Teisnach. Ringelais Bürgermeister Max Köberl ist nicht mehr überzeugt von E-Wald. Im Hog’n-Interview vermutete er, dass das Elektromobilitätsprojekt lediglich „versteckte Fördermittel für die Automobilkonzerne, die ihre Entwicklungsarbeit auf Kosten der Gemeinden betreiben“ bereitstelle. Kurze Zeit später wurde öffentlich, dass die an der E-GmbH beteiligten Landkreise weitere 1,8 Millionen Euro aufbringen sollen. Was ist los mit dem ambitionierten Projekt? Wir haben mit Geschäftsführer Otto Loserth über die kürzlich angefachten Diskussionen, über die künftige Ausrichtung und seinen persönlichen Wunsch gesprochen. Außerdem blickt Landrat Michael Adam auf E-Wald-GmbH, das in Teisnach im Landkreis Regen beheimatet ist.
Jüngst kritisierte Ringelais Bürgermeister Max Köberl das E-Wald-Projekt. Ihre Meinung dazu?
Ich kann Ihnen versichern, dass die Automobilhersteller keine Förder- oder Forschungsmittel von E-Wald erhalten. Im Projekt behauptet niemand, dass die Elektromobilität alle Fahrzeuge, sei es im ländlichen Raum oder in den Städten, ersetzen wird. Als Arbeitsthese sprechen wir davon, 10 bis 15 Prozent der Zweitwagen ersetzen zu können. Ich persönlich glaube daran, dass E-Autos ein Baustein unserer Mobilität sein werden. Anforderungen aus CO2-Reduktion, Feinstaubvermeidung, Lärm- und Umweltschutz sowie die Energiewende werden dazu beitragen.
Auch der „normale“ Automarkt profitiert von E-Wald
Es gibt Bürger, öffentliche Stellen und Unternehmen, die von sich aus mit vorangehen und mit E-Autos fahren. Gesetzliche Regelungen werden ihr übriges tun, Automobilkonzerne und Autokäufer zu „motivieren“. Es ist bereits seit 2011 in EU-Verordnungen und im nationalem Recht verankert, dass die CO2-Emissionen von neuen Pkw stufenweise bis zum Jahr 2015 auf 120 g/km und ab dem Jahr 2020 auf 95 g/km begrenzt werden. Wir merken es daran, dass Sechszylinder aus dem Motorenprogramm verschwinden, die Start-Stopp-Automatik bei Neufahrzeugen inzwischen Standard ist und die Verbrauchswerte der Modelle sinken. Elektromobilität wird ein weiterer Baustein sein, die Flottenverbräuche zu zügeln.
Weiterhin ein Problem bleiben die Akkus und Batterien.
Die Reichweiten der aktuellen Modelle wie BMW i3, VW e-Golf und KIA Soul EV zeigen bereits, dass die Entwicklung immer besser wird. Da ist das Ende noch lange nicht erreicht und mit dem vorher erwähnten Fokus auf Zweitwägen ist ein Ersatz bereits jetzt praktikabel. Es ist kein Geheimnis, dass die Elektromobilität, obwohl von vielen Menschen grundsätzlich befürwortet, noch kein boomender Markt und kein Selbstläufer ist. Manch einer argumentiert, dass Elektromobilität nur in Großstädten stattfinden wird. Im E-Wald-Gebiet zeigen wir, dass Elektromobilität nicht als Selbstzweck betrieben wird, sondern vielmehr der Bevölkerung dienen kann. Das Mobilitätsangebot auf dem Land wird angereichert und ergänzt – Angebote für Pendler, sporadische Nutzer, Touristen, Unternehmen, Gemeinden und eben alle Bürger werden geschaffen. Ohne E-Wald gäbe es im gesamten Bayerischen Wald kein Carsharing Angebot – auch nicht mit Verbrenner-Fahrzeugen.
1,8 Millionen Euro – es besteht keine „Pflicht“ der Landkreise
Welche Rolle nimmt der Bayerische Wald in dieser Hinsicht im bundesweiten Vergleich ein?
Obwohl die E-Wald-Flotte mit 180 Fahrzeugen eine der größten E-Fahrzeugflotten in Deutschland und die größte in Bayern ist, bewegen sich 180 Fahrzeuge auf sechs Landkreise zahlenmäßig nur im Promillebereich des Gesamtfahrzeugbestendes.
Zuletzt wurde berichtet, dass die an E-Wald beteiligten Landkreis 1,8 Millionen Euro nachschießen müssen. Warum sind die finanziellen Anforderungen gestiegen?
„Nachschießen müssen“ ist in dieser komprimierten Form nicht richtig – es besteht keine „Pflicht“ der Landkreise. Das bisherige Forschungsprojekt kann weitergeführt werden. Die zusätzlichen Mitteln sind für die Erprobung neuer Konzepte im Verkehrsbereich angedacht. Die Landkreise bekommen 50 Prozent ihrer Ausgaben vom Freistaat Bayern erstattet. Fast täglich wird nach staatlicher Förderung für die Elektromobilität gerufen und auch nach Unterstützung strukturschwacher ländlicher Regionen. Im vorliegenden Fall haben engagierte Politiker und Projektmitarbeiter sich erfolgreich um Fördergelder bemüht. Mit dem neuen Projekt werden wir den Kundenbedürfnissen besser begegnen und unser Leistungsangebot ausbauen können.
Wie genau?
Es geht um die Erprobung neuer Konzepte im Verkehrsbereich im ländlicher Gebiet. Es werden zusätzliche Carsharing-Angebote geschaffen, mit dem neuen Projekt werden wir den Kundenbedürfnissen besser begegnen und unser Leistungsangebot für Bevölkerung und Touristen ausbauen können.
„Studie über Elektroautos – Die heimlichen Umweltsünder“ – so titelte zuletzt der „Spiegel“. Verlieren die E-Autos damit nicht ihre Berechtigung?
Die für Deutschland und damit für mich relevanten Informationen stehen am Ende des Artikels:
Anders als die Studienmacher der University of Minneapolis kann Wietschel festhalten: „Beim derzeitigen Strommix in Deutschland haben Elektroautos bereits einen Vorteil, was die Treibhausgase angeht.“ (spiegel.de/Auto vom 16. Dezember 2014)
An den E-Wald Ladesäulen gibt es ausschließlich Strom aus regenerativer Erzeugung zu „tanken“.
Was wünschen Sie sich persönlich für die Zukunft von E-Wald?
Ich habe den Traum, dass statt trockenen Diskussionen, egal ob Zweifler oder Befürworter, sich jeder selbst ein Bild macht, ein E-Wald-Auto mietet, mit einem zufriedenen Lächeln aussteigt und dann begeistert vom elektromobilen Erfolg in Niederbayern berichtet. Wir können stolz darauf sein, was schon passiert ist. Und wir haben noch eine Menge zu tun. Pack mas.
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„Wir sind nicht beim Scheitern, sondern beim Anschieben“
Michael Adam (Landkreis Regen): „Das E-Wald Projekt läuft jetzt im Normalbetrieb, fast alle Standorte sind errichtet und mit Ladesäulen ausgestattet. In den sechs Landkreisen sind das über 400 leistungsstarke Ladepunkte für Elektroautos. In München sind es deutlich weniger. Das neue Projekt wird noch mehr Sichtbarkeit an Fahrzeugen bringen und ein erweitertes Angebot für interessierte Bürger und Firmen – es ist jedoch von der Grundfinanzierung durch den Freistaat und den sechs Landkreisen abhängig. Ich habe die Hoffnung, dass das Projekt jetzt in der richtigen Bahn ist und nicht scheitert. Ganz persönlich habe ich derzeit das Gefühl, dass wir dabei sind, eine Chance zu ergreifen. Grundsätzlich bin ich der Meinung, dass nicht jedes Projekt erfolgreich sein kann. Ich halte es aber für wichtig, dass man Dinge versucht, dass man Themen angreift und wenn man alles versucht hat, dann darf man auch scheitern, denn ein Scheitern ist immer noch besser als Untätigkeit. Aber wie gesagt, wir sind noch lange nicht beim Scheitern, sondern wir sind beim Anschieben.“
Helmut Weigerstorfer