Freyung. Frank Plank (43) und Peter Niedermeier (27) fühlen sich endlich wieder als nahezu vollwertiges Mitglied der Gesellschaft. Viele Jahre führten sie als „Langzeitarbeitslose mit Mehrfachbelastung“ – das heißt: ohne Führerschein, ohne Ausbildung und gezeichnet von Alkohol- oder Spielsucht – ein trauriges, ja fast schon sinnloses Leben. Keine Akzeptanz, kein Geld, keine Perspektive. Doch dank der vor gut einem halben Jahr gegründeten Organisation „CFJ – Chance für Jeden e.V.“ geht es mit den beiden wieder aufwärts. In einer ausrangierten Produktionshalle in der Nähe des Freyunger Bahnhofes hat ihnen der Verein um den ehrenamtlichen Vorsitzenden Paul Rammelmeyr nicht nur eine Arbeit verschafft, sondern zugleich die Hoffnung auf eine bessere und lebenswertere Zukunft. Rammelmeyr kommt dabei die Rolle des Seelsorgers, Chefs und „Papas“ gleichzeitig zu. Ein echter Full-Time-Job.
Der 63-Jährige hat bis heute selbst ein bewegtes (Arbeits-)Leben hinter sich. Selbstständiger Malermeister und Verleger eines kleinen Tagblattes sind nur zwei von vielen Tätigkeiten innerhalb der vergangenen Jahrzehnte. Zuletzt war er Projektleiter von „Arbeus„, einer früheren Einrichtung der Katholischen Arbeitnehmerbewegung, kurz: KAB. Der Gebrauchtmöbelmarkt beschäftigte mehr als 15 Jahre Langzeitarbeitslose, die sich um Wohnungsauflösungen und Möbelinstandsetzungen kümmerten. „Die finanzielle Lage war sehr schwierig für uns“, erinnert sich Paul Rammelmeyr. „Deshalb stand es in der Schwebe, ob das Projekt überhaupt weitergehen wird.“ Nachdem er sich von „Arbeus“ verabschiedet hatte, fand sich mit der Caritas letztlich ein neuer Träger. „Und plötzlich wurden die Langzeitarbeitslosen nicht mehr gebraucht – das kann doch nicht sein. Im jetzigen Arbeus-Projekt entstand keine einzige Arbeitsstelle für die Langzeitarbeitslosen. Man hat Personal aus anderen Caritas-Projekten nur verlagert.“
„Die Suche nach passenden Räumlichkeiten war nicht einfach“
Aus diesem Grund entschloss sich Paul Rammelmeyr gemeinsam mit Gerhard Drexler, Ernst Tauscher und neun Langzeitarbeitslosen einen eigenen gemeinnützigen Verein zu gründen, der die ursprüngliche Aufgabe von Arbeus übernehmen soll. Ein schwieriges Unterfangen, eine Mammutaufgabe. „Schon allein die Suche nach passenden Räumlichkeiten war alles andere als einfach“, erzählt der Vorsitzende. „Letztlich sind wir aber in Freyung fündig geworden.“ In einer ehemaligen Produktionshalle einer Textilfirma ist CFJ seit April 2014 nun heimisch. Dort befinden sich das Büro, die Werkstatt, das Lager. Und auch wenn alles noch ein bisschen chaotisch daherkommt – es ist sichtbar, dass hier etwas entsteht. „Einen herzlichen Dank in diesem Zusammenhang an Gerard Anolick und Dr. Siegfried Schmidbauer, die uns sehr unterstützen.“
„Man muss ein Menschenfreund sein – und das ist keine Phrase“
Die größten Probleme sind also gelöst – vorerst. Was bleibt, sind die fast schon alltäglichen Schwierigkeiten. Da ist zum einen die Suche nach Spenden, Förderern und Aufträgen. Zum anderen der tägliche Umgang mit den Langzeitarbeitslosen. Diese Aufgabe liegt Paul Rammelmeyr besonders am Herzen, auch wenn sie ihn sehr fordert. Er weiß: „Die meisten sind unverschuldet in diese Situation geraten. Und dann befindet man sich plötzlich in einem Teufelskreis.“ Viele Langzeitarbeitslose haben sogenannte Mehrfachbelastungen. Sie kompensieren ihre Probleme mit Alkohol, mit Spielsucht oder Gewalt. Und genau hier liegt die Hauptaufgabe von Rammelmeyr. Der Betriebswirt erklärt: „Irgendwie kommt mir hier die Schule des Lebens zu Gute. Das wichtigste ist der Respekt. Man muss ein Menschenfreund sein – und das ist keine lapidar dahergesagte Phrase.“
Früher hat er Langzeitarbeitslose selbst als „faule Säcke“ beschimpft
Lange Zeit war er es auch nicht. Lange Jahre hat er Langzeitarbeitslose als „faule Säcke“ abgestempelt, die sowieso nicht arbeiten und ihr Schicksal selbst in der Hand nehmenwollen. Erst seine eigene Zeit in der Arbeitslosigkeit hat ihm die Augen geöffnet. „Mir wurde bewusst, dass hinter jedem dieser Menschen ein trauriges Schicksal steckt. Man muss ihnen helfen.“ Rammelmeyr sieht sich aber nicht als „Mutter Theresa“ des Bayerischen Waldes. Im Gegenteil. Mit klaren Regeln und Vorschriften versucht er, schwierige Persönlichkeiten wieder auf den rechten Weg zu bringen. Die dafür nötige Anerkennung verschafft er sich durch selbstauferlegte harte Arbeit. Der 63-Jährige regelt den Bürokram, steht selbst an den Maschinen – und ist auch bei den kraftaufwendigen Wohnungsauflösungen mit dabei. „Keine Sorge, ich habe noch mehr Kraft als die meisten meiner Mitarbeiter“, erzählt er und lacht verschmitzt.
Auch bei privaten Problemen hat er immer ein offenes Ohr
Doch nicht nur im Berufsalltag ist der Grafenauer der erste Ansprechpartner für seine Kollegen. Nein, auch bei privaten Problemen hat er immer ein offenes Ohr für sie. Es gehört einfach mehr dazu als nur ein guter (Arbeits-)Chef zu sein, sagt er – eine Fahrt zum Bahnhof oder Behördengänge sind also mitinbegriffen. Und das alles, ohne nur einen Cent dafür zu kassieren. „Ich bin 63, bis zu meiner Rente bin ich jetzt noch arbeitslos – und kümmere mich um CFJ. Ein stilles Abkommen mit dem Arbeitsamt sozusagen.“ Doch gerade mit dem Jobcenter hat Paul Rammelmeyr oft zu kämpfen, wie er berichtet. Seine Organisation wird dort nicht wirklich anerkannt – und CFJ-Mitarbeiter werden seinen Aussagen zufolge mit teils unangemessenen Aktionen schikaniert. „Von einer Unterstützung, vor allem in finanzieller Hinsicht, ganz zu schweigen.“ Frank und Peter bekommen von Rammelmeyrs Aussagen gar nichts mit. Sie sind damit beschäftigt, einen Schrank im künftigen Sozialraum aufzubauen…
Helmut Weigerstorfer
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