Herzogsreut. Einerseits ist Brettl-Techniker Felix Neureuther sein Vorbild – die Eleganz des deutschen Ausnahmeathleten fasziniert ihn. Andererseits ist er von US-Pisten-Rowdy Bode Miller angetan – seine Draufgänger-Mentalität beeindruckt ihn. Während für viele Nachwuchs-Skifahrer diese Sportler unerreichbar sind, ist Jonas Stockinger vom SC Herzogsreut auf dem besten Weg, mit ihnen auf eine sportliche Ebene zu kommen. Deutscher Schülermeister im Slalom, Dauergast auf dem Stockerl bei internationalen Rennen – der 15-jährige Schüler der Christophorusschulen Berchtesgaden gehört zu den größten skifahrerischen Nachwuchshoffnungen Deutschlands. Während der Osterferien, die er in seiner Heimat im Bayerischen Wald verbracht hat, hat sich das Onlinemagazin „da Hog’n“ mit dem Herzogsreuter getroffen und die vergangene Saison Revue passieren lassen. Außerdem spricht er offen über die vielen für einen Jugendlichen alltäglichen Dinge, auf die er aufgrund seines Weltcup-Traumes verzichten muss.
Jonas, wie oft siehst Du Deine Freundin Sabrina?
Leider zu selten – höchstens alle 2,3 Wochen. Ist doch logisch, dass ich sie öfter sehen möchte, aber es geht halt leider nicht.
Eine schwierige Situation für Eure junge Liebe?
Kurz bevor ich an die Christophorusschulen in Berchtesgaden gewechselt bin, haben wir uns kennengelernt. Sabrina wusste von Anfang an, dass ich nur selten zu Hause bin, trotzdem hat sie sich für mich entschieden (schaut zu ihr und lacht).
Generell führst Du ein für einen Jugendlichen „unnormales“ Leben geprägt von Verzicht, Training, Schule und Wettbewerb. Bist Du da manchmal ein bisschen neidisch auf Deine Freunde aus Herzogsreut?
Jetzt an Oster wäre ich, wie die vergangenen Jahre auch, schon gern beim Ratschen dabei gewesen. Manchmal möchte ich einfach Zeit mit meinen Freunden verbringen (überlegt) Aber, mei … Ich habe mich für diesen Weg entschieden und das ziehe ich auch durch.
„Die Noten sind dann nicht so gut“
Im vergangenen Sommer bist Du an die Sportschule in Berchtesgaden gewechselt, um noch besser trainieren zu können. Ein schwieriger Schritt für Dich, oder?
Zugegeben, am Anfang war ich schon ein bisschen traurig darüber, dass ich von zu Hause weg muss. Mittlerweile habe ich mich aber in Berchtesgaden gut eingelebt und habe auch schon einige Freunde gefunden. Ich finde es super, den ganzen Tag Sport machen zu können.
Wie kann man sich Deinen Tagesablauf vorstellen?
An einem Trainingstag stehe ich um halb 6 Uhr morgens auf. Dann geht’s beispielsweise zum Jenner – dort wird bis 10 Uhr trainiert. Danach muss ich drei Stunden die Schulbank drücken. (lacht) Naja, die Noten sind dann nicht so gut (lacht).
Auf der Piste bist Du hingegen umso erfolgreicher. Zuletzt konntest Du die Deutsche Schülermeisterschaft im Slalom gewinnen.
… und das hätte ich nicht mehr für möglich gehalten. Tags zuvor war ich nämlich im Riesenslalom richtig schlecht. Mit ordentlich Zorn im Bauch bin ich dann im Slalom an den Start gegangen und fuhr ein erstaunlich gutes Rennen.
Meist Dein größter Konkurrent ist Roman Frost. Wie ist Dein Verhältnis zu ihm?
Konkurrent? Wir sind Freunde, verstehen uns echt gut. Auch wenn er für Bayer o4 Leverkusen an den Start geht und a Preiß ist (lacht).
Du bist Deutscher Meister, Dauergast auf dem Stockerl und hast viele Rennen gewinnen können. Bist Du zufrieden mit der abgelaufenen Saison?
Ja, absolut. Vor allem, dass ich zum Schluss noch die Gesamtwertung gewinnen konnte, ist einmalig. Und das, obwohl Roman Frost mich während der Saison eigentlich schon abgehängt hatte.
„Wird man dreimal Zweiter, ärgert man sich“
Dir wird nachgesagt, dass Du sehr ehrgeizig bist. Ist ein zweiter Platz schon eine Niederlage für Dich?
(lacht) Manchmal. Wenn man dreimal hintereinander nur Zweiter wird, ärgert man sich – das ist doch logisch. Mit etwas Abstand freut man sich aber doch wieder über die Platzierung. Und ein bisschen ehrgeizig muss man ja sein (lacht).
Bist Du vor wichtigen Rennen nervös?
Nein, erstaunlicherweise nicht. Keine Ahnung. Anfangs war ich es schon, inzwischen aber nicht mehr. Ich selber mache mir einfach keinen Druck, ich möchte einfach nur Skifahren.
Hand auf’s Herz: Wie oft träumst Du davon, einmal im Weltcup starten zu dürfen?
Naja, ich weiß nicht. Irgendwie träumt man schon davon, vorerst habe ich aber andere Ziele. Ich komme jetzt in den Jugendbereich, das heißt, ich muss mich im Landeskader durchsetzen – gute Rennen fahren, viele Punkte sammeln. Dann würde ich erst im Europacup antreten dürfen, und wiederum bei guten Ergebnissen im Weltcup. Aber das ist noch ein langer Weg.
Die schwierigste Zeit kommt also noch?
Ja. Im Schülerbereich war es chillig im Vergleich zu dem, was jetzt kommt. Jetzt geht’s erst richtig los …
„Ein sehr hartes Geschäft, die Leistungsdichte ist hoch“
Dann heißt es Training, Training, Training. Nervt Dich das ab und zu, vor allem jetzt zum Ende der Saison?
Ich freue mich schon, wenn es jetzt dann richtig schön warm wird. Dann ist es auch gut, dass ich mal eine kleine Auszeit bekomme. Generell trainiere ich aber sehr gerne. Ich mag es, wenn ich mir richtig schinden kann – klingt komisch, ist aber so.
Talent und Fleiß allein reichen aber leider nicht. Wie wichtig ist das Glück und das berühmt-berüchtigte „Vitamin B“?
Es ist ein sehr hartes Geschäft, keine Frage. Die Leistungsdichte ist sehr hoch. Bestimmt hatte Felix Neureuther aufgrund seines Namens einen leichten Bonus, letztlich musste er sich aber auch in vielen Rennen und Ausscheidungen beweisen. Und genauso ist es auch bei uns. Vorranging zählt nur die eigenen Leistung.
Vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Dir eine erfolgreiche und vor allem verletzungsfreie Karriere.
Interview: Helmut Weigerstorfer/Foto: Markus Kornexl