Waldkirchen. Wie wurde aus „Baltchirchen“ eigentlich Waldkirchen und aus „Schefe“ das heutige Schiefweg? Warum hießen Appmannsberg und Saßbach um 1250 „Ortwinsperge“ und „Sitespach“? Und warum enden bei uns einige Orte auf „-ing“? Um diese und viele weitere Fragen zu klären, hat der Heimat- und Museumsvereins Waldkirchen einen ausgewiesenen Experten, Dr. Wolfgang Janka, in Sachen „Ortsnamen und Dialektologie“ eingeladen.

„Wir sammeln historische Schreiben und nehmen die dialektalen Aussprachen, also die Mundartform, auf. Dann rekonstruieren wir die Grundform unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der historischen Sprachwissenschaft“, erklärte dieser die Vorgehensweise bei den Forschungsarbeiten. Was sich sehr wissenschaftlich anhört, verdeutlichte der Experte anhand zahlreicher Beispiele aus dem Stadtgebiet Waldkirchens: „Zum Teil haben sich die Ortsnamen sehr weit von der ursprünglichen Form wegentwickelt. Richardsreut zum Beispiel hieß 1298 nachweislich Ryckersreut und 1351 Ruckinsraut, bevor wir es 1353 als Rukkeinsreut und 1467 als Rugkersrewt finden. Zuletzt finden wir einen Beleg im Jahr 1645 mit Righkhersreit, das der heutigen mundartlichen Aussprache sehr nahe kommt“, wird Dr. Janka in einer Mitteilung an die Presse zitiert. Seit 1877 wird der Ortsname in der heutigen Schreibweise fixiert.
Schiefweg kommt von „Siedlung am Weg zu den Schiffen“
Auch die Bedeutung dieses Namens klingt auf den zweiten Blick gar nicht so kompliziert: „Über das Bestimmungswort ‚Rüed(i)ger‘ und das Grundwort ‚rinte‘ war Richardsreut eine ‚Rodungssiedlung, gegründet von oder benannt nach einem Rüed(i)ger bzw. Rükki'“. Genauso lässt sich die Entwicklung von Schiefweg nachzeichnen: über Schefwege 1256, Schöffwög 1674 und Schiefeweng 1811 kommt man zur Bedeutung „Siedlung am Weg zu den Schiffen“. Dr. Janka präsentierte weitere Beispiele aus der Umgebung, zum Beispiel Schöfweg, Schlößbach, Lämmersreut und Werenain. „Während die heutigen amtlichen Namensformen mitunter durch Ein- und Umdeutungen verändert wurden, basiert die heutige mundartliche Aussprache auf der ursprünglichen Form.“

Wissenschaftler wie Janka benutzen zahlreiche Hilfsquellen für ihre umfangreichen Recherchen. Neben historischen Ortsnamensbüchern („HONB“) für einzelne Gemeinden und Regionen gibt es für unsere Region das „ONiG“, eine Zusammenstellung der ältesten Ortsnamen im bayerisch-tschechischen Grenzgebiet mit über 260 Ortsnamen, die noch im Jahr 2015 als Ortsnamensdatenbank im Internet veröffentlicht werden soll. „Eine wertvolle Hilfe bieten uns auch die digitalisierten Urkundenbestände bei monasterium.net„.
Die Endung „ing“ drückt die Zugehörigkeit zu einer Person aus
Ergebnisse der neueren Forschung zeichnen den Weg der einzelnen Namensschichten nach: über die indogermanischen und die keltischen Schichten arbeiten sich die Forscher zu den romanischen, germanischen und den heute in unserem Raum mit über 90 Prozent am weitest verbreiteten bairischen Schichten vor. Die Namenstypen beginnen im Frühmittelalter mit Endungen auf „-ing“, die die Zugehörigkeit zu einer Person ausdrücken. So entstanden beispielsweise Deching, Manzing und Traxing. Im Früh- bis Hochmittelalter entstand dann auch Waldkirchen als Ortsname: „Paul Praxl fand in Quellen des Jahres 1203 den Namen Walchirchen, der sich bereits wenige Jahre später in Waltchierchen verwandelte und Ende des 13. Jahrhunderts als Baltchirchen wiederfindet. Seit 1450 gibt es Waldkirchen in der heutigen Form.“
da Hog’n