Regen. Werden die Gegner des Nationalparks durch die „Bürgerbewegung zum Schutz des Bayerischen Waldes e.V.“ vertreten, gibt es auf der Unterstützer-Seite eine ganze Reihe an ehrenamtlichen Initiativen. Große NGOs wie Bund Naturschutz oder Landesbund für Vogelschutz, ebenso wie Pro Nationalpark-Vereine (Zwieseler Winkel und Freyung-Grafenau), die das ganze Jahr über Führungen im Park anbieten, oder Kulturvereine, die zum Beispiel das Woidweijd-Festival am Haus zur Wildnis organisieren, engagieren sich seit vielen Jahren für den Nationalpark. Der Regener Bund-Naturschutz-Geschäftsführer Jens Schlüter antwortet auf das Hog’n-Interview mit Hubert Demmelbauer.
Artenvielfalt im Nationalpark, gesellschaftliche Veranstaltungen rund um den Nationalpark, Begeisterung für den Tourismus – sind die Interessen vielleicht verschieden, so eint die Unterstützer doch die Faszination am Nationalpark Bayerischer Wald. Und diese liegt darin begründet, dass sich hier bei uns ein Teil unserer Waldfläche so entwickeln darf, wie es die Natur vorgesehen hat. Dass das nicht jedem gefällt, liegt auf der Hand. Sind wir doch Waldbilder gewohnt, die mit wirklichen Urwäldern, wie sie früher bei uns überall vorgekommen sind, eher wenig gemeinsam haben. So halten wir durch unsere Forstwirtschaft aus wirtschaftlichen Gründen den Wald gezielt jung, und ernten im Durchschnitt bei einem Baumalter von rund 100 Jahren. Bis dahin pflegen wir den Wald und entnehmen absterbende, krumme Hölzer oder Bäume mit Rissen, Spalten, usw.
„Störungen jeglicher Art sind im Wirtschaftswald nicht gern gesehen“
Wir halten so den Wald gezielt jung und leistungsstark – gegen das kann man aus wirtschaftlicher Sicht ja auch nichts einwenden. Was wir dabei aber verhindern, sind Alter- und Zerfallsphasen, den Aufbau hoher Vorräte, auch beim Totholz, oder auch einmal den Zusammenbruch kleiner oder größerer Waldbestände. Störungen jeglicher Art sind im Wirtschaftswald nicht gern gesehen, da sie eben dem Ziel einer planmäßigen Forstwirtschaft entgegenstehen. Betrachten wir dabei dann die Ansprüche der im Wald wertgebenden Arten, wie zum Beispiel bestimmte Käfer-, Vögel- oder Pilzarten, so sind diese jedoch genau auf die Strukturen angewiesen, die es in unseren Wirtschaftswäldern durch unsere Forstwirtschaft einfach nicht mehr gibt.
Im Nationalpark Bayerischer Wald ist der Borkenkäfer daher auch kein Wirtschaftsschädling, sondern vielmehr der Motor der Artenvielfalt. So bizarr es sich für die Gegner des Nationalparks anhören mag, hat erst dieser vermeintliche Schädling aus homogenen, fichtendominierten Wäldern die artenreichen und vielfältig strukturierten Waldbilder geschaffen, die wir heute kennen. Denn Vogelarten wie Gartenrotschwanz, Zwergschnäpper oder Sperlings– und Habichtskauz haben einfach andere Ansprüche an einen Wald als unsere Forstwirtschaft. Ich nenne diese Arten hier stellversprechend für die bedrohten Arten unserer Wälder, die in unbewirtschafteten Wäldern überall und häufig vorkommen, in Wirtschaftswäldern aber fast nirgends anzutreffen sind. Ganz einfach ausgedrückt, ist ein Wald mit vielen grünen Bäumen nicht zwangsläufig dass, was unsere Wälder ursprünglich ausgemacht hat. Oder anders ausgedrückt: Gartenrotschwanz und Habichtskauz wünschen sich einen anderen Wald, als es die Bürgerbewegung um Hubert Demmelbauer tut.
„Legitim ist auch, dass sie den Nationalpark kritisch begleiten“
Dass dies für die Nationalparkgegner schwer zu verdauen ist, kann ich verstehen, da deren Überzeugung emotional wohl stark mit Waldbildern verbunden sind, die durch die „ordnende Hand“ des Menschen gepflegt werden. Legitim ist natürlich auch, dass sie den Nationalpark kritisch begleiten und auch die rechtlichen Voraussetzungen anzweifeln. Bis dato ist aber noch jede Klage der Nationalparkgegner gegen den Nationalpark vor Gericht gescheitert. Außerdem sind Aussagen wie die vermeintliche Gefährdung des Trinkwassers schon mehrmals von verschiedenen Seiten widerlegt worden. Anders als es die Nationalparkgegner glauben wollen, ist unser Nationalpark genau deshalb auch international so anerkannt und das Zugpferd unter Deutschlands Nationalparken, weil er eben so ist wie er ist – und Natur Natur sein darf.
Jens Schlüter
Bund Naturschutz Regen
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–> Jetzt mal Tacheles: Naturzone, IUCN-Richtlinien & Nationalparkverordnung
„Gartenrotschwanz und Habichtskauz wünschen sich einen anderen Wald, als es die Bürgerbewegung um Hubert Demmelbauer tut“. Das schreibt Jens Schlüter in seiner Hymne an den Borkenkäfer. „Motor der Artenvielfalt“ nennt er den Waldverderber, weil er mit seinem großflächigen Zerstörungswerk die Hochlagenwälder in Freiflächen verwandelt hat und diese im Sommer auch vom Gartenrotschwanzl aufgesucht werden. Wo aber sind die Vogelarten geblieben, die im typischen naturnahen Hochlagenwald früher auch während der Wintermonate ihren Lebensraum hatten?
Für das Auerwild wird es eng werden, wenn die so hochgelobte Fichtenverjüngung am Lusen und am Spitzberg in den kommenden Jahren zu Dickungen und Stangenhölzern herangewachsen ist. Auch der Habichtskauz hält sich lieber am Wagensonnriegel auf, als in den Hochlagen zwischen Rachel und Lusen zu überwintern. Er dient jetzt als Argument gegen die Windkraft-Industrie, auch wenn die Wälder am Wagensonnriegel von ihren Besitzern bewirtschaftet werden. Das Wintergoldhähnchen findet in den höheren Lagen des Nationalparks nur noch wenige Waldflächen, die zum Überwintern geeignet sind und dem Zustand entsprechen, den die Nationalparkverwaltung als „naturnah“ bezeichnet.
„Naturnahe Hochlagenwälder weisen eine hohe Strukturvielfalt auf, die durch ein Nebeneinander von Verjüngung und Altbäumen, Lücken und geschlossenen Bereichen sowie abgestorbenen Bäumen gekennzeichnet ist.“ Auf die Seite 30 im Heft 8/2012 der Berichte aus dem Nationalpark („Waldentwicklung im Nationalpark Bayerischer Wald in den Jahren 2006 bis 2011“) darf ich verweisen. Das Bild 18 mit dem Foto von Thorsten Zeppenfeld zeigt einen Wald, der im Nationalpark nur noch in Form von Relikten existiert:
http://www.nationalpark-bayerischer-wald.de/doc/service/publikationen/d_berichte/heft_8_waldentwicklung.pdf
Die Nationalparkverwaltung verweist heute stolz auf die Urwaldrelikte am Großen Falkenstein. Sie sind vor über 100 Jahren von der Ministerialforstabteilung im Königlichen Bayerischen Staatsministerium der Finanzen als „Schonbezirke“ ausgewiesen worden, in denen jede Holznutzung zu unterbleiben hatte. Ausgenommen waren aber die Nutzungen, die mit Rücksicht auf den Waldschutz nicht zu vermeiden waren. Nur durch Naturereignisse angefallene, zum Beispiel durch Forstinsekten beschädigte oder durch Sturmwinde geworfene Stämme durften aufgearbeitet werden. Die Nutzung solcher Stämme hielt man für unumgänglich, „weil nicht der Vermehrung schädlicher Forstinsekten und damit der Vernichtung vielleicht des ganzen Bestandes Vorschub geleistet werden sollte“. Die ursprünglichen Hochlagenwälder in den ehemaligen Schon- bzw. Naturschutzgebieten am Rachel und am Lusen sind vor weniger als zwei Jahrzehnten schlagartig abgestorben – infolge von Borkenkäferfraß. Das sollte den „Prozessschützern“ von heute zu denken geben, wenn sie immer größere Waldflächen diesem unbedingten Diktat unterstellen wollen, das lautet „Natur Natur sein lassen“!
Der Habichtskauz als Mäusejäger tut sich freilich schwer, in den Hochlagen des Nationalparks zu überwintern! Kundige Naturbeobachter wissen, dass diese Eulenart erst jetzt mit Beginn der Schneeschmelze in die höher gelegenen Waldflächen zurückkehrt, da dann wieder ihre Nahrungsressource „Maus“ zur Verfügung steht. Im Übrigen breitet sich der Habichtskauz im Nationalpark und darüber hinaus weiter aus. Gründe hierfür sind gute „Mäusejahre“ und ein zunehmendes Angebot an geeigneten Brutplätzen (Großhöhlen, abgebrochene Baumstümpfe), die der Habichtskauz neben den angebotenen Kunsthöhlen gerne nutzt. Der „Gartenrotschwanzl“ hat im Nationalpark deutschlandweit seinen Verbreitungsschwerpunkt, nachdem ihm als Höhlen- und Halbhöhlenbewohner mit Bindung an alte Baumbestände in den letzten Jahren bundesweit die Lebensgrundlage doch eher entzogen wurde.
Nachdem jahrelang von vielen Nationalparkgegnern bestritten wurde, dass am Lusen überhaupt wieder Wald nachwächst, wird dies dann wohl auch von der Bürgerbewegung nicht mehr bestritten. Hier ist es spannend zu beobachten, wie sich die dort angesprochenen Waldstrukturen entwickeln werden. Nacheinander abfolgende Waldentwicklungsphasen wie Dickungsphasen und Stangenholz sind ja Begriffe aus dem Wirtschaftswald. Da rund um den Lusen die Verjüngung nicht gleichmäßig aufwächst, ist zu erwarten, dass sich der Wald strukturell anders entwickelt als die Wirtschaftswälder im ehemaligen Forstamt Zwiesel. Zudem heute die wichtige und strukturbildende Ressource Totholz vorhanden ist.
Die angesprochen Urwaldreliktstandorte am Falkenstein sind ja zum größten Teil von Buchen und Tannen dominiert. Vielleicht würden heute die Wälder im Nationalpark schon großflächiger alle so aussehen, hätte man sie damals nicht in scheinbar ertragreiche, vorratsreiche Fichtenforste umgewandelt. Die sahen zwar schön grün aus, hatten aber mit den Tannen-Buchen-Fichten- Urwäldern, die dafür weichen mussten, eher wenig gemein.
Jeder vernünftige Mensch weiß, das nicht der Borkenkäfer die Ursache des Sterbens unserer Fichtenmonokulturen ist, sondern die enorme Luftver-
schmutzung durch Kohlekraftwerke Industrie, Flugzeuge usw. Die alles ist
nachzulesen in dem Reisebericht des Kreistages FRG unter Schumertl im Jahre 1982. Der Bericht kann bei mir eingesehen werden. Und wer heute
aufmerksam durch den Wald geht, wird feststellen, dass ein großteil der
Fichten bei uns dermaßen geschädigt ist, sodaß schon wenige Käfer den
Rest besorgen können. Darum brauchen wir Mischwälder und keine Mono-
kulturen. Und wer glaubt den Käfer wieder mit Fichtenmonokulturen be,
kämpfen zu können, der befindet sich auf dem „Holzweg“