Wollaberg. Es ist wohl das Smalltalk-Thema schlechthin. Gleich in der Früh, nach dem Öffnen der Rollos, fällt der Blick prüfend nach draußen. Ein plötzlicher Umschwung scheint jeden zu beschäftigen. Da wird gejammert, sinniert, zurückgeschaut und gehofft. Täglich wird es in den Nachrichten besprochen, die Planung des Wochenendes wird von ihm abhängig gemacht. Klarer Fall: Die Rede ist vom Wetter.
Seit zwei Jahren nun hat das Onlinemagazin „da Hog’n“ seinen ganz eigenen Wetterdienst. Der gelernte Industriekaufmann Martin Zoidl, aufgewachsen in Wollaberg (Gde. Jandelsbrunn), blickt regelmäßig auf das Wochenend-Wetter im Bayerischen Wald. Doch: Wie entsteht so ein Wetterbericht überhaupt? Mit welchen Methoden kann der Experte die Zugbahnen von Sturmtiefs und Schönwetter-Gebieten vorhersagen – und was haben die USA damit zu tun? Wir haben uns darüber mit dem 24-jährigen Hobby-Meteorologen unterhalten und uns erklären lassen, wie es eigentlich zu unserem Woid-Weda kommt…
„Die junge Meteorologie war eher ein Auswendiglernen von Regeln“
Martin, wie bist Du zu Deinem außergewöhnlichen Hobby gekommen?
Die Vorgänge, die sich über unseren Köpfen abspielen, faszinieren mich schon seit meiner Kindheit. Wenn es im Sommer erst tagelang sonnig-heiß ist und plötzlich das Wetter zu schwarz-bedrohlich umschlägt, ohne dass sich dies vorher in irgendeiner Weise ankündigt, hat das etwas Mystisches, auf den ersten Blick schier Unbegreifliches, an sich. Jeder von uns kennt doch die Postings unserer Freunde auf Facebook, wenn sie meinen, die Welt ginge unter, so schwarz käme es vom Horizont daher. Oder das altbekannte, nervtötende „Juhu, es schneit!“, wenn im Winter die erste Flocke fällt. Irgendwo haben wir diese Faszination, die vom Wetter ausgeht, alle in die Wiege gelegt bekommen. Bei mir kam zusätzlich noch die wissenschaftliche Komponente und die Begeisterung dazu, über den Tellerrand hinauszublicken. Ich wollte wissen, wie es möglich ist, sagen zu können: „Zu diesem Zeitpunkt wird der Himmel so oder so ausschauen.“
Wie kann man sich die Entstehung einer Wettervorhersage, speziell Deines Woid-Wedas, denn nun vorstellen?
Früher war es ja so, dass man sich auf die berühmten Bauernregeln verlassen musste, wenn man das Wetter der nächsten Tage zumindest ansatzweise vorhersagen wollte. „Wenn die Sonne rot untergeht, wird es am nächsten Tag mit großer Wahrscheinlichkeit auch schön“ – das ist so ziemlich die bekannteste und natürlicherweise auch treffsicherste Methode. Die noch junge Meteorologie war vielmehr ein Auswendiglernen von Regeln und Planetenkonstellationen als eine seriöse Wissenschaft. Das alles hat sich erst geändert, als die ersten Computer-Modelle entwickelt wurden, die aus den aufgezeichneten Daten die weitere Entwicklung am Himmel berechnen konnten. Heute gibt es überall um den Globus verteilt zigtausende Wetterstationen, die die aktuelle Situation im Stunden- oder gar Minutentakt aufzeichnen und sie als Rohdaten für die Wettermodelle zur Verfügung stellen. Ein großer Vorreiter waren hier übrigens die USA, die als erstes die Modelle auch für die Allgemeinheit zugänglich machten. Die Kunst dabei ist nun, aus diesen Daten eine verlässliche Vorhersage abzuleiten.
„Die Unberechenbarkeit des Bayerwald-Wetters macht den Reiz aus“
Ist das Wetter bei uns in der Region in irgendeiner Weise besonders?
Ja, das trifft auf jeden Fall zu. Die Wetterverhältnisse sind immer so komplex, wie die Landschaft darunter gestaltet ist. Das Wetter für’s Flachland vorherzusagen ist, im Vergleich zu der Prognose im Mittelgebirge, recht einfach. Regenfronten und Sturmfelder ziehen einfach über die flachen Ebenen hinweg. Da sie durch nichts gestört und aufgehalten werden, ist der ganze Ablauf simpel kalkulierbar. Bei uns in der Region schaut das ganz anders aus: Hier ein Berg, da ein Tal – und dann hätten wir da noch den Grenzkamm zu Tschechien mit den 1000ern rund um Dreisessel, Rachel & Co. An den Bergen entstehen Turbulenzen, die die Strömung stocken lassen. Man kann sich das so vorstellen, wie wenn man in einen ruhig fließenden Bach einen großen Stein legt, der den reibungslosen Fluss des Wassers durcheinanderbringt. Genau diese Unberechenbarkeit unseres Bayerwald-Wetters macht den Reiz aus. Dazu kommen noch die verschiedenen Klimazonen innerhalb des Landkreises. Besonders erwähnt seien hier die niederschlagsreichen und windigen Berghänge, den Kältepol rund um Haidmühle und das milde Ilztal.
Hast Du denn auch ein ganz persönliches Lieblingswetter?
Grundsätzlich finde ich, dass jede Wetterlage ihre eigenen Schokoladen- und Schattenseiten hat. Im Winter hüllen Schneefälle die Landschaften in ein weißes Zauberkleid, im Frühling gibt es abwechslungsreiche Schauerlagen, im Sommer ziehen die großen Gewitterfronten über das Land und im Herbst liegt alles in dichtem Nebel. Wenn es allerdings eine Wetterlage gibt, die ich nicht unbedingt brauche, dann ist das wochenlanger Sonnenschein – dann steht die Atmosphäre still, nichts rührt sich und es gibt auch nichts, das es Wert wäre, beobachtet zu werden. Toter blauer Himmel ohne ein Wölkchen am Himmel ist für einen leidenschaftlichen Wetterfrosch so ziemlich das größte Unwetter, das es gibt.
Rekordjahr 2014: „Man muss abwarten, ob es eine Ausnahme war“
Kannst Du den vielzitierten Klimawandel auch bei uns bestätigen?
Um vom Klima sprechen zu können, sind lückenlose Beobachtungen über viele Jahrzehnte nötig. Nur so kann man einigermaßen sicher ausschließen, dass zufällige Häufungen von bestimmten Wetter-Ereignissen nicht die Daten verfälschen. Leider fehlen für unsere Region derart lange Zeitreihen, mit denen man stichhaltig argumentieren könnte. Wenn man sich die Erlebnisse unserer Großeltern anhört und die Schneemassen in deren Fotoalben sieht, kann man natürlich feststellen, dass es in den letzten Jahrzehnten milder geworden sein muss. Das belegen zweifelsohne auch die Statistiken anderer Beobachtungspunkte in ganz Europa. Allerdings bin ich kein Anhänger der menschgemachten Kilmaerwärmung. Die weltweite Durchschnittstemperatur stockt seit mittlerweile 15 Jahren, seit der Jahrtausendwende ist es also nicht mehr wärmer geworden und das trotz Rekord-CO2-Ausstoß. Warme und kalte Abschnitte gab es immer schon und im Mittelalter hat man vielerorts in Bayern sogar Wein anbauen können. 2014 ging zwar durch den milden Winter als Rekord-Warmjahr in die Geschichte ein – man muss aber abwarten, ob das nur eine Ausnahme gewesen ist.
Du machst das alles rein hobbymäßig. Kam bei Dir je der Gedanke auf, Deine Leidenschaft zum Beruf werden zu lassen?
Ehrlich gesagt: zu keiner Sekunde. Ich finde, dass ein Hobby genau dann, wenn es richtig Spaß macht, ein Hobby bleiben sollte – denn nur so kann es eine echte Abwechslung zum stressigen Berufsalltag sein. Außerdem habe ich gehört, dass das Studium recht „trocken“ sein soll. Die eigentliche Wettervorhersage kommt in der Ausbildung viel zu kurz – dafür stehen viele andere Dinge im Fach Physik, die man später eigentlich nicht mehr braucht, zu sehr im Vordergrund. Ein akademisch ausgebildeter Meteorologe kann Vektoren ausrechnen, Gleichungen aufstellen und Statistiken erheben – vom Wetter selbst hat er aber so gut wie keine Ahnung. Im Übrigen arbeitet man in diesem Beruf später in den seltesten Fällen am TV-Bildschirm, sondern oft beispielsweise als Sachbearbeiter für Unwetterschäden bei einer Versicherung oder als Flusspegel-Überwacher in irgendeinem städtischen Amt. Sowas kam für mich nie in Frage.
„In Wochenfrist lassen sich meist gröbere Trends erkennen“
Du hast vorher gesagt, vor allem bei uns sei das Wetter unberechenbarer als draußen im Flachland. Erlebst Du bei Deinen Prognosen denn auch Rückschläge?
Alles, was mit der Natur zu tun hat, ist wohl in irgendeiner Form für Überraschungen gut. Die moderne Vorhersage ist durch die fortschrittlichen Wettermodelle mittlerweile so weit gekommen, dass sie Ausblicke bis zirka eine Woche im Voraus zulässt. Innerhalb der Kurzfrist, das sind 72 Stunden, ist die Trefferquote ziemlich genau, in Wochenfrist lassen sich meist gröbere Trends erkennen. Alles, was darüber hinausgeht, ist in den meisten Fällen reine Spekulation und für eine seriöse Vorhersage nicht mehr zu gebrauchen. Nun gibt es auch Lagen, die selbst die besten Modelle noch nicht im Griff haben: Im Sommer sind das die Gewitter und im Herbst der Hochnebel. Da kann es dann schon mal vorkommen, dass du einen Tag vorher Sonne vorhersagst und am nächsten Morgen beim Fenster rausschaust und denkst „Oh mein Gott, Nebel. Hoffentlich hat niemand meinen Bericht gelesen.“ Das gehört aber dazu und motiviert beim nächsten Mal um so mehr. Es wäre ja auch langweilig, wenn wir wirklich 100 Prozent über die Launen unserer Mutter Natur Bescheid wüssten.
Vor allem bei Gewitter ist Sturmjäger Martin Zoidl unterwegs – hier eine seiner Aufnahmen
„Damit stehen mir Radar, Satellit und der Mensch zur Verfügung“
Mit Deiner Homepage gewitterhimmel.de betreibst Du eine Art privates Fotoalbum über Unwetter in unserer Region. Hast Du außer dem Woid-Weda noch weitere Projekte für die Zukunft geplant?
Zurzeit bin ich daran, auf Facebook eine Plattform für Unwetterwarnungen in den Landkreisen FRG und Passau aufzubauen. Das Konzept besteht hierbei darin, dass im Gegensatz zu den Warnungen unseres staatlichen Wetterdienstes vor allem die Beobachtungen der Landkreisbürger in den Vordergrund gerückt werden. Die amtlichen Warnungen, die oftmals viel zu ungenau sind, werden zentral in München ausgegeben und überwiegend mit Daten der Fernerkundung erstellt. Man darf aber nicht davon ausgehen, dass unser Staats-Wetterdienst die lokalen Begebenheiten so gut kennt wie wir Bürger selbst. Denn das staatliche Organ sieht ein Objekt auf der Karte auf uns zukommen – und gibt seine Standard-Warnung raus.
Ich gehe einen Schritt weiter und gebe auch den Leuten hierzulande die Gelegenheit, Bilder und Meldungen von nahenden Wettergefahren zu posten, die dann mittlerweile bei über 5.000 Followern auf dem Smartphone erscheinen. Damit stehen mir Radar, Satellit und der Mensch als Datenquelle zur Verfügung, was die Warngenauigkeit ungemein erhöht und für mehr Aufmerksamkeit sorgt, denn ein Bild sagt schließlich mehr als tausend Worte. Vor allem bei kleinräumigen Gewittern oder spiegelglatten Straßen ist dies ein entscheidender Vorteil.
Martin, danke Dir für das interessante Gespräch und weiterhin alles Gute.
Interview: Helmut Weigerstorfer
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