Und los geht die wilde Fahrt! Mit 15 Kilogramm Ausrüstung in meinem Backpack (zu deutsch: Rucksack) und einer gehörigen Portion Vorfreude war am 23. Oktober 2014 München das erste Ziel. Dort wollte ich erstmal bei einer Freundin unterkommen, bevor mich der Flieger nach London bringen sollte. Bis zur Autobahnauffahrt nach Aicha nahm mich noch ein Freund mit, von da aus sollte die Reise per Daumen weiter gehen. Hätte, wäre, wenn… Bei Wind, Kälte und reichlich Regen war von meinem Anhalter-Pappschildchen bald nur noch ein schwer leserliches „ÜNCHE“ übrig. Leicht entmutigt, aber vor allem stark durchnässt, entschied ich mich – nach eineinhalb Stunden Wartezeit – mit dem Bus nach Vilshofen zu fahren und von dort aus mit dem Zug nach München. Deutlich trockener und angenehmer, aber auch teurer und definitiv nicht Teil meines Plans.
Nach der Ankunft habe ich erstmal in der universitätsnahen Türkenstraße in München Quartier bezogen, bevor ich am darauffolgenden Tag per Flieger gemeinsam mit drei Freunden für vier Tage nach London reiste. Die englische Landeshauptstadt wusste mit schmucken Backsteinhäusern, farbigen Haustüren und typisch britischen Pubs zu überzeugen. Der letzte Abend in der gemütlichen, hauseigenen Hostelbar bei Kerzenschein, einem kühlen Guinness, einem „saubern Schofkopf“ , während Jazzmusik aus der Jukebox dröhnte, wird mir wohl ewig in Erinnerung bleiben. Nach dem kleinen London-Abstecher fühlte sich München an wie ein Dorf. Zurück am Flughafen in Erding galt es dann noch „Servus“ zu meinen Freunden zu sagen, denn von nun an setzte ich meine Tour alleine fort.
Vor lauter Bierschwärmerei bemerkten wir es leider zu spät…
Und zwar in Richtung Heidenheim in Baden-Württemberg. Nach nur 20 Minuten Wartezeit an der Autobahnauffahrt bekam ich eine Mitfahrgelegenheit bis kurz vor’s Kreuz Ulm das größte Stück war also schon geschafft. Der Typ hätte mich auch bis Saarbrücken mitgenommen, blöderweise stand diese Stadt aber erst in zwei Wochen auf meinem Plan. Zuvor wollte ich noch Freunde und alte Bekannte aus meiner Neuseelandzeit in Heidenheim, Stuttgart und Münster besuchen. Also war für mich auf einem Rastplatz kurz vor Ulm Endstation. Der nächste „Lift“ ließ nicht lange auf sich warten. Ein belgisches Pärchen, super nett und witzig. Zum Thema bayerisches Bier meinten Sie nur „It’s like an angel pisses in your mouth“ – naja, danke, dieses Bild werde ich wohl noch länger im Kopf haben. Vor lauter Bierschwärmerei bemerkten wir leider erst zu spät, dass die beiden nicht Richtung Norden fuhren, sondern sich immer weiter Richtung Stuttgart bewegten – ein Rastplatz war für mich wieder Endstation.
Der Riesenteddy war eingekleidet und sogar angeschnallt
Kurz darauf sprach mich eine Französin an, sie war unterwegs nach Berlin und suchte offensichtlich nach Gesellschaft – anders kann ich mir den voll eingekleideten und sogar angeschnallten Riesenteddy als Beifahrer nicht erklären. Doch auch mit ihr bin ich letztlich nicht nach Heidenheim gekommen… Für etwa eine Stunde lang hielten Autos im Fünf-Minuten-Takt an, doch keiner fuhr in meine Richtung. Und dann kamen plötzlich wieder dieser Teddybär und seine Chauffeurin. Die französische Kuscheltierliebhaberin hatte also eine Stunde daran gesetzt, ihre komplette Route umzuplanen, nur um mich in Heidenheim abliefern zu können. Während der Fahrt fand ich heraus, dass sie auch schonmal eine Zeit lang Australien und Neuseeland bereist hat und in Grenoble wohnt. Nachdem wir einige Gemeinsamkeiten einer meiner Bekanntschaften abgecheckt hatten, konnten wir es kaum glauben, dass wir tatsächlich beide die gleiche Person kennen. Die Welt ist wirklich klein!
Überdimensionaler Rucksack: Pfadfinder? Naja – fast!
In Heidenheim erlebte ich einen wahren „Kulturschock“. Eigentlich doch noch fast im Bayernlande gelegen, wird hier „Weizenbier“ in Plastikbechern serviert, Semmelknödel heißen hier „Brötchenpuzzle“ und ganz allgemein hatte ich hier so meine Problemchen mit der „Sprachbarriere“. Weiter ging’s nach ein paar richtig unterhaltsamen Tagen nach Stuttgart. Mitgenommen wurde ich nach nur ein paar Minuten von einem älteren osmanischen Herren auf dem Weg ins Türkische Konsulat nach Stuttgart. Als ich meinen zugegeben etwas überdimensionalen Rucksack in der U-Bahn absetzte, guckte mich einer der vielen Grundschüler mit großen Augen an und fragte sichtlich etwas verwirrt: „Pfadfinder?“ Naja – fast! Nächstes Ziel: Münster. Vom Stuttgarter Flughafen aus gabelte mich ein Polizist auf, der nach Schichtende nach Pforzheim in den Feierabend fuhr. Für mich aber noch lange nicht Feierabend, sondern der Start eines richtig aufregenden Tages.
Ein Schwabe über mich: „Des isch a dodal Kabudda“
Nach einer etwas längeren Wartezeit in Pforzheim kam auch schon der nächste „Freund und Helfer“. Diesesmal ein SEK-ler, der mir interessante Einblicke in sein Berufsleben gab. Die Strecke nach Frankfurt verging wie im Flug. Dort hielt nach nur kurzer Zeit ein jüngerer Kerl an. Leider zerdepperte ich beim Türöffnen gleich mal eine Glasflasche. Das tat seiner guten Stimmung aber keinen Abbruch und wir hatten richtig gute Gespräche. In der Nähe von Gießen war ich gerade dabei, mir ein neues Pappschildchen zu basteln, da tauchte neben mir ein grauhaariger Herr auf und meinte mit großem Grinsen: „Bevorscht jetsch da lang a schildle malscht, steigscht lieba geich ein.“ In seinem Wohnmobil nahm er mich mit nach Münster. Zum Abschied gab’s noch Brotzeit und als seine Frau per Handy wissen wollte, wo er denn so lange bleibe, meinte er nur: „Ja, i bin da grad min Hannes, der trampt nach Münster und dann nach Saarbrücken, dann nach Grenoble und dann gehta nach Uganda, des isch a dodal Kabudda.“
Nach langer Odysee endlich in Lyon – jetzt geht’s nach Uganda
Als ich aus dem Wohnwagen ausstieg und Richtung Innenstadt marschierte, wurde mir erst bewusst, was eigentlich gerade vor sich ging. Genau das sind die Momente, warum ich so gerne reise. Momente, in denen du alles andere um dich herum einfach vergisst, in denen du dein Glück kaum fassen kannst und deine Mundwinkel im Schatten deiner Ohrläppchen liegen. Für’s Erste lass ich’s hiermit jetzt mal gut sein. Aktuell befinde ich mich nach langer Odyssee endlich in Lyon und auch der Weg hierhin war nicht minder aufregend. Den Bericht hierzu gibt’s demnächst…
Schöne Grüße aus Frankreich!
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Johannes Gress aus Röhrnbach möchte an einer Schule für Waisen und sozial benachteiligte Kinder in Uganda rund drei Monate die dortigen Lehrer unterstützen. Um dorthin zu kommen, hat er nicht den herkömmlichen Weg per Flugzeug gewählt. Nein – der 21-Jährige versucht per Anhalter nach Afrika zu kommen. Von seiner Reise und seiner Zeit in Ostafrika berichtet er auf hogn.de.
(1) Ist das Materielle Voraussetzung für ein glückliches Leben? Johannes Gress’ Reise nach Uganda
–> (3) Uganda calling, oder: Johannes Gress kurz vor seinem großen Ziel
–> (4) Anderes Land, anderer Kontinent, anderer Planet – Johannes Gress’ erste Tage in Uganda
–> (5) Der gesunde Mix aus Planlosigkeit, Gleichgültigkeit und Chaos – der Alltag in Uganda
–> (6) Alltag in Ostafrika: Uganda – das Land der unnormalen Normalität
–> (7) Kinder mit trockenen Lippen und leerem Blick – die andere Seite Ugandas
–> (8) Unterhaltung á la Uganda: “You whites, you got the watches, but we Ugandans, we got the time”
–> (9) Johannes Gress: “Manchmal macht mich dieses Land einfach unglaublich wütend”
–> (10) Soll Afrika mal so aussehen wie Europa? Ist das das Ziel für alle Entwicklungsländer?
–> (11) Johannes Gress und sein ganz persönliches Osterwunder in Uganda