Garmisch-Partenkirchen. Eigentlich hört es sich ganz einfach an. Man schnappt sich eine Milchkanne, eine Säge oder einen Rechen und macht Musik damit. Eigentlich, ja eigentlich. Vorher gibt es nämlich einige Frage, die sich ein gewissenhafter Musiker beantworten muss: Rhythmus? Melodie? Mit der Antwort darauf beschäftigt sich Toni Bartl aus Garmisch-Partenkirchen schon seit einiger Zeit. Und der 43-Jährige hat es geschafft, sich als „Müll-Musiker“ einen Namen zu machen – seine Projekte wie Alpen Sperrmüll, Alpin Drums sowie Knedl und Kraut sind nicht nur den Eingeweihten ein Begriff. Im Interview mit dem Onlinemagazin „da Hog’n“ spricht der Produzent und Musiker über seine außergewöhnliche Musikrichtung und über seinen Auftritt bei „Wetten, dass…?“. Außerdem erzählt Toni Bartl vom Aufschwung der Volkmusik und seinem Verhältnis zu Papa Toni sen.
Toni, was bedeutet Musik für Dich?
Musik ist mein Leben – nicht mehr und nicht weniger (lacht). Zum einen war es schon immer mein Hobby, zum andere lebe ich mittlerweile davon. Und damit habe ich mir einen Traum verwirklicht.
… und wie bist Du ausgerechnet zur Volksmusik gekommen?
Mein Vater war der Erste bei uns in der Gegend, der auf der Steirischen gespielt hat – nach dem Zweiten Weltkrieg hatte er es sich selbst beigebracht. Später hat er es mir dann gelernt. Ich bin praktisch in die Volksmusik hineingewachsen.
Volksmusik ist wieder modern: „Die Qualität ist enorm gestiegen“
War in Deiner Jugend Volksmusik noch „uncool“?
Bei uns in der Region ist es schon länger so, dass die Steirische einen relativ hohen Stellenwert hat – im Gegensatz vielleicht zum restlichen Bayern.
Inzwischen ist Lederhose und Ziach im ganzen Freistaat wieder „in“.
Ja, das ist natürlich sehr schön. Es gibt viele neue Gruppen und auch die Qualität ist enorm gestiegen. Man merkt, dass sich was entwickelt – und das freut mich freilich sehr.
Und auf geht’s Alpen Sperrmüll – das Alpine Showspektakel
Woran liegt dieser verstärkte Fokus auf die Traditionen?
In erster Linie haben Musikgruppen, die man als „cool“ empfindet, dafür gesorgt. Diesen hat man nachgeeifert, wodurch die Volksmusik wieder in den Mittelpunkt gerückt ist. Los gegangen ist es mit Hubert von Goisern, den ganz großen Hype hat dann wohl LaBrassBanda ausgelöst. Auch wenn sie Tracht in abgespeckter Form, also meistens nur die Lederhose, tragen, haben sie dafür gesorgt, dass diese Tradition wieder auflebt.
Verstehst Du die Zweifel mancher Trachtler, die die Tracht von LaBrassBanda kritisierten?
Eins vorweg: Obwohl ich selbst Mitglied in einem Trachtenverein bin, bin ich kein so engstirniger Trachtler. Es ist gut und recht, dass diese ihre Vorgaben haben, wie eine Tracht auszuschauen hat. Dennoch finde ich es ein bisschen übertrieben, dass sich einige aus der Szene darüber aufregen, wie LaBrassBanda gekleidet ist.
„Wetten, dass..“: Ein Mechaniker hat die Maschine feiner eingestellt“
Zurück nochmal zu Deinem Vater: Ist es wirklich so schlimm, den eigenen Papa als Lehrer zu haben?
Nein, überhaupt nicht. Mein Vater hat mich nie dazu gezwungen, ich habe das Ganze freiwillig erlernt. Es hat auch Zeiten gegeben, in denen ich keine Lust auf Volksmusik hatte. Das hat mein Vater dann aber akzeptiert. Umso mehr hat es ihn dann gefreut, wenn ich gespielt habe.
1999 hast Du bei „Wetten, dass…“ mit einen 20-Tonnen-Bagger auf einem Mini-Akkordeon gespielt. Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Bei uns hat es damals die große Tunnel-Baustelle bei Farchant gegeben. Dort ist man immer im Stau gestanden und durfte den Baggern bei der Arbeit zuschauen. Da ist mir aufgefallen, wie feinfühlig man mit so einem Ding arbeiten kann. Damit kann man sicher auch Ziach spielen, dachte ich mir. Ein Bekannter von mir war Fotograf bei Caterpillar. Der hat dann die Verantwortlichen kontaktiert, die sofort Feuer und Flamme mit dieser Idee waren. Ein Mechaniker hat die Maschine noch feiner eingestellt, und dann ging es schon los.
Von der ersten Idee bis zum Auftritt bei „Wetten, dass…?“ – wie lange hat das gedauert?
Insgesamt waren da mehr als zwei Jahre dazwischen. Hauptgrund dafür war aber, dass die Sendungen sehr lange im Voraus geplant werden.
Kommen wir zu Deinem wohl bekanntesten Projekt, nämlich Alpin Drums. Wie ist diese Gruppe entstanden?
Ich wollte schon immer mal ein Stomp auf Bayerisch machen – bereits vor 18 Jahren habe ich das erste Mal an sowas gedacht. Damals hatte ich noch keine Ahnung in Sachen Regie, ich wusste nicht, wie man eine solche Show aufbaut. Nachdem ich dann aber bereits einige Programme produziert hatte, wagte ich mich nochmals an dieses Projekt heran. Letztlich haben wir dann Alpin Drums im Jahr 2011 mit insgesamt sechs Profischlagzeugern gegründet. Bei Alpin Drums spiele ich aber nicht mit, ich bin nur für das Drumherum verantwortlich.
Nicht Dein einziges Projekt, oder?
Nein, bei Weitem nicht. Ich bin sehr viel unterwegs. Insgesamt mit elf verschiedenen Gruppen. Am beliebtesten sind nach wie für die Duos wie zum Beispiel Alpen Sperrmüll – freilich auch, weil sie deutlich billiger sind als eine sechsköpfige Band (lacht). Wir sind nicht nur im bayerischen Raum unterwegs, sondern in ganz Europa. Erst kürzlich haben wir auf Mallorca mit Auto di Takt die Vorstellung eines neuen Autos musikalisch begleitet. Ganz neu ist „Knedl und Kraut“ – da haben wir sogar unsere eigene Stube dabei.
„Alle Instrumente haben irgendwas mit Bauernhof zu tun“
Kommen wir zu den Liedern mit bayerischen Alltagsgegenständen – wie bei Alpin Drums oder Alpensperrmüll üblich. Wie würdest Du Eure Musik beschreiben?
Da ist eigentlich alles drin – vom Landler bis zu karibischen Rhythmen. Kurz gesagt: Wir spielen alles, was uns gefällt. Wobei wir schon gewisse Einschränkungen haben, denn die Melodien müssen zum jeweiligen Instrument passen. Ein Alltagsgegenstand ist halt keine Stradivari, man muss sich letztendlich mit dem begnügen, was raus zu holen ist.
Wie kommt man darauf, mit Milchkannen und Staubsauger Musik zu machen?
Irgendwie ist es naheliegend. Ich habe mich an der früheren Landwirtschaft meines Vaters bedient. All unsere Instrumente haben irgendwas mit Bauernhof und Bayern zu tun. Wir haben dann geschaut, dass jedes einzelne Lied seinen Tenor, seine Alleinstellungsmerkmale hat.
Dass Toni Bartl auch auf der Ziach ein Könner ist, ist bekannt
Gibt’s da dann fixe Lieder – oder nur ein Grundgerüst und der Rest wird interpretiert?
Die Stücke werden im Vorfeld so geprobt, dass jeder sein ideales Instrument bekommt. Das Ganze ist relativ aufwendig und nimmt einige Zeit in Anspruch. Der Lohn ist, dass die Leute immer wieder aufs Neue staunen, was aus den Dingen so rauszuholen ist. Das trägt sich sogar hervorragend abendfüllend.
Viel zu tun.
Kann man so sagen, ja. Los gegangen ist es mit „Bayerischer Sperrmüll“, inzwischen heißt dieses Kurzprogramm „Alpen Sperrmüll“. Neben der Musik war ich schon immer einer, der gern gebastelt hat. Schon als Kind habe ich alles Mögliche zerlegt und wieder zusammengebaut. Die fast schon logische Konsequenz: Ich habe zunächst eine Ausbildung zum Automechaniker gemacht. Musik und Basteln – diese beiden Hobby habe ich dann einfach kombiniert. Dass man mit Suppenlöffel den Rhythmus vorgibt, mit einem Gartenschlauch Musik macht, hat mich schon immer fasziniert. Das habe ich mir angeeignet und immer weiter daran gearbeitet. Nebenbei hatte ich aber auch immer Auftritt der herkömmlichen Art, das heißt mit Steirische und Gitarre. Das Ganze hat sich dann immer weiterentwickelt.
„Nicht selbstverständlich, mit Alltagsgegenständen Musik zu machen“
Interessant.
Irgendwann habe wir im Duo dann zum Beispiel auf der Säge gespielt und mit Suppenlöffel musiziert, sodass ein Kurzprogramm von etwa 20 Minuten entstanden ist. Das haben wir in einem Bierzelt aufgeführt, worauf uns eine Veranstaltungsagentur angesprochen hat. Und so ist es relativ schnell vorangegangen – und es wurde innerhalb von nur eineinhalb Jahren zu meinem Beruf.
Kannst Du Deine selbstgebauten Instrumente unterrichten?
Man könnte es schon, ja. Es gibt relativ viele Anfragen, ob es Bau-Workshops gibt. Doch dazu habe ich keine Zeit. Mittlerweile haben wir so viele Auftritte, dass es ein paar meiner Shows schon in doppelter Besetzung gibt.
Wie sehen Dich andere Musiker. Als Spinner oder Künstler?
Die meisten bewundern die Instrumente und was man darauf spielen kann. Ein studierter Musiker ist Mitglied einiger unserer Gruppen, und er bestätigt immer wieder, wie gern er mitspielt und wie anspruchsvoll das Ganze ist. Es ist einfach nicht selbstverständlich, auf einem Alltagsgegenstand Musik zu machen.
Die Musik liegt bei Euch in der Familie. Treten Deine Kinder wiederum in Deine Fußstapfen?
Meine Tochter ist sieben Jahre alt und sehr musikalisch, sie lernt zurzeit Keyboard. Wie sie sich entwickelt, kann man bisher noch nicht sagen.
Wie wichtig ist Musik allgemein für die Entwicklung von Kindern?
Sehr wichtig. Musik ist eine super geistige Übung. Deshalb finde ich es wichtig, dass man Kinder probieren lässt, Musik zu machen. Ist die nötige Begabung da, soll es ein Instrument lernen. Und: Druck ist da dann das verkehrte Mittel.
Interview: Helmut Weigerstorfer