Freyung-Grafenau. Kultur bedeutet nicht die Asche zu bewahren, sondern das Feuer weiterzugeben – dieser leicht abgewandelte Spruch macht deutlich, was sich der Kulturkreis Freyung-Grafenau auf die Fahnen geschrieben hat. Der Verein um Vorstand Claus Kappl und Geschäftsführer Alois Seidl sorgt dafür, dass der Bayerische Wald mit ordentlich Kultur versorgt wird. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ sprechen beide über den anstehenden Wolfsteiner Herbst 2015 und über die Auswahlkriterien, nach denen Gruppen und Künstler ins Programm aufgenommen werden.
Der Wolfsteiner Herbst 2015 und ein Kulturjahr mit vielen Terminen stehen an. Wie laufen die Vorbereitungen?
Claus Kappl: Eigentlich wird das komplette Jahr über kontinuierlich an den Programmen gearbeitet, sodass sich die Arbeit nicht auf eine kurze, stressige Zeit konzentriert. Wir sind ständig auf der Suche nach interessanten Künstlern und Gruppen.
Herr Seidl, wann sind dann die Planungen für den Wolfsteiner Herbst 2015 abgeschlossen?
Alois Seidl: Das Programm steht zu 95 Prozent schon fest. Nur noch einige wenige Termine sind noch zu fixieren. Knapp ein Jahr vor dem jeweiligem Wolfsteiner Herbst sind die Planungen meistens schon abgeschlossen.
„Vom Kindergarten bis zum Altenclub – wir wollen jeden ansprechen“
Warum findet der Wolfsteiner Herbst nur im Zwei-Jahres-Rhythmus statt?
Seidl: Das ist seit dem Start im Jahr 1979 schon immer so. Der Aufwand ist sehr groß – zumal wir alle ehrenamtlich engagiert sind.
Kappl: Der Zwei-Jahres-Rhythmus ist insofern nicht schlecht, weil dann in kultureller Hinsicht etwas Besonderes geboten werden kann -und weil eben nicht alle Jahre ein vielfältiges Programm ausgearbeitet werden muss.
Seidl: Unser Anliegen ist es, möglichst viele Zielgruppen mit möglichst vielen Stilrichtungen anzusprechen – vom Kindergarten bis zum Altenclub.
Auf welche Highlights dürfen wir uns freuen?
Seidl: Es ist eine große Ehre für uns, dass Peter Baumgardt, der Intendant der Europäischen Wochen, den Festvortrag hält. Eine interessante Sache für beide Seiten. Immerhin hatten die Europäischen Wochen die letzten Jahre immer wieder auch Veranstaltungen im Landkreis Freyung-Grafenau.
Kappl: Dass ein Michael Lerchenberg, ehemaliger Prediger am Nockherberg, zu uns kommt, verdeutlicht, welchen Stellenwert der Wolfsteiner Herbst hat. Wir bringen Künstler in den Bayerischen Wald, die sonst nicht kommen würden – auch aus preislicher Sicht.
Warum findet diese Veranstaltungsreihe eigentlich im Herbst statt?
Seidl: Verkehrstechnisch scheidet der Winter gleich aus – und der Sommer ist für die Dorf- und Volksfeste reserviert. Schon damals, als die Organisation der Kulturwochen noch über das Kreisbildungswerk bzw. die Katholische Erwachsenenbildung lief, haben wir die Erfahrung gemacht, dass der Herbst für solche Termine am besten geeignet ist.
Kappl: Ganz einfach gesagt: In unserer Region findet Kultur zwischen September und April statt – und dann kommen die Volksfeste.
Der Kulturkreis ist durch den Wolfsteiner Herbst bekannt geworden
Wie wird man den auf die vielen Künstler, die sich im Programm finden, aufmerksam?
Kappl: Eine kleine Anekdote dazu: Erst kürzlich holte sich an meiner Schule eine Referendarin eine Befreiung bei mir, denn sie hatte einen TV-Auftritt. So wurde ich auf ihre Gruppe aufmerksam, die sich demnächst in unserem Programm wiederfindet. Tom Jahn, der heuer Bestandteil des Wolfsteiner Herbstes ist, ist zudem einer meiner ehemaligen Schüler.
Seidl: Allgemein gesagt: Wir hören uns um, werden auf verschiedene Künstler aufmerksam gemacht oder bekommen direkte Angebote. Mit der Zeit hat sich so eine lange Liste von Künstlern und Gruppen gebildet, die wir noch buchen möchten.
Wo liegen eigentlich die Ursprünge des Wolfsteiner Herbstes?
Seidl: 1979 fanden bereits die ersten Kulturwochen statt, damals noch unter Führung des Katholischen Kreisbildungswerkes, das sich auch mit der Kultur in der Region beschäftigt hat. Bald nach seiner Gründung, 1984, hat der Kulturkreis Freyung-Grafenau dann federführend diese Veranstaltungsreihe übernommen.
Ist also der Kulturkreis durch den Wolfsteiner Herbst bekannt geworden – und nicht umgekehrt?
(lacht) Ja, so kann man es sagen.
Können Sie bestätigen, dass es mit der Kultur im Bayerischen Wald nicht sonderlich weit her ist?
Kappl: Nein, nein. Im Gegenteil. Fast nirgendwo wird so viel Kultur betrieben wie hier. Was wäre München ohne Bruno Jonas und Sigi Zimmerschied? Beide stammen aus unserer Region, aus der Provinz. Dazu kommen noch die vielen Ehrenamtlichen – in den Chören und Volksbühnen. Sowas gibt es in München in dieser Konzentration beispielsweise nicht.
Seidl: Teilweise sind bei uns Auftritte von Künstlern besser besucht als dergleichen in einer Großstadt. Bei uns ist man stolz auf das, was man hat – das ist in den Zentren oftmals nicht der Fall. Aber leider sind wir dreifach benachteiligt …
„Leider bekommen wir vom Freistaat keine finanzielle Unterstützung“
Warum?
Wir liegen am äußersten Ende der Bundesrepublik, in einer Ecke zu zwei Ländergrenzen, abends steht überhaupt kein Nahverkehr zur Verfügung – hinzu kommt die geringe Bevölkerungsdichte. Trotzdem aber leisten bei uns viele Ehrenamtliche ihren Dienst und die Veranstaltungen sind relativ gut besucht. Respekt.
Was wünscht Ihr Euch für das Jahr 2015?
Kappl: Mindestens 9.000 Besucher beim Wolfsteiner Herbst – das wäre sehr gut.
Seidl: … und freilich mehr Geld (lacht). Leider bekommen wir vom Freistaat Bayern keine finanzielle Unterstützung, was sehr bedauerlich ist. Was uns freut, ist die dankenswert großzügige Unterstützung durch die Bevölkerung und verschiedene Institutionen im Landkreis – das müssen wir weiterhin intensiv pflegen.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg im Jahr 2015
Interview: Helmut Weigerstorfer