Nach einem Monat Karamoja hieß es dann irgendwann „Servus“ bzw. „Adjocha“, wie die Menschen in der Region hier sagen. Nicht nur meine Zeit hier in Moroto, sondern auch meine Zeit in Afrika neigte sich nach knapp sechs Monaten dem Ende zu. Früh morgens um 4 Uhr machte ich mich auf zum Bus, der mich erst nach Mbale – und von dort aus nach Jinja bringen sollte. Als ich an der Bushaltestelle ankam, teilte man mir mit, dass der Bus bereits um 10 Uhr abends abgefahren sei. So wirklich aus der Bahn geworfen hat mich das nicht… Mal fährt der Bus zwei Stunden zu spät – und ein anderesMmal fährt er eben sechs Stunden zu früh ab. So läuft das hier. Bringt etwas Abwechslung in den Alltag…
Zum Glück hab ich dann noch ein Privatauto gefunden, dass gegen 7 Uhr morgens gen Soroti (eine Stadt, die zwei Stunden nördlich von Mbale liegt) aufbrach. Wie immer „gut gefüllt“ wurden wir gleich nach wenigen Metern von der Polizei gestoppt. Mich würde interessieren, was in Deutschland Sache ist, wenn ein Sieben-Sitzer mit 15 Personen von der Polizei aufgehalten wird: Drei Erwachsene und ein Kleinkind in der ersten Reihe. In Uganda jedenfalls wird man freundlich gebeten, das Kind doch bitte in eine der hinteren Reihen zu verfrachten – und schon geht die Fahrt weiter. Das Kind verbrachte dann den Rest der Reise auf meinem Schoß, während ich versuchte ausfindig zu machen, wer denn wohl der Vater oder die Mutter des Sprößlings waren. Später fand ich heraus, dass der Zwerg die Fahrt alleine antrat… In Soroti angekommen, konnte ich gerade noch auf den letzten Bus nach Jinja aufspringen. Und nach insgesamt neun Stunden Busfahrt und einer sehr kurzen Nacht, war ich ehrlich gesagt heilfroh, endlich in Jinja im Haus eines Freundes unterzukommen.
Kenias Vorliebe zur Korruption – ein Vorgeschmack
Am Morgen darauf machte ich mich auf den Weg zu meiner letzten Station in Uganda, nach Kampala. Ein Wochenende mit ein paar Freunden, bevor ich mich mit einem alten Bekannten aus Mbale in Kenia wiedertreffen werde – das wird sicher spannend. Von Kampala aus wollte ich den Bus ins kenianische Nakuru (etwa drei Autostunden westlich von Nairobi) nehmen – aber das war auch dieses Mal leichter gesagt als getan. Telefonisch buchte ich am Vorabend den Bus nach Nakuru. Abfahrtszeit, so teilte man mir mit, sei 7 Uhr früh. Als ich am Abfahrtsort ankam, erklärte man mir achselzuckend, dass der Bus vor zirka einer halben Stunde abgefahren sei. Nun sah ich die ganze Sache allerdings nicht so gelassen. Die Reise nach Nakuru würde elf Stunden dauern und ich wurde vorgewarnt, ich solle unbedingt bei Tageslicht in Kenia ankommen. Dunkel wurde es jedoch meistens gegen 19 Uhr – allzu viel Luft blieb also nicht. Einer der Umstehenden rief einem vorbeifahrenden Boda-Fahrer etwas in seiner Landessprache zu – und teilte mir dann mit, ich solle aufsteigen. Gerade noch rechtzeitig erwischte ich einen anderen Bus nach Nakuru… Das war knapp!
An der Grenze zu Kenia durfte ich dann das erste Mal mit der kenianischen „Vorliebe“ für Korruption Bekanntschaft machen. Das sollte allerdings nur ein leiser Vorgeschmack werden auf das, was noch kommt. Wie jeder andere stellte ich mich in der Reihe vor dem Visumsschalter an, nur wurde mir nicht – wie jedem anderen – sofort ein Visum ausgehändigt. Der Mann in dem kleinen Grenzhäuschen widmete meinem Reisepass nur einen kurzen Blick, schob in bei Seite und schnauzte: „Stand there!“ Die Frage, ob es denn ein Problem gäbe, wurde mit einem kurzen, drohenden „Oh yeah, there is a problem“ beantwortet. Natürlich war da kein Problem, nur hatte ich im Gegensatz zu den meisten meiner Vorgänger auf die kleine, papiererne Motivation mit dem Abbild des Präsidenten in meinen Ausweispapieren verzichtet. So stand ich da für eine Viertelstunde – und wartete geduldig auf mein Urteil. Irgendwann kam dann jemand an, sagte mir, ich solle mitkommen – und händigte mir wortlos mein Visum aus. Was das „Problem“ genau war, wollte mir niemand erklären.
Die ersten paar Tage in Kenia verbrachte ich mit meinem spanischen Kumpel in Nakuru, um so unsere weitere Reise etwas zu durchdenken. Allgemein gibt es in Kenia (zumindest im Süden) einige gravierende Unterschiede zu Uganda. Die meisten Innenstädte sind sauber und wirken „moderner“, die Hauptverkehrswege sind in bemerkenswert gutem Zustand. Und in Kenia scheint es so etwas wie eine Mittelschicht zu geben. Auf der anderen Seite sind Verkäufer und Bettler wesentlich „resistenter“ und gehen deutlich aggressiver zu Werke als in Uganda. Die meisten lassen sich nicht mit einem simplen „No!“ abwimmeln.
Die Sehnsucht nach dem „echten Afrika“
Mein Reisebegleiter verbrachte die Monate zuvor auf einer Insel im Lake Victoria – auch ich wollte mich nur schwer an das „europäische“, moderne und geregelte Afrika gewöhnen. Wir sehnten uns nach dem „echten“, dem reinen Afrika, dem „Drunter und Drüber“, dem „No worries““ – und nach dem „Hakunamatata“ (auf Boarisch: Basst scha!“). In dem Fall geht man am besten immer da hin, wo’s weh tut. Für Kenia bedeutet das: Turkana. Turkana ist das kenianische Pendant zum ugandischen Karamoja. Die Turkanas und die Karamojong pflegen die gleichen Traditionen und sprechen sogar die gleiche Sprache. Das einzige was sie trennt ist eine imaginäre Linie, die vor einiger Zeit von ein paar brittischen Kolonialfritzen durch ihr Stammesgebiet gezogen wurde. Bemüht man den Google-Maps-Routenplaner, spuckt er für die Distanz Nakuru – Lodwar (Hauptstadt Turkanas) 523 Kilometer bzw. 8 Stunden und 23 Minuten Fahrtzeit aus. Um’s gleich mal vorwegzunehmen: Das entspricht nicht unbedingt ganz der Wahrheit….
Am Tag 1 unserer Reise benötigten wir fünf Stunden für die ersten rund 200 Kilometer. Die restlichen 320 Kilometer bewältigten wir in sage und schreibe elf Stunden. Am Anfang unserer Reise gab es immerhin noch ein paar Kurven zu bestaunen, während der Rest der Fahrt schnurgerade durch die Turkana Wüste in den Norden führte. Sich fortbewegt wird immer auf der Straßenseite, auf der gerade die wenigsten Schlaglöcher sind. Das Klirren der Fensterscheiben ist dabei so laut, dass dies so gut wie keine Unterhaltung zulässt. So fährt man Stunde um Stunde, ohne ein Wort zu sagen durch die immergleiche Landschaft. Die Gedanken schweifen von einer Absurdität zur nächsten, während man langsam ein Gefühl dafür bekommt, was es bedeutet, wenn eine Region mit sechs Einwohnern pro Quadratkilometer besiedelt ist. Während der gesamten Reise übte sich unser Fahrer fleißig im kenianischen Nationalsport – eine Art Staffellauf: Zuerst wird ein Geldschein möglichst klein gefaltet und dann per Handschlag durchs offene Fahrzeugfenster an einen Polizisten übergeben. Anders als bei der mir bekannten europäischen Variante des Staffellaufs, rennt dieser aber nicht wie entgeistert los, sondern bewegt sich schleichend zum nächsten Baum – und lässt sich dort nieder. Andre Länder, andre Sitten.
Nach gefühlten zwei Wochen erreichten wir schließlich unser Ziel. Lodwar zählt mit einer Durchschnittstemperatur von knapp 29°C und etwa 3.600 Sonnenstunden pro Jahr (fast zehn Stunden pro Tag!!) definitiv zu den eher wärmeren Fleckchen auf dieser Erde. Selbst mit Schuhen war es auf dem glühend heißen Wüstensand kaum auszuhalten. Gleich am Morgen danach setzten wir unsere Reise fort nach Kalakol, einem kleinen Fischerdorf am Lake Turkana gelegen.
Von Kalakol aus geht man dann rund fünf Kilometer zu Fuß durch die staubtrockene, flimmrig heiße Wüste. Schier unendliche Sandmassen, so unwirtlich und feindseelig, dass es kaum irgendeine Form von Vegetation auch nur wagen würde hier zu gedeihen – bis man plötzlich auf etwas stößt, was man in dem Moment am allerwenigsten erwartet: Wasser! Im Überfluss! Der Lake Turkana, der mit 6.405 Quadratkilometern größte Wüstensee der Welt. Dazu jede Menge Pelikane und Flamingos zum Greifen nah. Nach einem kurzen Bad im See (nicht unbedingt zum Abkühlen geeignet) dauerte es nicht lange und ein Fischer präsentierte uns stolz seinen Fang – mit der Aufforderung ihn zu seiner Hütte zu begleiten. In einem Unterschlupf aus Palmenblättern durften wir dann echten Turkana-Fisch genießen. Auf den Rückweg nach Kalakol wurden wir noch zwei weitere Male von ein paar Fischern und ihren Familien in ihre Hütten eingeladen, um uns mit etwas Tee oder „Local Beer“ zu verköstigen. Gastfreundschaft sei unter den widrigen Umständen der Wüste die oberste Norm, wie man uns erklärte. Andererseits fallen Bestrafungen deutlich härter aus als in anderen Kulturen üblich, denn: Ein Fehler, z.B der Verlust der Herde, gefährdet das Leben der gesamten Familie.
„Kakuma haute uns aus den Socken!“
Unsere letzte Station, gleichzeitig wohl eines der Highlights meiner Afrika Reise, war das Flüchtlingscamp Kakuma in Nordkeni, etwa 100 Kilometer vor der südsudanesischen Grenze entfernt. Das Camp beherbergt rund 160.000 Flüchtlinge, größtenteils aus Somalia, dem Südsudan, Äthiopien, der Demkratischen Republik Kongo sowie Burundi – und ist somit das zweitgrößte Flüchtlingscamp der Welt. Auch das weltweit größte Lager mit etwa 350.000 Flüchtlingen liegt in Kenia (in Dadaab an der somalischen Grenze). Das 1992 gegründte Flüchtlingscamp in Kakuma liegt in Obhut der UNHCR (finanziert durch die UN), welche dort seit 23 Jahren Lebensmittel, Bildung, Unterkunft und medizinische Versorgung kostenlos zur Verfügungen stellt. Meine Erwartungen an das Lager waren ehrlich gesagt nicht allzu hoch – ich erwartete in etwa dieselbe Situation, die ich auch schon in Karamoja gesehen hatte: Eine unmotivierte, perspektivlose und völlig von der UNHCR abhängige Bevölkerung. Als wir in Kakuma ankamen, fanden wir jedoch kein „Camp“ vor, sondern eine Stadt. Eine Stadt voll mit Geschäften, kleinen Läden, Restaurants verschiedenster Nationen und Leuten, die vor Lebensfreude nur so strotzten. Als wir die Hauptstraße entlang schlenderten, hallte es aus allen Ecken „Welcome to Kakuma“ oder „Welcome to Africa„. Es dauerte nicht lange und wir wurden von ein paar Äthiopiern zum Tee eingeladen. Den gesamten Tag verbrachten wir damit, mit Flüchtlingen verschiedenster Nationen zu quatschen, wir lauschten ihren Geschichten – und am Ende des Tages entschieden wir uns schließlich dazu, eine Nacht in Kakuma zu schlafen.
Kakuma haute uns aus den Socken! Eine Stadt mit 160.000 Flüchtlingen, mit 160.000 Tragödien und Schicksalen. Da war der 15-jährige südsudanesische Junge mit seiner Mutter und seinen zehn Geschwistern, dessen Vater irgendwo in den Wäldern des Sudans für deren Unabhängigkeit kämpfte. Keiner weiß, wo er ist, wie es ihm geht, geschweige denn, ob er überhaupt nocht lebt. Da war dieser 20-jährige Sudanese, der hier vor elf Jahren ankam. Bei seiner Flucht damals wurde er vom Rest seiner Familie getrennt und lebt seitdem in Kakuma. Als er aus dem Sudan floh, waren sie noch am Leben, mehr Informationen habe er nicht über seine Familie. Und da waren 160.000 weitere Geschichten, alle komprimiert an diesem einen Ort Kakuma, der noch nicht mal auf einer Landkarte zu finden ist.
Doch trotz alledem wirkten die Leute hier freundlich und lebensfroh. Sie seien froh, hier zu sein, denn sie hätten die Schnauze voll von Krieg und Verfolgung. Die meisten eröffneten ihren eigenen kleinen Laden, stellten sich als Lehrer bereit – oder machten sich anderweitig irgendwie nützlich. Langeweile schien den Leuten hier ein Fremdwort zu sein. Leider mussten wir nach zwei Tagen wieder abreisen, denn in nur ein paar Tagen wollten wir beide von Nairobi aus die Heimreise nach Europa antreten. Bis dahin warteten noch ein paar hundert Kilometer Buckelpiste auf uns. Kakuma wird uns wohl ewig in Erinnerung bleiben.
Die kenianische Staatsmacht und die Suche nach dem Brotzeitgeld
Um nach Nairobi zu kommen, mussten wir von Kakuma aus zunächst nach Lodwar. Von dort aus ging’s dann die gesamten 300 Kilometer zurück nach Kitale, die gleiche Strecke, die wir eine Woche zuvor gemeistert hatten. Meine Vorfreude hielt sich daher stark in Grenzen, aber irgendwie mussten wir ja nach Nairobi kommen. Im Kopf stellte ich mich bereits auf quälende Langeweile ein – doch dieser Plan wurde von der kenianischen Exekutive und deren „Bestechungsfetischismus“ souverän durchkreuzt. Schon bei der ersten Polizeikontrolle streckte ein grimmig dreinschauender Polizist den Kopf durchs Fenster und bellte, er wolle unsere Ausweise sehen (mein Freund und ich waren die einzigen Weißen im Fahrzeug). Beide streckten wir ihm unsere Ausweiskopien entgegen. Prompt kam die Information, dass das nur Kopien seien – und er die Originale sehen wolle. Mein Freund hatte allerdings sein Original in Nairobi gelassen – und führte nur die Kopie mit. Ich erzählte dem Polizisten di selbe Story, um meinen Reisepartner nicht noch mehr in die Bredouille zu bringen. „Aussteigen, bitte!“ – was so viel bedeutet wie: „Kein Problem Leute, ihr könnt einfach rauskommen und dann steckt ihr mir ganz unkompliziert hinterm Auto etwas Geld zu, damit es von den anderen keiner sieht.“ Als wir uns jedoch weigerten, Geld für eine angebliche Straftat zu bezahlen, fing der „Freund und Helfer“ wie wild zu fluchen an – und konnte nur mit Hilfe seines Kollegen wieder eingebremst werden. Der Kollege erlaubte uns dann auch einfach weiterzufahren.
Als ich zurück ins Auto stieg, um mich bei den restlichen Mitfahrern für die Verzögerung zu entschuldigen, bekam ich nur ein freundliches „Hakunamata, welcome to Kenya, that’s how it works here“ als Antwort. Keine Stunde später die nächste Polizeikontrolle – und wieder die Frage nach unseren Papieren. Auf der Hinfahrt und während unseres gesamten Aufenthalts hatte sich kein Menssch für unsere Dokumente interessiert – und plötzlich sollte es nun an jedem Checkpoint zu Kontrollen kommen. Wieder dasselbe Spiel: der Hinweis, dass es sich nur um Kopien handele, die Aufforderung auszusteigen, etwas Rumgebrülle, die Frage, ob wir Mitglied von Al- Shabaab oder einer anderen Terrororganisation seien (wir waren zwar beide ziemlich bärtig unterwegs, aber… nein!) – und noch ein paar andere unmissverständliche Aufforderungen zum Schmieren. Leider lies sich der gute Herr in Uniform, den glänzenden Stiefeln und dem chicem Sturmgewehr auf diese Weise alles andere als besänftigen – und so mussten wir beide im nächsten Ort bei der Polizeistation vorsprechen. Beim Wiedereinsteigen in das Fahrzeug redeten die restlichen Mitfahrer aufmunternd auf uns ein, wir sollen uns bloß nicht unterkriegen lassen. Das hatten wir auch nicht vor. Uns allen war klar, dass sich das Problem mit umgerechnet ein Euro Brotzeitgeld für einen der Officers ganz einfach aus der Welt schaffen liese – aber hier ging’s ums Prinzip.
„Zum Frühstück gab’s drei Durchfalltabletten“
Also machten wir im nächsten Dorf Halt, um wiederum beim Officer vorzusprechen. Als wir dort ankamen, fanden wir den ihn gemütlich unter einem Mangobaum sitzend, die Hände über dem Wohlstandsbäuchlein gefaltet – und die Beine lässig übereinander geschlagen. Entweder machte ihm die Mittagshitze etwas zu schaffen oder er war als Oberüberhaupt-Kommando-Missions-was-weiß-ich-Officer tatsächlich des Englischen nicht mächtig. Jedenfalls musste der Busfahrer als Übersetzer herhalten. Geduldig hörte er sich unsere Geschichte an, meinte dann, er könne anhand unserer Ausweis-Kopien nicht nachweißen, dass wir hier auch tatsächlich legal eingereist waren – und er würde uns jetzt zu unserer Zelle führen. Wir sollten die Nacht hier verbringen. Uns allen war klar, dass das nur ein letzter verzweifelter Versuch war, irgendwie ein bisschen Geld aus uns rauszuquetschen. Einer unserer Mitfahrer, der das Gespräch mitanhörte, stand sofort auf und meinte „Wenn die beiden hierbleiben, bleiben wir alle hier“. Zudem konnten mein Kumpel und ich sogar unsere Buchungsbestätigungen für unseren Heimflug vorweisen. Etwas missmutig und mit einer flüchtigen Handbewegung machte uns der Officer klar, dass wir gehen dürfen. Mit großer Verspätung kamen wir schließlich abends in Kitale an, luden den Busfahrer, der so viel Geduld mit uns hatte, noch auf ein Bier ein – und fielen dann hundemüde ins Bett.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, fühlte ich mich, als hätte mich nachts jemand mit dem Hammer bearbeitet. Der Doktor wusste auch gleich wieso: Malaria und Typhus! Herrlich! Ich hatte tags darauf noch eine achtstündige Busfahrt nach Nairobi vor mir – und sollte am übernächsten Tag in den Flieger nach München steigen. Im Moment konnte ich mich jedoch nicht mal richtig auf den Beinen halten. Zu allem Überfluss hatte sich auch mein Kollege Malaria eingefangen. Ohne jetzt ins Detail zu gehen: Ein Zimmer mit zwei Malariakranken, die sich die gleiche Toilette teilen, duftet nicht nach Rosen! Zum Glück wirkten die vom Arzt verschriebenen Tabletten – und uns beiden ging’s am nächsten Tag schon deutlich besser. Zum Frühstück gab’s drei Durchfalltabletten – anschließend bestiegen wir den Bus nach Nairobi in der Hoffnung, dass bis dahin mal nichts „in die Hose ging“.
In der kenianischen Hauptstadt angelangt, legten wir uns ins nächstbeste Hotelzimmerbett – und bewegten uns solange nicht mehr, bis wir am nächsten Morgen zum Flughafen aufbrachen. Auch mein spanischer Reisebegleiter der letzten zwei Wochen machte noch einen kleinen Umweg über die bayerische Landeshauptstadt, ehe er dann nach Madrid flog. Auf dem Weg zum Flughafen konnte ich in der Ferne noch ein paar Giraffen und ein Gazellen grasen sehen. Dann hieß es auch schon „Servus Afrika“. Selbst am Flughafen war mir noch nicht wirklich bewusst, dass Afrika für mich nun erstmal vorbei ist.
15 Stunden später verlies ich in München das Flugzeug – und bewegte mich wie jeder andere zur Passkontrolle. Was für mich aussah wie eine Traube von Menschen, waren in Wirklichkeit mehrere Reihen von Personen, die sich alle ordentlich anstellten, um ihre Pässe vorzuweisen, sobald sie an der Reihe waren. Da ich das – immer noch schlaftrunken nach einer Nacht, ohne ein Auge zugetan zu haben – jedoch nicht innerhalb der ersten drei Sekunden bemerkte, sondern mich einfach irgendwo hinstellte, fuhr mich sofort eine Frau von der Seite an: „WIR STEHEN HIER ALLE AN!“ – in einem Ton, als hätte ich gerade ihrem Kind mit dem Stiefel ins Gesicht getreten. Welcome to Germany – Kulturschock mal andersrum! Doch das Weißbier im flughafeneigenen Biergarten tröstete auch darüber hinweg…
Afrika, Afrika, bis zum nächsten Mal!
–> (1) Ist das Materielle Voraussetzung für ein glückliches Leben? Johannes Gress’ Reise nach Uganda
–> (2) “It’s like an angel pisses in your mouth” – Johannes Gress’ Umwege nach Uganda
–> (3) Uganda calling, oder: Johannes Gress kurz vor seinem großen Ziel
–> (4) Anderes Land, anderer Kontinent, anderer Planet – Johannes Gress’ erste Tage in Uganda
–> (5) Der gesunde Mix aus Planlosigkeit, Gleichgültigkeit und Chaos – der Alltag in Uganda
–> (6) Alltag in Ostafrika: Uganda – das Land der unnormalen Normalität
–> (7) Kinder mit trockenen Lippen und leerem Blick – die andere Seite Ugandas
–> (8) Unterhaltung á la Uganda: “You whites, you got the watches, but we Ugandans, we got the time”
–> (9) Johannes Gress: “Manchmal macht mich dieses Land einfach unglaublich wütend”
–> (10) Soll Afrika mal so aussehen wie Europa? Ist das das Ziel für alle Entwicklungsländer?
–> (11) Johannes Gress und sein ganz persönliches Osterwunder in Uganda
–> (12) Afrika-Hilfe: Reine Nächstenliebe oder durchdachtes Kalkül?