Obernzell. „Die Tracht ist mein Leben – es vergeht kein Tag, an dem ich nicht irgendein Trachtenstück an habe“, erzählt Matthäus Stangl und lacht. Seine roten Wangen leuchten dabei, der Schnauzbart wippt im Takt. Seit fast 25 Jahren ist er nun bei der Firma Spieth&Wensky in Obernzell tätig, kennt das Traditions-Unternehmen wie seine eigene Westentasche – bzw. wie die Tasche seines Trachtenjankers. Ein Unternehmen, das mit mehr als 500 Beschäftigten weltweit agiert und an betriebseigenen Standorten in Indien, China und Polen produziert. Im Jahre 1913 kaufte Karl Spieth, Ur-Großvater des heutigen Geschäftsführers Hartmut Spieth, die Firma, die als Lederhandschuhfabrik damals ihren Anfang in Baden-Württemberg nahm. 1955 eröffnete dann eine Filiale in Obernzell, dem heutigen Stammsitz, wo 1984 die erste Trachtenkollektion präsentiert wurde.
Im Doppel-Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ sprechen Hartmut Spieth und Matthäus Stangl über das Erfolgsgeheimnis des Lederhosen- und Dirndlproduzenten aus dem Passauer Land; über die Frage, warum dieser weniger mit „rosaroten Pseudo-Trachtenhüten“ zu tun hat; darüber, wie glücklich man über die „Neu-Verpflichtung“ von Bayern-Kapitän Philipp Lahm als Werbeträger ist – und welche Rolle die Volksmusik-Szene für das Unternehmen spielt.

„Jeder bekommt das von uns geliefert, was der Kunde wünscht“
Herr Spieth: Das Unternehmen Spieth&Wensky ist bisher noch nicht mit einem eigenen Onlineshop im Netz vertreten. Warum ist das so?
Hartmut Spieth: Einen Onlinehandel betreiben wir nicht, da wir unser Produkt als sehr beratungsintensiv betrachten. Wir arbeiten fachhandelsorientiert. Online-Plattformen sind, dort wo sie Sinn machen, von unseren Fachhandelspartnern ohnehin bestens belegt.
Herr Stangl: Was denken Sie – was ist das Erfolgsgeheimnis der Firma Spieth&Wensky?

Matthäus Stangl: Unsere Kollektion hebt sich durch unser umfangreiches und sehr ganzheitliches Sortiment von den anderen ab. Das heißt: Der Fachhändler, der bei uns einkauft, bekommt so gut wie alles von uns geliefert – vom Hemd über die Bluse bis hin zum Dirndl, zur Lederhose und zum Schuh. Und das in verschiedenen Kollektionsthemen aufbereitet. Wir bieten unseren Händlern etwa Karostoffe an, die es in x-verschiedenen Farbzusammenstellungen gibt – und daraus entstehen unterschiedliche Themen für Herren- und Kinderhemden, für Mieder, Blusen usw. Und dazu gibt’s selbstverständlich auch die dazu passenden Accessoires.
Außerdem haben wir ein sehr breit aufgestelltes Standardprogramm, das unseren Kunden eine Nachbestellung auf sehr einfache und unkomplizierte jederzeit ermöglicht.
Wer legt eine Kollektion im Hause Spieth&Wensky fest? Wer bestimmt also, welche Trachtenmoden auf den Markt kommen und welche nicht?

Matthäus Stangl: Wir haben ein großes Design-Team, das sich an dem orientiert, was modisch im Trend liegt. Die Trachten rücken ja immer näher an die konventionelle Mode heran. Auf Messen wie z.B. in München suchen wir uns dann die Stoffe aus, die gefallen. Die Kollektion selbst wird bei der sogenannten Erstmusterbesprechung einem großen Team innerbetrieblich vorgestellt – und dann je nach Region abgewandelt. Die Kollektion wird anschließend den Fachhändlern auf Messen präsentiert, wobei hier noch die Möglichkeit besteht, modisch zu reagieren.
„Den rosaroten Pseudo-Trachtenhut gibt’s nicht bei uns“
Stichwort: Trends. Wenn man einen Blick auf größere Veranstaltungen wie Oktoberfest, Gäubodenfest, Karpfhamer Volksfest oder Passauer Maidult wirft, bieten sich dem Auge des geneigten Betrachters sehr häufig „modische Ausrutscher“, die mit Tracht nur noch im allerentferntesten Sinne etwas zu tun haben. Sprich: neonfarbenes Dirndl, rosa Hütchen und Lederhose im Plastik-Look. Wie ist ihre Meinung zu diesen „Trends“?
Matthäus Stangl: Derlei Trends gibt es – und wird’s immer wieder geben, solange es ausgeflippte Designer gibt. Unsere Handschrift ist das nicht… Den rosaroten Pseudo-Trachtenhut gibt’s nicht in unserem Sortiment.

Der Trend geht ganz klar hin zur Wertigkeit, zu hochwertigen Materialien, schönen Stickereien. Man geht wieder etwas weg vom Karomuster, hin zu mehr Bodenständigkeit. Der Kunde von heute kauft sich eine Tracht, mit der er etwas darstellt. Individuell und erlesen. Nicht so wie früher im Set, frei nach dem Motto: Hauptsache, man hat eine Lederhose und ein Hemd. Die Herren legen heute Wert auf eine schöne Weste zur Lederhose oder einen schönen Lodenjanker. Auch gestrickte Trachten sind gefragt.
Wichtig dabei: Heute wird die Tracht nicht mehr nur auf das Thema Volksfest reduziert. Tracht ist mittlerweile alltagstauglich. Das heißt: Tracht kann heute zu fast jeder Gelegenheit getragen werden. Ein Strickteil zur Jeans und damit zum Einkaufen in den Supermarkt – das geht ohne Weiteres.
Im Trend liegen auch Bade-Lederhosen im Trachtenlook. Was fällt Ihnen dazu ein?
Hartmut Spieth: Bade-Lederhosen im Trachtenlook sind dem Hype auf Tracht geschuldet – dies ist aber nicht unsere Philosophie. Wir sind zwar mit unserer Marke jung aufgestellt, jedoch eher der Bodenständigkeit und Traditionalität verbunden.
Dass auch Frauen Lederhosen tragen, hat sich inzwischen etabliert, oder?
Matthäus Stangl: Ja, das ist ganz normal. Längere Kniebundhosen haben die Frauen immer schon getragen. Und in einer schönen, von der Stickerei her wertigen Lederhose ist auch eine Frau sehr fesch.
„Gutes Arbeitsklima und faire Bedingungen – nur so funktioniert’s“
„Regionalität – Wir stehen für eine ausgewogene Mittelverteilung“ ist auf der Homepage von Spieth&Wensky zu lesen? Wird denn regional produziert in Ihrem Betrieb?
Matthäus Stangl: Wir produzieren weltweit, in eigenen Betrieben.
Wo genau wird produziert?
Matthäus Stangl: Wir haben Betriebe in Indien, wo überwiegend unsere Lederwaren produziert werden. Indien ist der Hauptproduzent, was Lederartikel betrifft, da es dort die meisten Ziegen und Lämmer gibt. Die Lederhäute stammen dabei nicht aus großen Züchtungen, sondern aus der natürlichen Schlachtung heraus – was man auch an der Lederqualität spürt.
Die Textilien für unsere Trachtenmoden kommen aus China, wo wir ein eigenes Büro haben. Ein weiterer Betrieb existiert in Tschechien – dort werden hochwertige Hirsch-Lederhosen, insbesondere für Trachtenvereine mit eigenem Stickmuster, hergestellt.
Wir produzieren aber auch nach wie vor in Obernzell selbst. Hier werden sehr aufwendige Hosen genäht, wie zum Beispiel die Marke ‚Beckert‘.
„Es freut uns sehr, dass Philipp Lahm unsere Tracht trägt“
Spieth&Wensky ist Ausstatter von verschiedenen Vereinen – darunter auch der große F.C. Bayern München – sowie diversen mehr oder weniger bekannten Promis.
Matthäus Stangl: Richtig. Die Spieler von Bayern München bekommen von uns als offizieller Trachtenausstatter ihr Trachtenoutfit gestellt, das sie dann zur Meisterfeier oder auf dem Oktoberfest tragen.

Hartmut Spieth: Philipp Lahm trägt gerne Tracht. Es freut und ehrt uns sehr, dass er unsere Marke trägt.
Welche Rolle spielt die Volksmusik-Szene für das Unternehmen Spieth&Wensky?
Matthäus Stangl: Eine sehr wichtige. Wir haben einen sehr engen Draht zur Volksmusik, haben über Jahre hinweg dem jeweiligen Grand-Prix-Sieger die Bühnenbekleidung gesponsert, zum Teil direkt geschneidert. Heute gibt es noch sehr viele Volksmusikgruppen, die von Spieth&Wensky ausgestattet werden, wie etwa ‚Die jungen Zillertaler‚. Enge Kontakte bestehen auch zu ip-media, dem offiziellen Veranstalter des Musikantenstadls oder von Gabalier-Konzerten.
„Das Flippige weicht hier wieder mehr der klassischen Tracht“
Wann wird Andreas Gabalier oder Stefan Dettl von Spieth&Wensky „verpflichtet“? Oder anders gefragt: Wer wäre Ihr Wunschkandidat, wenn Sie freie Wahl hätten?
Hartmut Spieth: Kontakte zu interessanten Persönlichkeiten bestehen natürlich aufgrund unseres Netzwerkes zur Volksmusik, einen Wunschkandidaten möchten wir nicht benennen.

Bis zum Oktoberfest sind’s nur noch wenige Monate. Das ist auch für Spieth&Wensky wieder der Höhepunkt des Jahres, oder?
Matthäus Stangl: Natürlich. Kurz vor Beginn des Oktoberfests werden unsere Fach-Händler in und um München ganz massiv beliefert. Die Nachfrage im Handel ist dann immer so enorm hoch, dass es manchmal zu Engpässen in der Produktion kommt. Auffällig dabei: Das Flippige und das Ausgefallene weicht hier wieder mehr der klassischen Tracht!
Wo sehen Sie Spieth&Wensky in zehn, 15 Jahren, Herr Spieth?
Hartmut Spieth: In den nächsten Jahren sehen wir uns weiterhin als einer der führenden Anbieter hochwertiger Trachtenbekleidung, stark im traditionell-klassischen Bereich verwurzelt – insbesondere auch bei unserer Marke ‚Beckert‘, die für individuelle, handgefertigte Hosen steht.
Vielen Dank für das Gespräch – und weiterhin viel Erfolg.
Interview: Stephan Hörhammer / Fotos: Magdalena Resch