Freyung. Schulden, Schließung, schlechte medizinische Versorgung – immer wieder sorgen die Kliniken Am Goldenen Steig für Negativ-Schlagzeilen. Brauchen wir wirklich drei Krankenhäuser im Landkreis? Reicht die Qualität des vorhandenen Personals? Hat der frühere Geschäftsführer Wolfgang Hamerlak Schuld an der ganzen Misere? Diese Fragen rund um die Kliniken gGmbH geistern (immer wieder) durch den Landkreis Freyung-Grafenau. Die Hog’n-Redakteure Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer haben sich mit dem aktuellen Geschäftsführer Helmut Denk (55) getroffen und ihn nach möglichen Antworten befragt. Ein Interview über die Vergangenheit, über das kränkelnde Gesundheitssystem und über den wirtschaftlichen Druck eines Krankenhauses…
Herr Denk, seit August 2011 sind Sie Geschäftsführer der Kliniken Am Goldenen Steig. Blicken Sie bitte noch einmal auf diese Zeit zurück.
Damals hat es einen auch für mich sehr überraschenden Rückzug von Wolfgang Hamerlak gegeben. Interimsmäßig ist mir dann seine Aufgabe bis zum Jahresende übertragen worden. Bei der folgenden Ausschreibungsrunde wurde entschieden, dass ich auch weiterhin dieses Amt bekleiden soll. Und mittlerweile bin ich schon drei Jahre Geschäftsführer der Kliniken Am Goldenen Steig.
Ihr Vorgänger Wolfgang Hamerlak ist aus gesundheitlichen Gründen zurückgetreten?
So kann man es sagen. Ich war damals so überrascht, dass ich meinen bereits gebuchten Urlaub am Neusiedler See wieder absagen musste (lacht).
„Versäumnis ist in dieser Hinsicht ein provokanter Begriff“
Und Sie hatten gleich ordentlich zu tun?
Ja, weil sich ja doch einiges angestaut hatte – vor allem hinsichtlich der bekannten Altlasten-Bearbeitung.
Viele verbinden diese Schulden mit der Amtszeit von Wolfgang Hamerlak. Sind die damaligen Versäumnisse mittlerweile komplett beseitigt?
Versäumnis ist in dieser Hinsicht ein sehr provokanter Begriff. Herr Hamerlak hat es einfach immer verstanden, sich gut zu verkaufen. Dadurch ist dem ein oder anderen nicht so richtig deutlich geworden, welches Geld wo ausgegeben worden ist.
Zum Beispiel?
…das Investitionspaket rund um das Freyunger Krankenhaus. 2009 wurde dieses Projekt mit einem Volumen von 24 Millionen Euro im Kreistag vorgestellt, damals war von einer Förderung in Höhe von 12,3 Millionen Euro die Rede. Dem Kreistag ist nicht so richtig bewusst geworden, dass ein Delta von 12 Millionen Euro entsteht. Im Gesamtpaket hat Freyung eine relativ schwache Förderung bekommen. Es wäre ratsamer gewesen, das Ganze in einzelne Abschnitte zu unterteilen. Und genau das holt uns nun ein – die Fördermittel neigen sich dem Ende zu, trotzdem müssen aber die Bauarbeiten abgeschlossen werden.
Wie kann man dem entgegenwirken?
Wir haben erst kürzlich einen nachträglichen Förderantrag für die Intensiv- und die Geburtshilfestation nachgereicht. Nach den neuen Hygienevorschriften müssen diese Bereiche nämlich komplett umgeplant werden, verbunden freilich mit höheren Baukosten. Wir hoffen deshalb, dass wir an neue Mittel kommen.
Trotzdem bleiben die hohen Baukosten am Standort Freyung?
Ja, nach der so genannten Indexfortschreibung muss der Landkreis rund 11 Millionen Euro aufbringen. Das ist ja auch das große Thema, das im Kreistag immer wieder diskutiert wird. Landrat Sebastian Gruber hat das schon richtig gesagt: Es hilft nicht viel, diese Investitionen immer wieder zu schieben. Um das Ganze vielleicht ein bisschen zu entzerren, können wir die Intensivstation und die Station 1 sicher etwas hinten anstellen. Gleichzeitig steigen aber wiederum die Baukosten. Man rechnet also mit Mehrkosten von rund 50.000 Euro, die der Landkreis übernehmen muss.
„Man kann ihm höchstens in Sachen Transparenz Vorwürfe machen“
Eine Erbschaft von Wolfgang Hamerlak.
So ungefähr. Zum Beispiel bekommen wir in Grafenau eine Förderung von 78 Prozent, und da muss man halt dann nur 2 von insgesamt 10 Millionen Euro zahlen. Im Nachhinein ist man zwar immer schlauer, dennoch hätte man schon damals überlegen müssen, ob man bei einer so geringen Förderung wie im Fall Freyung noch ein bisschen mit dem Umbau wartet.
Man hört raus: Damals ist das alles nicht so klar kommuniziert worden.
Genau. Es ist nicht in der Deutlichkeit rübergekommen, wie es nötig gewesen wäre. Vielleicht hat man Sorge gehabt, dass dann die Bauphase nicht gestartet worden wäre. Ich weiß es nicht. Klar ist aber auch: Die Beschlüsse des Kreistages sind da, und auch damals sind schon alle Zahlen dringestanden.
Sie schieben also ihrem Vorgänger nicht – wie es in der Bevölkerung oft der Fall ist – den Schwarzen Peter zu?
Ich bitte um Verständnis, dass ich das auch nicht machen würde – das ist nicht mein Stil. Letztendlich kann sich jeder seine Schlussfolgerungen aus dieser Sache selber ziehen. Man kann ihm höchstens in Sachen Transparenz Vorwürfe machen. Er hätte es deutlicher kommunizieren müssen, was auf den Landkreis zukommt.
Gut für die Krankenhäuser, schlecht für die Landkreis-Kasse – denn die Gebäude stehen nun in hervorragendem Zustand da.
Das stimmt schon. Aber: Hätte man den Umbau in einzelne Abschnitte unterteilt, hätte man vielleicht ein bisschen länger gebraucht, um an Fördermittel zu kommen, die Renovierung wäre aber trotzdem umgesetzt worden. Generell kann man darauf stolz sein, in welch hervorragendem Zustand unsere drei Häuser sind.
„Das Krankenhaus, das am weitesten weg ist, ist das Beste“
Das heißt, unsere Krankenhäuser sind modern, und haben die nötige Ausstattung – oder?
Dem Standard der Grundversorgung entsprechen sie auf alle Fälle – wir sind sehr, sehr gut aufgestellt. Die Maßnahmen, die wir im Rahmen der Umstrukturierungen derzeit durchführen, heben die Kliniken auf ein absolut gutes Niveau. Der Hybrid-OP-Saal in Freyung zum Beispiel ist einer der modernsten seiner Art in Niederbayern. Auch das Katheter-Labor in Grafenau kann an dieser Stelle aufgezählt werden.
Wie ist es um die fachliche Qualität bestellt? Immer wieder stehen die Kliniken am Goldenen Steig in dieser Hinsicht in der Kritik.
Das Krankenhaus, das am weitesten weg ist, ist das Beste – so ist es doch schon immer. Denn von dort bekommt man das wenigste mit (lacht). Und es ist ja auch so, dass sich schlechte Nachrichten schneller verbreiten als gute. Bei durchschnittlich 16.000 Patientenbehandlungen läuft es bei zehn vielleicht nicht so optimal – ein verschwindend geringer Wert.
Anders gesagt: Sie sind mit Ihren Ärzten und Pflegern sehr zufrieden.
Absolut. Wir sind sehr gut aufgestellt. Erst kürzlich hatte ich ein Gespräch mit zwei jungen Kardiologen, die bald in Grafenau angestellt sein werden. Da sind wir für die Zukunft bestens aufgestellt.
Auch Krankenhäuser sind ein Wirtschaftsunternehmen. Bleibt dabei die menschliche Note auf der Strecke?
Es wird sicherlich immer schwieriger. Man darf nicht schönreden, dass ein gewisser wirtschaftlicher Druck da ist. Unsere Belegschaft – quer durch alle Berufsschichten – bemüht sich aber um einen vernünftigen Umgang. Die Zeit, die die Patienten gerne hätten – dem wird nur schwierig nachzukommen sein.
Ein Problem, dass es in allen Kliniken gibt.
Ja. Wir werden demnächst Teil bei der Klinik Kompetenz Bayern. Und 80 Prozent der dann 55 Mitglieder schreiben rote Zahlen. Die Defizite sind kein regionales Problem, sondern ein generelles Problem der Grundversorgung.
„In das System muss von oben mehr Geld gesteckt werden“
Gibt es eine Möglichkeit, dass die Wirtschaftlichkeit nicht mehr im Vordergrund steht?
Wir Krankenhausträger können hieran leider wenig ändern. Die Rahmenbedingungen im Gesundheitswesen werden überwiegend auf Bundesebene festgelegt. Wir müssen versuchen, diese Vorgaben bestmöglich umzusetzen. Ein Beispiel: Auf der einen Seite steigen die Personalkosten, auf der anderen Seite wird dieser Mehraufwand aber nicht durch die Einnahmen gedeckt. Ich würde mir wünschen, dass dann seitens der Verantwortlichen auch das nötige Geld zur Verfügung gestellt wird.
Wo gibt es noch Stellschrauben, an denen man drehen kann?
Wir sind ja schon länger dabei, in den drei Häusern mögliche Dopplungen aufzulösen. Dann aber gibt es wieder Zwischenrufe aus der Bevölkerung, die befürchten, dass die medizinische Versorgung nicht aufrecht erhalten werden kann. Man darf auch den demographischen Wandel nicht vergessen – es wird künftig mehr alte Menschen geben, die ein Krankenhaus brauchen. Und deshalb muss in das System von oben mehr Geld gesteckt werden.
Die meistgestellteste Frage in diesem Zusammenhang: Kann sich der Landkreis Freyung-Grafenau drei Krankenhäuser leisten?
(lacht) Auf das habe ich gewartet. Eine Antwort auf diese Frage war das Strukturkonzept 2015, in dessen Rahmen die einzelnen Häuser Spezialisierungen erhalten – Freyung wird das zentrale Haus der Chirurgie, Schwerpunkt von Grafenau ist die Innere Medizin und auch Waldkirchen beschäftigt sich mit diesem Thema, außerdem noch mit planbaren OPs im Bereich der Orthopädie und der Unfallchirurgie. Das ist die einzige Möglichkeit, die drei Standorte zu erhalten. Wird diese Zielvorgabe des Landkreises eine andere, muss aber gleichzeitig dafür gesorgt werden, dass die Kapazitäten gleich bleiben.
Wie werden die Zahlen der Kliniken gGmbH denn überprüft?
Erst kürzlich hat der Landkreis den Haushalt-Konsolidierungs-Beschluss verabschiedet, in Rahmen dessen auch die Wirtschaftlichkeit der Krankenhäuser überprüft wird. Demnächst werden Leute vom Kommunalen Prüfungsverband zu uns kommen und unsere Finanzen durchchecken. Grundsätzlich bin ich dem gegenüber positiv eingestellt.
„Es ist Aufgabe eines jeden Unternehmens, Benchmark zu betreiben“
Finden diese Prüfer denn wirtschaftliche Mängel?
Das wird man dann sehen. Nein, im Ernst: Wir wären froh, wenn uns diese Leute noch Einsparpotenzial aufzeigen würden, denn unserer Meinung nach gibt es das nicht mehr. Man darf nicht vergessen: Eine der Grundaufgaben des Landkreises ist die medizinische Versorgung der Bevölkerung – und diese muss aufrecht erhalten werden.
Es bleiben die andauernden Berichte über die roten Zahlen, schlechte Nachrichten also. Ist eine schwarze Null möglich?
Das Ziel eines jeden Wirtschaftsunternehmens ist eine schwarze Null, keine Frage. Man muss sich allgemein die Frage stellen: Ist es mit den zur Verfügung gestellten Mitteln überhaupt noch möglich, die Grundversorgung zu sichern?
Hand aufs Herz: Ist es angesichts dieser Tatsachen ab und zu der Fall, dass von der Geschäftsführung die Anweisung kommt, mehr zu operieren – immerhin bringt das das meiste Geld?
Es ist Aufgabe eines jeden Unternehmens, Benchmark zu betreiben. Man schaut schon, was andere Kliniken machen. Es gibt ziemlich genaue Statistiken, die zeigen, wie viele OPs für wie viele Menschen angedacht sind. Dass man da mal nachschaut, ob man schlechter oder bessere als andere Krankenhäuser dasteht, ist selbstverständlich. Jetzt aber auf Kommando mehr Patienten zu operieren, ist nicht möglich – gerade in unserer Region. Der Waidler ist da sehr misstrauisch, er hinterfragt sämtliche Diagnosen.
Trägt der wirtschaftliche Druck auch zum generell eher schlechten Image von Krankenhäusern bei?
Ja. In der Presse liest man oft dementsprechende Artikel. Ich muss schon zugeben, da hat man oft einen sehr schlechten Stand innerhalb der Bevölkerung.
Abschließende Frage: Wie sehr belasten diese – fast nur negativ behafteten – Themen, die Sie seit drei Jahren begleiten, Sie persönlich?
Abwechselnd. Meistens macht es richtig Spaß, denn auf viele Fragen hat man schon Antworten gefunden. Auch habe ich das Gefühl, dass es in die richtige Richtung läuft. Manchmal ist es aber auch sehr anstrengend (lacht).
Vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Helmut Weigerstorfer und Stephan Hörhammer
Drei Krankenhäuser für so einen kleinen Landkreis sind eigentlich 2 zuviel. bevor wir dieses Problem nicht lösen,kommen wir von den roten Zahlen nicht weg. Für Heizung und Gebäudeerhalt geben wir soviel aus, dass für Patienten nichts mehr übrig bleibt.
Krankenhauskosten sind ein Thema, das von der Bundespolitik sträflich vernachlässigt wurde. Die Privatisierung, die de facto für alle Kliniken eingeführt wurde, hat die Häuser nicht besser gemacht. Die Überschrift sollte ja Krankenhaus sein- also die Heilfürsorge der Patienten- sie ist heute aber Benchmark und Wirtschaftlichkeit.
PS: Wenn ich so manchen Kommentar lese- wäre eine Pflicht für Klarnamen mehr als angebracht- aber wir Deutschen sind ja gern laut- anonym. Ich nenne das Duckmäusertum und Feigheit!
Wieso lacht Herr Denk so viel? Hoffentlich hat er auch 2015 noch jede Menge zu lachen. Man muss kein Psychologe sein, um zu deuten, dass dieses Lachen eine Verlegenheitsgeste ist.