Grafenau. „Wos? Transparenz?! Wia schreibt ma denn des? Ach so… De moanand sowos wia offene Kommunikation. Informationsfreiheit. Hm. Na, mit dem meng mia nix z’doan hom. Net mit uns!“ Genau diese oder so ähnliche Gedanken haben sich wohl Grafenaus Bürgermeister Max Niedermeier (CSU) und seine Pressereferentin Karin Friedl letztens gemacht, als unsere Redaktion auf eine Anfrage folgende Zeilen zugesandt bekam: „Hallo liebes Hog’n-Team, sorry für die verspätete Antwort – konnte den Bürgermeister heute erst erreichen. Er hat Herrn Muthmann persönlich geantwortet und möchte es dabei bewenden lassen.“ Was war passiert? Um es in einem Wort zusammenzufassen: ein provinzieller TTIP-Reflex.
Die Pressemitteilung Muthmanns vom Dienstag, 14. April:
Landtagsabgeordneter Alexander Muthmann (Freie Wähler) ließ am Dienstag, 14. April, unserer Redaktion per Pressemitteilung folgende Nachricht zukommen:
„Baubeginn des Finanzamtes verzögert sich weiter
MdL Muthmann erhält Antwortschreiben des Ministeriums – Stadt Grafenau muss nächsten Schritt gehen
In Grafenau verzögert sich der Neubau der ausgelagerten Bearbeitungsstelle des Finanzamtes München weiter. Dies teilt FREIE WÄHLER MdL Alexander Muthmann mit und verweist auf ein Schreiben des Heimatministeriums, das er auf Nachfrage erhalten hat. „Grund ist laut Ministerium, dass die Verhandlungen mit der Stadt Grafenau über den Erwerb des Grundstückes immer noch nicht abgeschlossen und das Areal noch nicht von der Bebauung freigemacht werden konnten“, erklärt Muthmann. „Der Start des Baubeginns hängt offenbar vom weiteren Agieren der Stadt Grafenau ab.“ Daher hat sich der Landtagsabgeordnete mit einem Schreiben an Bürgermeister Max Niedermeier gewandt und ihn darum gebeten, die nötigen Schritte in die Wege zu leiten. „Die Verlagerung der 45 Planstellen ist für unsere Region von besonderer Bedeutung“, sagt Muthmann. Bereits im März 2012 habe die CSU stolz die 45 neuen Stellen für das Finanzamt Grafenau verkündet. „Seitdem sind drei Jahre vergangenen und es ist kein wesentlicher Fortschritt zu erkennen.“
Neben diesen 45 Planstellen für das Finanzamt wurde Grafenau auch im Rahmen der aktuellen Behördenverlagerungen, die Staatsminister Markus Söder im März diesen Jahres bekannt gegeben hat, bedacht. Die Säumerstadt soll einen Förderstützpunkt der Landesbodenkreditanstalt mit zehn Stellen bekommen.“
Schweigen. Funkstille in Grafenau. Nix geht mehr. Ende. Over.
Da wir vor einer Veröffentlichung auch die Grafenauer Seite gerne zu Wort kommen lassen und Bürgermeister Niedermeier die Möglichkeit bieten möchten, zu Muthmanns Pressemitteilung Stellung zu beziehen, senden wir am selben Tag eine entsprechende Anfrage an Karin Friedl, Tourismusleiterin und gleichzeitig zuständig für die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Von Interesse wäre etwa eine Antwort auf die Frage, woran es denn aus Sicht der Stadt Grafenau nun genau liege, dass es zu den Verzögerungen gekommen ist. „Eine Stellungnahme von der Stadt Grafenau kann ich erst am späten Nachmittag abgeben, da der Bürgermeister und alle Sachbearbeiter außer Haus unterwegs sind“, lautete die Antwort.
Das sei kein Problem, schreiben wir zurück – wir können warten. Die Stunden vergehen, der späte Nachmittag (wann ist das eigentlich genau?) rückt näher – doch aus der Bärenstadt bekommen wir an diesem Tag keine Rückmeldung mehr. Okay, kann ja mal passieren. Kein Stress. Morgen ist auch noch ein Tag…
Am Mittwochvormittag fragen wir erneut höflich nach, ob und wann wir denn mit einer Stellungnahme rechnen dürfen. Die eingangs bereits erwähnte und von Frau Friedl formulierte Antwort erreichte uns dann um die Mittagsstunde.
„Hallo liebes Hog’n-Team, sorry für die verspätete Antwort – konnte den Bürgermeister heute erst erreichen. Er hat Herrn Muthmann persönlich geantwortet und möchte es dabei bewenden lassen.“
Wir werfen uns redaktionsintern verdutzte Blicke zu – und fragen uns, ob die Kollegin Friedl, die ja, wie sie auch dem Onlinemagazin da Hog’n gegenüber gerne betont hat, „selbst ausgebildete Redakteurin“ sei, diese Antwort tatsächlich ernst meint. (Ein kurzer, verlegener Blick auf den Redaktionskalender bestätigt uns, dass der 1. April bereits passé ist).
Wir antworten…
„… aber die Öffentlichkeit hat ein Anrecht darauf zu erfahren, was der Herr Bürgermeister zu einer öffentlichen Angelegenheit wie der neuen Münchner Finanzamtstelle in Grafenau bzw. zu den in der öffentlichen Pressemitteilung von Herrn Muthmann geäußerten Informationen zu sagen hat. Deshalb bitten wir Sie erneut, uns eine öffentliche Stellungnahme auf diesem Wege zukommen zu lassen.“
…und schlagen Pressesprecherin Friedl folgendes vor:
Wir können uns aber auch an Herrn Muthmann wenden und ihn befragen, was Herr Bürgermeister Niedermeier dazu zu sagen hat, wenn Ihnen das lieber ist.
Schweigen. Funkstille in Grafenau. Nix geht mehr. Die Leitungen sind gekappt. Ende. Aus. Over. Auch nach zwei Tagen Bedenkpause: Nix.
Alles andere als „dramatisch“ – und kein „Weltuntergangsszenario“
Apropos „nix“: Hilft nix, wir melden uns bei Alexander Muthmanns Pressereferntin Annette Nigl und erklären ihr kurz die Situation. Wir wollen nun von ihr wissen: Was hat Grafenaus Bürgermeister Max Niedermeier denn nun alles „persönlich geantwortet“, was anscheinend nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist? Geht’s da um irgendwelche ultrawichtigen, internen Absprachen, die der Geheimhaltungsstufe 9 bedürfen? Und bei einer Veröffentlichung ein mittelschweres Erdbeben verursachen? Geht’s da um Informationen, die RTL, den Focus, die Huffington Post und die „Heimatzeitung„ gleichzeitig dazu veranlassen, einen Live-Ticker einzurichten und 26 Ü-Wagen vor dem Rathaus zu positionieren? Ja: Worum geht’s denn da jetzt?
Annette Nigl teilt am Freitagvormittag, 17. April, im Namen von Alexander Muthmann am Telefon mit:
„Es ist so, dass die Stadt Grafenau Mitte 2014 die Gebäude für die künftige ausgelagerte Bearbeitungsstelle des Finanzamtes Münchens erworben hat. In den Kaufverträgen wurde den frühreren Eigentümern auferlegt, dass die Gebäude unverzüglich mietfrei gemacht werden müssen, damit die Gebäude abgerissen und an den Freistaat weiterverkauft werden können. Doch derzeit sitzt noch ein Mieter drinnen, der dies alles blockiert. Das ist der derzeit der Stand der Dinge.“
Wie? Das ist alles? Ein einfacher Mieter, der nicht ausziehen will? Und das konnte uns Frau Friedl nicht mit einem einzigen Satz so mitteilen? Ja, das ist alles. Keine Intrigen, keine Mauscheleien, keine Verschwörungen. Warum Frau Friedl bzw. Bürgermeister Niedermeier uns diese Info in Form einer kurzen Stellungnahme nicht zukommen lassen konnte, kann auch Annette Nigl sich nicht erklären. Die Sache sei doch alles andere als „dramatisch“ oder gar ein „Weltuntergangsszenario“. Ja, das empfinden auch wir so.
Okay, stimmt schon. Wir hätten auch die Pressemitteilung Muthmanns mit dem kurzen Hinweis veröffentlichen können: „Von Seiten der Stadt Grafenau war keine Stellungnahme zu erhalten“ – und hätten es „dabei bewenden lassen“ können. Wollten wir aber nicht. Schon allein deshalb nicht, weil wir unsere Leser über die manchmal nicht immer ganz so unkomplizierte Zusammenarbeit mit öffentlichen Ämtern und Behörden im Generellen, und das – nicht nur in diesem Fall – Stirnrunzeln hervorrufende Pressegebaren im Grafenauer Rathaus informieren wollten. Anscheinend legt man in der Bärenstadt – wie in so vielen anderen Kommunen auch – fast schon krampfhaft großen Wert auf die Vermeidung „schlechter Schlagzeilen“ (vgl. dazu unseren Kommentar: „Bürgermeister des Jahres“, oder: Positivismus um jeden (Pseudo-)Preis…) bzw. die Vermittlung positiver Nachrichten.
Ein gelungener Beitrag zur Rückgewinnung/Steigerung des Vertrauens in (politische) Amtsinhaber und deren Gefolge sieht anders aus. Die Reaktion in Grafenau erinnert eher an das umstrittene, transatlantische Freihandelsabkommen TTIP, bei dem man, wie jeder weiß, auch gerne unter sich bleibt und ohne die Öffentlichkeit am Verhandlungstisch sitzen möchte…
Kommentar: Stephan Hörhammer
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Bei Wikipedia steht geschrieben: „Transparenz ist in der Politik ein Zustand mit freier Information, Partizipation und Rechenschaft im Sinne einer offenen Kommunikation zwischen den Akteuren des politischen Systems und den Bürgern. Damit eng verbunden ist die Forderung nach Verwaltungstransparenz und Öffentlichkeitsprinzip.“
an die hog´n redaktion. respekt die art und weise euerer berichterstattung immer mit eienm augenzwinkern und intelligent zugleich. dennoch mit der nötigen zurückhaltung ohne dabei den blick fürs wesentliche zu verlieren und mit angemessener agressivität am ball bleiben. i like it :D
zu unseren freunden der politik: eigtl nix neues, vor der wahl stehen sie in den wirtshäusern mit ihren merkzetteln in der hand und stottern was von transparenz innovation und wie wichtig sie sind und nach der wahl…… warme luft :D der politiker der neuzeit neigt zum mauern, zum mauscheln und an diejenigen die sich nicht wehren können ( wollen oder brauchen) für dumm zu verkaufen….. politiker halt lügner und poser mehr nicht :D
mfg
eadbea :D