Freyung/Passau. Sebastian Frankenberger polarisiert. Das ist so klar, wie die Nacht finster ist und der Schnee weiß. Seit er vor fünf Jahren das erfolgreiche Volksbegehren zum Nichtraucherschutz initiiert hatte, scheiden sich die Geister an seiner Person. Der ÖDP-ler erhält heute noch Morddrohungen – nur die wenigsten scheinen dankbar zu sein, dass in Gaststätten nicht mehr geraucht werden darf. Und auch seine eigenen Kollegen stehen nicht geschlossen hinter ihm, wie der jüngste Parteitag in Erlangen zeigte: Sebastian Frankenberger ist nun nicht mehr Bundesvorsitzender der ÖDP, wie er es vier Jahre lang war – dieses Amt bekleidet künftig Gabriela Schimmer-Göresz.
„Gewisse Strömungen aus dem niederbayerischen Raum“, so der 33-Jährige, hätten kontinuierlich versucht ihn „loszuwerden“. Bei seinem Besuch in der Hog’n-Redaktion zeigt sich Sebastian Frankenberger gewohnt offen und nur selten um eine Antwort verlegen – sowohl, wenn es ums Politische als auch ums Private geht. Was ihn umtreibt, was ihn bewegt, was ihm Angst macht, worüber er sich ärgert und wie es nun mit ihm weitergeht, lest Ihr im Hog’n-Interview.
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Herr Frankenberger: Sie sind jüngst als Bundesvorsitzender der ÖDP abgewählt worden. Wie fühlen Sie sich?
Erleichtert. Ich konnte irgendwie nicht loslassen vom Parteivorsitz – und das wurde mir jetzt abgenommen. Ich freue mich auf die neuen Aufgaben, in denen ich momentan schon sehr drinnen stecke.
„Ich konnte irgendwie nicht loslassen vom Parteivorsitz“
Hatten Sie damit gerechnet, dass Sie nicht wiedergewählt werden?
So wie die Stimmung auf dem Parteitag war, ja. Denn die Kritiker haben jeden und alles gegen mich zu mobilisieren versucht – und bei der Kandidatendiskussion ist es alles andere als sachlich und fair gelaufen. Ganz ehrlich: Bei solchen Angriffen unter der Gürtellinie hab ich eh keine Lust mehr den Kopf als Vorsitzender hinzuhalten.
Wissen Sie schon, wie es mit Ihrer politischen Karriere jetzt weitergehen wird?
Das ist eine gute Frage. Vorerst bleibe ich bei der ÖDP, da ja das Parteiprogramm stimmt. Vom Umgangston bin ich aber schon sehr enttäuscht. Ich werde mir das jetzt mal eine Zeit lang kritisch anschauen. Natürlich unterstütze ich die Mitarbeiter im Hintergrund noch, da ich ja auch sehr viel an konkreter Arbeit geleistet habe. Ob ich mich nochmals engagieren werde, das glaub ich eher weniger. Da muss erst die Glaubwürdigkeit, die für mich so wichtig ist, wieder zurückkehren.
Ich werd mich eher in Verbänden, NGOs engagieren. Ich bleibe politisch – aber eben nicht mehr wirklich parteipolitisch engagiert. Vermutlich auch eher in Österreich. Aber schauen wir mal, was die Zukunft so bringt. Es bleibt jedenfalls spannend.
„Ich bin halt unbequem – auch innerparteilich“
Ist es eigentlich reines Kalkül der Medien, warum sie mit Ihnen Geschichten machen? Weil die Medien – und Sie natürlich auch – wissen, dass Ihre Person derart polarisierend ist? Ist das ein symbiotisches Verhältnis?
Vollkommen klar. Ich bin halt unbequem – auch innerparteilich. Ich stehe zu dem, was ich mache. Ich versuche, die Partei zu professionalisieren. Inhaltlich möchte ich die ÖDP gar nicht so stark verändern. Aber sehr wohl das Auftreten, das Image. Grad die, die die Partei mitgegründet haben, hätten es gern ein bisserl konservativer. Das waren meine Ziehväter, plötzlich war ich der Chef – das ist immer eine ungute Situation. Außerdem kommen sie damit nicht klar, dass ich mich auch anderweitig engagiere und ein Standing habe – als Beispiel lässt sich hier die Kritik an Bischof Wilhelm Schraml nennen.
Es geht um etwas viel Tiefergehendes. Der eigentliche Konflikt ist die Mentalität ‚mia san mia – mia machen des seit 30 Jahren, mia san vor Ort erfolgreich – und des langt uns‘. Und ich sage: Ich möchte in den Landtag, ich möchte ins Europaparlament, wir müssen neue Dinge einsetzen, wir müssen uns sehr wohl auch medial präsentieren. Da darf man auch mal ruhig polarisieren – anders komme ich überhaupt nicht in die Medien. Diesen Konflikt gibt es seit 30 Jahren in der Partei. Diese Differenz zwischen dem Bundesverband und Leuten aus dem bayerischen Landesvorstand… Ich möchte, dass alle an einem Strang ziehen. Das ist der Kernkonflikt des Problems.
„Medial war der Nichtraucherschutz der größte Erfolg der ÖDP“
Glauben Sie, dass Sie in der Zeit, in der Sie in der Partei aktiv sind, der ÖDP eher geschadet – oder eher genutzt haben?
Absolut förderlich (lacht). Wir stehen so gut da wie noch nie. Wir haben den finanziellen Spielraum um ein Drittel gesteigert. Wir stehen innerparteilich viel professioneller da – die Mitarbeiter funktionieren zusammen besser. Ich bin Unternehmer und in Österreich aktiv, darum war es mein Ziel, die Partei wie ein kleines Unternehmen aufzustellen – verschiedene Bereiche, Geschäftsstellen müssen zusammenarbeiten. Früher hat man eher geschaut, die Leute aus den eigenen Reihen in bestimmte Posten zu bringen. Ich hab dafür gesorgt, dass jeder Job eine Ausschreibung hat. Ich wollte wirklich gute Leute haben, die Ahnung von der Materie haben. Mit der Drei-Prozent-Klage und dem Einzug ins Europaparlament haben wir unseren politisch größten Erfolg gefeiert. Medial war wahrscheinlich der Nichtraucherschutz der größte Erfolg.
Was natürlich auch stark mit Ihrer Person zusammenhängt… weil Sie so ein extrovertierter Typ sind, richtig?
Genau. Und das wollen die Medien ja auch. Mir wird vorgeworfen, dass es mir zu viel um die Person und zu wenig um die Partei geht. Da sind wir wieder bei der Professionalisierung: Wie funktionieren Medien? Wie unsere Gesellschaft? Die wollen Köpfe. Die wollen mit jemandem was verbinden können. Da habe ich es geschafft, das Profil der Partei zu schärfen. Was ist die ÖDP? Da bekommen Sie von drei Leuten zehn Antworten. Es ist ganz schwierig, für was die Partei steht. Ich habe sie auf den Kurs gebracht, ehrlich, authentisch zu sein – das zu leben, was wir fordern.
Wir haben die Gehaltssituation transparent gemacht, wir haben die vegetarischen Parteitage eingeführt – wir wollen keinen zum Vegetarier erziehen, aber wir fordern, dass wir den Fleischkonsum reduzieren. Das ist doch der Weg, den die Menschen heute suchen. Ehrliche Politik. Da stehen wir gut da. Das Problem: Das kann man nur spüren. So genau ist das nicht zu verbalisieren. Darum haben viele nicht mitbekommen, um was es mir wirklich geht. Weil ich so polarisiere, werde ich gerne reduziert auf Nichtraucherschutz und Bischof-Angriff. Von diesem Image wegzukommen, ist wahnsinnig schwierig. Da ist bzw. wäre die Unterstützung der Partei gefragt…
„Ich lasse mir den Mund nicht verbieten“
Haben Ihre Parteikollegen Angst, wenn Sie mit den Medien reden?
Definitiv, ja. Weil ich mir den Mund nicht verbieten lasse.
Sprechen die Parteikollegen das offen aus?
Momentan wird hinten rum versucht, mich aus der Partei zu bekommen. Was sie schon offen gesagt haben, ist, dass ich bitte aus Passau wegziehen soll. Einer der Gründerväter hat auch gesagt, ich solle die Partei verlassen. Da wird schon ordentlich Stimmung gegen mich gemacht…
Also haben Sie das Image eines Vogelfreien innerhalb der Partei?
Nein… Das ist total schwierig. Ihr stellt diese Fragen, weil Ihr aus dem niederbayerischen Raum kommt. Hier kriegt man das mit. Würden wir das Interview in München oder außerhalb Bayerns führen, würden ganz andere Fragen kommen. Der Konflikt betrifft Passau und die Umgebung. Mein schlechtes Image wird gestreut. Eine ganz schwierige Situation – ich weiß momentan selbst nicht so recht, wie ich da rauskomme…
Gefällt Ihnen die Rolle des „Polit-Rebells“, als welcher Sie häufig bezeichnet werden?
Die Rolle, die ich momentan in der Partei habe, ist sehr kräftezehrend. Die kostet Energie und greift auch die Psyche an. Die Rolle des Polit-Rebells ist aber super. Damit erreiche ich die Öffentlichkeit, was generell wahnsinnig schwierig ist. Wir sind eine kleine Partei. Unsere Themen taugen den Leuten eigentlich, was uns Umfragen bestätigen. Was wir aber auch hören: ‚Ihr seid zu klein, zu utopisch, zu idealistisch, das geht doch gar nicht…‘ Wir sind nicht Die Grünen, wir haben was von der CSU, genauso von der SPD und der FDP und der Linken. Das Image eines Polit-Rebells ist doch super – ein Rebell versucht etwas zu verändern. Dass unsere Gesellschaft und das politische Kastensystem dringend Veränderung brauchen, ist eigentlich allen klar.
„Wir befinden uns in der merkel’schen Biedermeier-Zeit“
2018 sind die nächsten Landtagswahlen in Bayern, bei denen die CSU wieder eine absolute Mehrheit anpeilt – und sie vermutlich auch wieder bekommen wird. Und das, obwohl der Ruf nach Veränderung sehr laut ist. Finden Sie das Wählerverhalten nicht auch paradox? Einerseits wird geschimpft, andererseits wird die alte Ordnung aufrecht erhalten…
Vor allem bei Euch im Wald herinnen, gell. (lacht)
Wenn Sie das als Passauer so sehen, ja…
Es ist schon klar, dass der Bayerische Wald eine CSU-Bastion ist. Da müssen wir in die Geschichte schauen. Wir hatten König Ludwig II. – schade, dass wir kein Königreich mehr sind… (lacht). Es ist schon so: Wir sind stolz. Je komplexer die Welt wird, desto mehr fokussiert man sich auf eine starke Persönlichkeit. Das ist der Angela-Merkel-Effekt. Eigentlich verbockt sie einiges, führt uns in eine Finanzkrise. Jeder kriegt das mit und am Schluss wird sie doch wieder gewählt, weil man sagt: ‚Wenn’s jemand kann, dann doch sie.‘
Das hat was mit der eigenen Angst zu tun. Je komplexer und stärker die Globalisierung ist, desto schwieriger wird’s für neue Gruppen. Das macht es für uns schwierig. Darum stellt sich die Frage: Wie wird die Veränderung kommen? Brauchen wir wieder eine Revolution? Muss es uns erst so schlecht gehen, dass wir sagen: ‚Jetzt nicht mehr!‘? Ich glaube ja, es geht uns viel zu gut. Wir sind fast schon wieder in einer biedermeierschen Zeit. Ich nenn es immer die merkel’sche Biedermeier-Zeit. Die Merkel schläfert uns immer alle so ein mit Phrasen wie: ‚Deutschland steht in der Finanzkrise noch am besten da…‘ Es muss uns erst mal richtig schlecht gehen, dass wir anfangen, nachzudenken.
Glauben Sie, dass das zwangsweise vonnöten ist? Muss der Mensch eine Leidenszeit erleben, um zu erkennen, dass Änderungen unerlässlich sind?
Man merkt es in Frankreich und Großbritannien – da herrscht schon viel mehr Aufbruchstimmung. Da sind viel mehr Leute auf der Straße, weil es ihnen schlechter geht. Ich würde es mir wünschen, dass der Mensch von sich aus die Veränderung anstößt. Aber man kann ja bei sich persönlich anfangen. Wann verändere ich selbst was? Wenn ich in eine Schaffenskrise komme, wenn eine Partnerschaft auseinandergeht – sonst hänge ich vielleicht ganz lange etwas nach, was mich gar nicht glücklich macht, nur weil ich Angst vor der Veränderung hab. Das ist was Ur-Menschliches.
Um das zu verändern, bräuchte man ein komplett anderes Bildungssystem. Bildung ist der Schlüssel zur Veränderung. Der Mensch muss dazu erzogen werden, zu hinterfragen, zu reflektieren. Unser Bildungssystem macht das genaue Gegenteil. Es geht nur ums schnelle Fertigwerden. Man darf nicht nachdenken, was einem eigentlich gut tut. Darum sehe ich mit gemischten Gefühlen in die Zukunft. Wir müssen dringend aus dieser Ellenbogenmentalität, dem Immer-schneller-immer-weiter-immer-mehr herauskommen. Die große Hoffnung besteht durch das Internet – weil wir Probleme schneller realisieren, weil wir besser vernetzt sind. Da besteht großes Potenzial. Die Frage ist nur: Lernen die Menschen auch, mit diesem Potenzial umzugehen? Oder kommt eher George Orwells 1984, wo das alles benutzt wird, um die Menschen noch mehr zu unterdrücken, zu überwachen?
„Ich habe die Leute abstimmen lassen und war kein Diktator“
Was meinen Sie genau?
Es gibt noch eine andere Komponente: Die Überbevölkerung, die Ressourcenknappheit, der Raubbau an unserem Planten. Das wird uns irgendwann dazu bringen, dass sich nicht mehr die Frage stellen lässt: Wollen wir Veränderung? Sondern: Wir müssen uns dann verändern, weil wir sonst keine Lebensgrundlagen mehr haben. Da ist das Orwell-Szenario gar nicht so schlimm – vielmehr die Wasser- und Ressourcenknappheit und die Energiewende. Diese Faktoren zwingen uns eher zur Umkehr. Trotzdem schadet es uns nicht, jetzt anzufangen, hineinzustechen, den Finger in die Wunde zu legen. Darum bin ich auch gerne der Polit-Rebell.
Wie gehen Sie denn mit Kommentaren unter der Gürtellinie um, wenn Sie sich in der Öffentlichkeit bewegen? Gehen die vollkommen an Ihnen vorbei?
Auf der Straße bekomme ich hauptsächlich positive Kommentare zu hören. Ins Internet darf ich aber nicht schauen… Da herrscht Anonymität und es wird mal schnell was getippt. Ich habe ein dickes Fell und kann herausfiltern, was ich ernst nehmen muss – und was nicht. Ich kann auch über viele Morddrohungen hinwegsehen. Ich versuche sogar, jedem freundlich zu antworten: ‚Überlege mal, wie Du in den Wald hineingerufen hast. Soll ich jetzt so zurückschallen – oder wie soll ich mit Dir umgehen? Mach selber ein Volksbegehren, wenn Dir was nicht passt.‘ Ich habe die Leute über den Nichtraucher-Schutz abstimmen lassen, war kein Diktator. Das versuche ich ihnen klarzumachen.
Teilweise nehme ich die Morddrohungen aber auch ernst. Ich wurde von der Polizei geschult. Wenn sich etwa jemand Mühe macht und eine Fotocollage anfertigt, dabei meinen Kopf auf Terrorleichen montiert und dazuschreibt ‚Wer tut es ihm endlich an?‘ und meine Adresse darunterschreibt und im Internet veröffentlicht… Das ist eine sehr gefährliche Stufe. Da kann sich einer richtig reinsteigern. Gefährlich ist auch der, dem es richtig schlecht geht und der mir die Schuld daran gibt. Darum habe ich immer mein Pfefferspray dabei und schau drauf, wer hinter mir geht. Ich habe auch eine Alarmanlage daheim einbauen lassen…
(nachdenklicher) Ich war mal richtig down… Wenn der Schutzfilter weg ist – wenn die innerparteilichen Angriffe wirklich unfair geworden sind, wenn ich nur noch als Sündenbock abgestempelt wurde, habe ich gemerkt, dass ich das nicht mehr verkrafte. Wenn Dir die eigenen Leute das Wort umdrehen, das tut weh. Ich bin auch seit Jahren regelmäßig in Therapie. Jetzt geht es mir wieder einigermaßen gut…
Gab es schon eigentlich schon mal körperliche Übergriffe ihnen gegenüber?
Einmal habe ich in München meine Füße gebraucht. Aber ich bin schnell… (lacht)
„Ich bin so eine richtig biedere Spaßbremse“
Wenn Sie auf das Rauchverbot-Volksbegehren zurückblicken – war’s das alles wert?
Freilich. Es hatte ja keiner damit gerechnet, dass es derartige Angriffe geben würde. Es war ein Volksbegehren, bei dem die Leute selbst etwas entscheiden durften – wir haben nichts bestimmt. Es war auch nie geplant, dass ich Kopf der Kampagne werde, obwohl ich der Organisator war. Das hat sich so ergeben. Ich wurde zum Kopf, weil ich alle Medienauftritte wahrgenommen habe – damals hatte kein anderer Zeit. Im Nachhinein ist es schwierig zu sagen, was man hätte anders machen können…
Ich war damals kein Experte, sondern relativ unbedarft. Die Kampagne würde ich wiedermachen. Das Nichtrauchen ist der positive Effekt – das empfinden die meisten so, weil auch immer weniger Leute rauchen. Die, die lästern, tun es, um den ganzen Weltfrust loszuwerden. Dafür bin ich ein super Kanalisierungsobjekt. Wir sind in einem Zug mit Stuttgart 21 und dem Hamburger Bürgerbegehren genannt worden – das war alles 2010. Die Leute glaubten wieder dran, etwas verändern zu können. Dieser Schub hat der Demokratie-Idee sehr gut getan. Und ich würd es immer wieder machen – allein deswegen, dass die Herzinfarktrate sinkt. Dass der Mensch an sich glaubt – das ist der größte Erfolg, den kaum jemand sieht.
Haben Sie selbst schon mal geraucht?
Noch nie (lacht). Ich hab noch nie eine Zigarette in der Hand gehalten. Ich hab auch noch nie einen Schluck Alkohol getrunken. Ich bin so eine richtig biedere Spaßbremse.
Ihre offizielle Berufsbezeichnung ist Schauspieler, richtig?
Hm, was sind Berufsbezeichnungen… Die meisten Politiker würden sich als selbstständiger Unternehmer bezeichnen. Ich mache Kostümtheater-Stadtführungen, ich bin Notfallseelsorger, ich spiele in Musicals – ich verwirkliche mich mit meinen Interessen selbst und versuche, davon leben zu können. Ich bin aber kein klassischer Politiker, weil ich immer versucht habe, nebenbei was zu machen und nicht abhängig von der Politik zu sein. Die beiden letzten Jahre wurde ich komplett von der Partei finanziert. Von einem Tag auf den anderen den Job zu verlieren, ist hart. Ich habe momentan ein total mulmiges Gefühl und schlafe nicht besonders gut. Trotzdem weiß ich, ich habe mich immer auf mich verlassen können. Ich freue mich, wieder kreativ, spirituell zu sein.
„Die Leute suchen ehrliche, authentische Menschen“
Wie sehr sind Sie im wahren Leben eigentlich Schauspieler?
Wenn ich Stadtführungen mache, bin ich Schauspieler pur. Wenn ich Jugendgruppen leite, bin ich Entertainer und Schauspieler. Mich haben schon viele Leute gefragt, wann ich wirklich mal echt bin. Meine Antwort: Mich kennen nur die wenigsten. Wenn ich unter Leuten bin, trage ich immer eine Maske. Man passt sich den Menschen an. Wenn ich in der Politik einen Vortrag halte, versuche ich, in mich zu gehen, mich zu erden. Je ehrlicher und authentischer ich bin, umso besser wird ein Vortrag. Das versuche ich auch im Umgang mit den Medien. Ich habe keine Probleme, über alles Mögliche zu reden. Ich überlege nicht bei jedem Satz berechnend, was ich sage, um zum Beispiel an Wählerstimmen zu kommen. Das wirft man mir in der Partei aber vor… Doch dazu stehe ich. Das setze ich teils sogar ganz bewusst ein. Das führt uns nicht unbedingt zum schnellen Erfolg – aber zu einem langfristigen. Erst einmal verprelle ich Mitglieder – aber die Leute draußen suchen ehrliche, authentische Menschen.
Wann bin ich wirklich ich? Wenn ich daheim bin, in meinen vier Wänden. Wenn ich beim Wandern bin. Eine super Erdung ist es auch, wenn ich durch die Natur fahre. Ich arbeite viel in Linz – die Fahrt von Passau nach Linz durchs Donautal ist ein Traum. Auch die Fahrt nach Freyung ist fantastisch. Da bin ich ich. Aber ganz ehrlich: Ich bin immer ich. Das andere gehört ja auch zu mir. Das Spaßig-Schauspielerische gehört zu mir, genauso wie der ernsthafte Notfallseelsorger. Ich habe halt unterschiedliche Facetten. Darum ist es wahnsinnig schwierig, den kompletten Sebastian Frankenberger kennenzulernen. Darum tun sich Freunde sehr schwer mit mir. Darum hab ich nicht wirklich viele Freunde.
„Freunde habe ich eigentlich keine“
Wer kennt Sie denn als Sebastian Frankenberger tatsächlich?
(überlegt) Meine Mutter. Sie kriegt alles mit, sie verfolgt alles. Und meine Partnerin. Wobei ich darüber nicht groß reden möchte. Mein Privatleben halte ich aus der Öffentlichkeit raus. Freunde habe ich eigentlich keine. Früher hatte ich welche – bis zum Nichtraucherschutz-Volksbegehren. Hm. Was ist der Anspruch an einen wirklichen Freund? Ein wirklicher Freund steht für mich kurz vor einer Partnerschaft. Da fehlt das Sexuelle – aber man kann sich über alles austauschen. Ein idealer Partner vereint das alles.
Ok, vielleicht habe ich eine einzige Person, von der ich behaupten würde, dass ich enger mit ihr bin. Das ist die Babsi Dorsch. 2006 haben wir uns bei einem Projekt kennengelernt. Mit ihr bin ich enger, weil sie wie ich ist. Sie ist eine Künstlerin, sie hat ihre Hochs und Tiefs. Wir nehmen uns so an, wie wir sind. Weil ich so geprägt bin, tu ich mich mit Künstlern leichter. Die höchste Stufe ist ja der Eremit, der sich von Freundschaften losgesagt hat, weil er eigentlich nur noch sich selbst braucht. Ich bin ständig unter Leuten und darum so froh, wenn ich mal allein bin und Zeit für mich habe. Darum schätze ich manchmal das eremitische Dasein sehr…
Was für einen Sebastian Frankenberger erleben wir gerade?
Kunterbunt – alles gemischt. Da ist der Nachdenkliche dabei, dann der Aufgedrehte, der Politiker, der schon auch ein bisschen strategisch überlegt – und der, der so ist, wie er ist.
„Ich habe meinen eigenen, jesuanischen Glauben“
Ein weiteres großes Thema: Kirche. Sie wollten einst Pastoralreferent werden – wegen innerkirchlichen Auseinandersetzungen scheiterten diese Pläne. Was war da los?
Das war 2003. Damals habe ich ein Theologiestudium begonnen. 2005 war die Unternehmensberatung McKinsey im Bistum Passau, die geprüft hat, wo Einsparungen möglich sind. Das Ergebnis: Pastoralreferenten werden nicht mehr angestellt. Meine Studienkollegen hatten den Job eigentlich schon – dann wurde ihnen mitgeteilt, dass nun doch nichts daraus wird. Man bot ihnen an, sie sollten sich zum Priester weihen lassen. Ansonsten: Kein Bedarf. Man hat sie von einem Tag auf den anderen fallen gelassen. Ich habe mitgekriegt, wie die Kirche mit ihren Leuten umgeht… Man hat uns den Mund verboten, gesagt, wir dürften nicht mit der Presse reden.
Gerade die Kirche muss mit Kritik umgehen können. Das war auch die Zeit unter Bischof Wilhelm Schraml, in der ich mich mit der Exegese beschäftigt habe, also damit, wie man die Bibel interpretieren kann. Da habe ich gemerkt: Was predigen wir denn da eigentlich? Ist es noch das, was Jesus vorgelebt hat? Ich bin ein sehr spiritueller Mensch – aber ich habe meinen eigenen, sehr jesuanischen Glauben. Ich finde die katholische Kirche wahnsinnig faszinierend, was die mystischen Rituale angeht. Aber als meinen Arbeitgeber möchte ich sie nicht haben.
Jetzt gibt’s einen neuen Bischof in Passau. Wie finden Sie den?
Ich habe ihn bei einer Romfahrt kennengelernt. Seine Predigt beim Abschlussgottesdienst hat mich fasziniert. Er hat die Jugendlichen hervorragend angesprochen. Er hatte eine Botschaft: Wir sollen an uns glauben – Jesus glaubt auch an jeden von uns. Das fand ich gut – zu sagen: ‚Ihr müsst nicht an Gott, sondern an Euch selbst glauben.‘ Manch andere Aussagen von ihm… hm… von der Einstellung her ist er sehr konservativ: Wiederverheiratung, Familien- und Gesellschaftsbild… Das muss man ihm aber nicht vorwerfen. Das ist die Meinung der Kirche, in der er aufgewachsen ist.
Papst Franziskus finde ich spannend – er sagt: ‚Lasst uns darüber diskutieren.‘ Ich bin ein absoluter Fan von ihm. Ich finde, Stefan Oster muss an seinen Taten gemessen werden. Er ist charismatisch, er geht auf die Menschen zu, jetzt ist die Stimmung erlöst und locker. Das kann viel Raum für Veränderung schaffen. Bisher bin ich von ihm begeistert. Ich habe auch schon um einen Termin angefragt. Noch habe ich keine Antwort bekommen – er ist eben momentan extrem eingespannt. Ich würde gerne wieder die Nacht der offenen Kirchen in Passau organisieren.
Sie glauben, dass Herr Oster Sie trotz der Pharisäer-Kritik mit offenen Armen empfangen wird?
Das werden wir sehen… Zur Pharisäer-Geschichte: Ich hatte nichts gegen die Person Schraml. Leute haben mir über seine Kindheit erzählt. Er hatte es nicht leicht und ich kann jetzt nachvollziehen, warum er so geworden ist. Eigentlich hatte er eine sehr traurige Funktion als Bischof. Trotzdem sage ich: Man muss an den Taten gemessen werden. Wie mit Menschen umgegangen wird – das ist das Zentrale, was uns die katholische Kirche vorleben sollte.
„Schade, dass Olaf Heinrich nicht mehr bei uns ist“
Eine letzte Politikfrage: Freyungs Bürgermeister und Niederbayerns Bezirkstagspräsident Olaf Heinrich war ja auch mal bei der ÖDP…
Wir haben uns super gekannt, ja. Er war auch mal stellvertretender Geschäftsführer.
Jetzt ist er bei der CSU.
Das finde ich spannend. Ich war im Landesvorstand, als er gegangen ist. In der ÖDP haben viele ein Problem mit ihm. Er hatte ähnliche Probleme wie ich – hat auf ähnliche Missstände hingewiesen. Mit ihm ist man ähnlich umgegangen wie mit mir jetzt. Drum kann ich ihn verstehen, dass er gegangen ist. Er wollte was bewegen und verändern. Ich finde es saustark, was er bei der CSU in Freyung macht – auch wenn wir uns alle gefragt haben, wie er nur zur CSU gehen konnte… Das ist ÖDP-Politik, was er macht. Ich habe immer noch große Probleme mit CSU-Ansichten – grad diese Verflechtungen mit Wirtschaftskonzernen.
Aber über Olaf lasse ich nichts kommen. Ihm halte ich auch in der ÖDP die Stange. Ich finde ihn sehr ehrlich, sehr offen – schade, dass er nicht mehr bei uns ist. Das einzige, was schwierig war: Er ist gegangen und hat sein Bezirkstagsmandat mitgenommen – obwohl er auf die ÖDP-Liste gewählt war. Sauberer wäre es gewesen, hätte er es an die ÖDP zurückgegeben. Auch wenn das immer eine Persönlichkeitswahl ist. Das dürfte ich alles nicht erzählen, das sind Internas… Trotzdem sage ich: Olaf, geh Deinen Weg, verändere die CSU, Respekt vor dem, was Du machst – weiter so!
Wo endet der Weg von Olaf Heinrich?
Olaf weiß, wo er hin will. Ich könnte mir vorstellen, dass er auch für höhere Ämter geeignet wäre und würde mir das auch wünschen. Und am besten wäre es, würde er als Ministerpräsident zur ÖDP zurückkommen (lacht).
Vielen Dank für Ihre Zeit und das offene Gespräch, Herr Frankenberger.
Interview: Stephan Hörhammer und Helmut Weigerstorfer
Wieder wird es bestätigt: Politik bleibt ein schmutziges Geschäft.
Ich habe die ÖDP mal für eine ethische Partei gehalten und deshalb habe ich mich auch 25 Jahre lang für sie engagiert.Aber seitdem die miesen Typen aus dem bayerischen Landesvorstand Sebastian weggemobbt haben, sehe ich das anders.
Der Sebastian ist die einzige Person mit Charisma in dieser allzu biederen Öden Partei, einfach eine Lichtgestalt. So schafft sich die ÖDP aber längerfristig garantiert ab. Es kann aber auch sein, daß undercover agents ihn bewußt abgeschossen haben. Schade, er hat so viel erreicht, leider nicht genügend Wählerstimmen für politische Ämter.
ich fass es immer noch nicht: Wie kann man einen so guten Mann einfach gehen lassen, das ist irrsinnig. Adieu ÖDP!
Auch ich als ÖDP Mitglied, bin sehr enttäuscht, dass Herr Frankenberger nicht mehr dabei ist. Er hatte sich nicht gescheut, auch Themen anzugehen, die nicht alle Menschen gut fanden. Erst waren viele z.B. gegen die Raucherinitiative, heute sind sie alle froh darüber, dass dieses Übel sich gewandelt hat! Wie schön, wenn eine Partei auch solche Alltagsdinge anpackt.