten Reisepläne. Es werden Routen aufgestellt und außergewöhnliche Sehenswürdigkeiten ins Visier genommen. Doch zunächst wird das Duo Kummer/Agboka kein Neuland betreten. Es geht „nur“ nach Amerika, in die USA – für sieben Wochen. Dort hat Rolf Kummer eine zweite Harley in einer Garage untergestellt – und diese braucht dringend etwas Zuwendung…
Helmut Weigerstorfer